Trotz der mehr als Tausend Tage in Haft sieht er seinen Platz in Weißrussland, sagte Ales Beljazki gestern in Minsk. Solange immer noch politische Häftlinge hinter Gittern sitzen, derzeit sind es sieben, solange könne er sich über seine Freilassung nicht recht freuen.
"Es würde Weißrussland gut zu Gesicht stehen, wenn es ein Land ohne politische Gefangene werden würde. Wenn wir das erreichen und die Regierung versteht, dass es auch für sie nützlich wäre, politisch wie wirtschaftlich, wenn es bei uns keine politischen Gefangenen mehr gäbe, erst dann kann von einer Verbesserung der Situation in unserem Land tatsächlich die Rede sein."
Hoffnung für andere Gefangene
Auch die Ehefrau des seit Dezember 2010 inhaftierten Präsidentschaftskandidaten Nikolai Statkewitsch weiß, dass die Amnestie kein Automatismus für die anderen Gefangenen bedeutet. Und doch schwingt Hoffnung mit, als sie gestern in Minsk sagte, sie rechne zwar nicht mit der Freilassung, aber Überraschungen seien immer möglich.
Drei Jahre verbrachte der kahlköpfige Jurist im Straflager. Ales Beljazki hatte mit seiner Menschenrechtsorganisation "Wasnja"- "Frühling"- vor seiner Verhaftung Dutzenden Beistand geleistet im Kampf gegen die Justizmühlen des Lukaschenko-Regimes. Dem autokratischen Präsidenten und dessen Geheimdienst KGB sei die Hilfsorganisation ein Dorn im Auge gewesen, sie wurde verboten, ihr Chef wegen angeblicher Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt, die erst in anderthalb Jahren ablaufen sollte.
"Die Regierung verfolgt das Ziel, die Zivilgesellschaft in Weißrussland zu zerstören und einzuschüchtern. Das war bei den Massenverhaftungen im Dezember 2010 deutlich sichtbar. Vielleicht haben sie ihr Ziel zum Teil erreicht, vollständig aber ganz bestimmt nicht."
In Weißrussland wird gerätselt, ob die Freilassung ein Hinweis für einen Kurswechsel von Präsident Alexander Lukaschenko ist. Dass ihm der Kollege im Kreml Angst macht, pfeifen in Minsk die Spatzen von den Dächern.
"Wenn jemand sagt, einen Staat wie die Ukraine gab es gar nicht, dann ist das zynisch. Viele Staaten gab es damals nicht. Sie sind neu oder aus den Trümmern des Imperiums entstanden. Aus den Trümmern der Sowjetunion ist Weißrussland entstanden."
Singal an den Westen?
Aus den Worten Lukaschenkos spricht Furcht. Die Freilassung des Menschenrechtlers mag ein Signal an den Westen sein, doch bislang erinnert Lukaschenkos Schwanken an das Lavieren von Viktor Janukowitsch. Der Ex-Präsident der Ukraine bezahlte das Hin und Her zwischen der EU und Russlands Zollunion mit dem Verlust seines Amtes. Lukaschenko macht gute Mine zu einem Spiel, bei dem er alles andere als freiwillig dabeibleibt. Weißrusslands Wirtschaft würde ohne Russlands Hilfe nur schwer überleben, hinzu kommt die neue Angst vor einem Szenario wie auf der Krim oder in der Ostukraine.
"Man jagt uns einen Schrecken ein: Morgen kommt Putin und besetzt alles. Aber egal, wer von welcher Seite kommt, wir werden unser Land verteidigen. Wenn Putin kommt, dann ist klar, auf wessen Seite die Russen kämpfen, und auch, welcher Seite ich sein werde."
Keine Kehrtwende der Politik
Der Menschenrechtler Ales Beljazki sieht den Druck auf Lukaschenko, jedoch noch keineswegs eine Kehrtwende in dessen Politik.
"Meine Freilassung ist nicht Folge einer veränderten Position, sondern das Ergebnis des Drucks auf die weißrussische Regierung. Wir befinden uns nach wie vor in einer unfreien Gesellschaft. Ich empfinde keine Genugtuung, dass ich in Freiheit bin. Wenn sich inzwischen alles zum Besseren gewendet hätte, wäre das anders, aber ich bin nach drei Jahren dorthin zurückgekehrt, wo ich hergekommen war."