Bundestag
Sondersitzung des Verteidigungsauschusses zur Abhöraffäre bei der Bundeswehr

Wegen der Abhöraffäre bei der Bundeswehr wird der Verteidigungsausschuss des Bundestags zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Dabei soll geklärt werden, wie Russland an das Material gelangen konnte und wie dies in Zukunft verhindert werden kann. Bundesfinanzminister Lindner sagte, die Abhöraffäre sei ein Weckruf an Deutschland.

    Im Vordergrund ein grüner Taurus-Marschflugkörper, im Hintergrund ein graues Kampfflugzeug der Bundeswehr
    Taurus-Marschflugkörper neben einem Tornado-Kampfflugzeug (imago / Arnulf Hettrich )
    Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Strack-Zimmermann, sagte der "Rheinischen Post", die Sondersitzung werde voraussichtlich am kommenden Montagnachmittag stattfinden. Beantragt wurde diese von der Unionsfraktion. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt hatte auch einen Untersuchungsausschuss ins Gespräch gebracht.
    Strack-Zimmermann rief in der Debatte zur Besonnenheit auf. Man müsse aufpassen, dass nicht alle übereinander herfielen, sagte die FDP-Politikerin im ZDF. Denn genau das wolle Russlands Machthaber Putin. Stattdessen müsse man sich in Ruhe mit den Hintergründen beschäftigen.

    Baerbock: "Es darf nicht zur Täter-Opfer-Umkehr kommen"

    Ähnlich äußerte sich auch Außenministerin Baerbock. So wichtig es für die Bundesregierung sei, den Vorfall aufzuklären, so klar seien aber auch die Fakten. Hätte Russland die Ukraine nicht brutalst angegriffen, müsste sich diese nicht verteidigen und Deutschland müsste auch keine Waffen liefern. Es dürfe nicht zur Täter-Opfer-Umkehr kommen, so Baerbock.
    Bundesfinanzminister Lindner sagte dem Handelsblatt, die Abhöraffäre sei ein Weckruf, dass Deutschland von Putin ins Visier genommen werde. Der FDP-Vorsitzende sprach von einem "hybriden Angriff aus Russland". Russlands Präsident Putin versuche offensichtlich, die Gesellschaft zu spalten. Das dürfe man nicht zulassen.

    Aussage von Scholz nach abgehörtem Gespräch

    Der russische Geheimdienst hatte am Freitag das mitgeschnittene Gespräch veröffentlicht, in dem sich hochrangige Bundeswehrangehörige darüber unterhielten, wie eine Taurus-Lieferung an die Ukraine möglich sei. Demzufolge müssten dafür keine deutschen Soldaten in die Ukraine, um die Ziele für die Marschflugkörper zu programmieren, sondern die ukrainischen Soldaten könnten dafür in Deutschland geschult werden. Das Gespräch fand vor der gegenteiligen Aussage von Bundeskanzler Scholz statt.
    Heute bekräftigte er sein Nein zur Lieferung der Marschflugkörper. "Ich bin der Kanzler und deshalb gilt das", sagte Scholz.

    Russland spricht von westlicher Einmischung

    Das russische Präsidialamt bewertet das abgehörte Gespräch als Beleg für eine direkte Einmischung des Westens in den Ukraine-Konflikt. Kreml-Sprecher Peskow sagte in Moskau, es sei nicht klar, ob die Bundeswehr auf eigene Initiative handele oder ob die deutsche Politik beteiligt sei.
    Die US-Regierung bewertete die Veröffentlichung des abgehörten Gesprächs als Versuch Russlands, den Westen zu spalten. Moskau wolle damit den Eindruck erwecken, dass der Westen nicht geeint sei, zitiert die Nachrichtenagentur AFP den Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Kirby. Er sprach von einem unverfrorenen und durchsichtigen Bemühen der Russen, Zwietracht zu säen.
    Ähnlich äußerte sich der Sicherheitsexperte Lange im Deutschlandfunk. Russland versuche offensichtlich alles, um eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine zu verhindern.

    Wie sicher sind Video-Konferenzen?

    Lange sagte weiter, natürlich hörten die russischen Geheimdienste Gespräche ab. Die Luftwaffen-Offiziere hatten das Videokonferenzsystem Webex des US-Netzwerkspezialisten Cisco genutzt, das vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als sicher eingestuft wird. Webex arbeitet mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Die Kommunikationsinhalte werden bei diesem Verfahren auf den Endgeräten verschlüsselt und erst wieder auf den Endgeräten der anderen Teilnehmer entschlüsselt.
    Diese Verschlüsselung muss aber auch aktiviert werden. Außerdem fällt der Schutz weg, wenn Teilnehmer sich nicht über die Webex-App beteiligen, sondern mit einer normalen Telefonverbindung einwählen. Bei dem abgehörten Gespräch soll sich ein regulärer Teilnehmer etwa aus einem Hotel in Singapur zugeschaltet haben. Denkbar ist aber auch, dass gar nicht Webex die Schwachstelle war, sondern klassische Abhörmethoden wie das Verwanzen des Hotelzimmers dazu geführt haben, dass die brisanten Inhalte in die Hände der russischen Geheimdienste fielen.

    Hörtipp

    Taurus-Abhöraffäre - Soldaten diskutierten vor allem technische Voraussetzungen
    Diese Nachricht wurde am 04.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.