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Weiter Wirbel um Schufa-Studie zur Nutzung von Sozialen-Netzwerk-Daten

Die Kreditauskunftei Schufa hat eine Studie über die Möglichkeiten der Auswertung von Daten aus sozialen Netzwerken wie Facebook initiiert. Es sei höchste Zeit, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, sagt Bernhard Rohleder vom IT-Branchenverband BITKOM - lehnt aber die Nutzung solcher Daten strikt ab.

Das gespräch führte Petra Ensminger |
    Jürgen Liminski: Bei Geld hört die Freundschaft auf, auch in Facebook. Zwar will die Schufa, die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, so der volle Name, nur ein Forschungsprojekt anschieben, um zu prüfen, wie Informationen aus sozialen Netzwerken für die Berechnung von Kreditwürdigkeit genutzt werden können. Aber hier ist wohl eine gute Portion Vorsicht, wenn nicht sogar Misstrauen angebracht, denn die Schufa ist eine privatwirtschaftlich organisierte Auskunftei, die von kreditgebenden Unternehmen getragen wird. Kann die Schufa überhaupt die Daten von Facebook nutzen? Dazu befragte meine Kollegin Petra Ensminger gestern Abend den Hauptgeschäftsführer des IT-Branchenverbands BITKOM, Bernhard Rohleder. Die erste Frage lautete: Waren Sie überrascht von dem Vorstoß der Schufa?

    Bernhard Rohleder: Es hat mich überrascht, dass die Schufa so lange wartete, bis sie sich dieses Themas annimmt, da sich natürlich aus dem Internet Informationen generieren lassen, die direktwettbewerblich zu dem stehen, was heute das Kerngeschäft der Schufa ist.

    Petra Ensminger: Wie bewerten Sie das Vorhaben also?

    Rohleder: Was mich stutzig macht, ist der Absender, nämlich dass es von der Schufa kommt. Dass wir uns dieses Themas annehmen und dass ein wissenschaftliches Institut mal ganz genau nachschaut, was kann überhaupt durch die Verknüpfung verschiedener Informationen an verschiedenen Orten im Internet an Informationen über Unternehmen und Privatpersonen gewonnen werden, das freut mich und ich meine, es ist höchste Zeit, dass wir uns mit genau dieser Frage auseinandersetzen.

    Ensminger: Warum sind Sie so überrascht, dass die Schufa als ja traditionsreicher Datensammler das Internet jetzt auch für sich entdeckt, dass das von da kommt?

    Rohleder: Ich gehe davon aus, dass das Projekt, das jetzt angestoßen wurde, unter anderem zum Ergebnis hat, dass Auskunfteien, die mit traditionellen Methoden und mit traditionellen Quellen arbeiten, in ihrer Auskunftsfähigkeit, was die Qualität der Aussagen angeht, gar nicht so viel besser sein werden, als es möglich sein würde über entsprechende Suchalgorithmen im Internet. Ich gehe davon aus, dass die Studie, die Untersuchung ergibt, dass wir durchaus im Internet so präzise Informationen generieren können, dass Fragen, wie sie die Schufa bislang traditionell klärt, nämlich zur Kreditwürdigkeit von Personen und Unternehmen, auch auf diesem Weg ähnlich präzise beantwortet werden können.

    Ensminger: Das klingt so, als würden Sie das gar nicht so für fragwürdig halten, sondern eher wünschenswert und würden sich wünschen, das hätten Andere schon viel früher gemacht. Das heißt, Sie haben keine Kritik an dem Datensammeln von Nutzern im Internet?

    Rohleder: Im Gegenteil. Wir können und ich auch persönlich nur dringend davor warnen, das Internet für solche Auskunftsersuchen und Aktivitäten zu nutzen, das heißt: auch zu missbrauchen. Ich beschrieb in dem, was ich eben sagte, nur die Möglichkeiten, die das Internet bietet, und insofern meine ich, brauchen wir dringend Klarheit, wie weitgehend diese Möglichkeiten gehen, und diese Klarheit erhoffe ich mir von der Studie des Hasso-Plattner-Instituts.

    Ensminger: Was wissen Sie denn darüber, was genau kann die Schufa im Internet erfahren?

    Rohleder: Wenn wir das wüssten, dann bräuchte das Hasso-Plattner-Institut diese Studie nicht mehr zu machen. Also es gibt und gab in der Vergangenheit schon in den letzten Jahren verschiedene Versuche, insbesondere in den USA, wo man zum Beispiel sehr einfach herausgefunden hat, dass die sexuelle Orientierung von jemandem, der sich in Online-Netzwerken bewegt, auch dann sehr eindeutig zu identifizieren ist, wenn er sie in seinem eigenen Profil gar nicht angibt. Und insofern lässt sich also aus der Vielfalt der Verknüpfungen und der jeweils dahinter liegenden Informationen recht genau sagen, wie eine Einzelperson, ein Privatnutzer des Internets, oder auch ein Unternehmen in seinem jeweiligen Profil – und das schließt eben die finanzielle Leistungsfähigkeit mit ein – einzuschätzen ist.

    Ensminger: Also ist ganz klar: Daten sammeln im Netz ist gängige Praxis. Google und Facebook tun es ja auch, und deswegen sind Google und Facebook ja so interessant für die Schufa, die jetzt nur nutzen will, was Internet-Unternehmen längst gesammelt haben. Hätte man nicht längst eingreifen müssen?

    Rohleder: Wir werden sehen, wo der Eingriff jetzt in Zukunft wirklich Sinn macht und wo er überhaupt möglich ist. Ich glaube, was jetzt noch mal ganz deutlich wird, ist, dass der Appell, den wir schon seit Jahren insbesondere an die Privatverbraucher richten, nämlich ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was an Informationen man öffentlich machen will und was man vielleicht doch besser im Privaten lässt, dass dieser Appell dringend war und dass er zunehmend Beherzigung braucht.

    Ensminger: Das heißt, der Verbraucher ist selbst schuld. Aber Tatsache ist, dass über unsere Internet-Suche unser Konsumverhalten verfolgt wird, Sie haben es ja auch beschrieben. Das drückt sich dann auch über die Werbebanner am Bildschirmrand aus. Haben Sie denn nicht die Möglichkeiten, das zu unterbinden?

    Rohleder: Die Möglichkeiten, die wir hier in Deutschland haben, sind leider recht begrenzt. Die in Deutschland beheimateten Netzwerke – dazu gehört unter anderem die VZ-Gruppe, dazu gehört auch das Netzwerk XING – haben vor einigen Jahren bereits gemeinsam mit uns Selbstverpflichtungen entwickelt für einen besseren Datenschutz, der auch über die gesellschaftlichen, über die gesetzlichen Notwendigkeiten hinausgeht.

    Ensminger: Aber Tatsache ist, dass nicht viel passiert ist in der Zeit. Im Gegenteil: Der Eindruck verschärft sich ja, dass immer mehr Daten gesammelt werden, immer mehr Daten auch herauskommen von dem, was man als Nutzer im Internet tut.

    Rohleder: Tatsache ist, dass obwohl diese Netzwerke einen besseren Datenschutz anbieten die Nutzer das nicht honorieren, sondern sich in manchen dieser Netzwerke, zum Beispiel bei der VZ-Gruppe, abmelden und in Massen zu Facebook wandern; und das zeigt, dass einfach das Bewusstsein an der Stelle weiterentwickelt werden muss und dass wir natürlich darüber nachdenken müssen, ob es an der einen oder anderen Stelle gesetzlichen Regelungsbedarf gibt.

    Ensminger: Wie kann man da herangehen, was kann man da tatsächlich tun?

    Rohleder: Gesetzgeberisch ist es in Deutschland relativ einfach, dieses oder jenes zu untersagen. Die Möglichkeit hat der Gesetzgeber immer, dafür gibt es eingespielte Mechanismen und Verfahren über den Bundesdatenschutzbeauftragten und die Landesdatenschutzbeauftragten. Sehr viel wichtiger für uns ist es allerdings im Moment, uns in Brüssel aktiv zu zeigen. Dort wird gerade eine neue europäische Datenschutzverordnung entworfen. Und das, was jetzt aus Brüssel kommt, wird direkt geltendes Recht, unmittelbar geltendes Recht in Deutschland sein, und das sollten wir mitgestalten.

    Liminski: Das war der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BITKOM, Bernhard Rohleder, im Gespräch mit meiner Kollegin Petra Ensminger.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Wenn das Facebook-Profil über den Hauskredit entscheidet - Schufa will soziale Netzwerke zur Prüfung der Kreditwürdigkeit heranziehen