"Wenn Sie noch Fragen haben, melden sie sich. Wir würden uns sehen bei den Einschulungsgesprächen, wenn sie Lust haben. Die anderen Schulen sind aber auch gut …"
Mit einem freundlichen Nicken in die Runde verabschiedet sich Schulleiter Michael Rudolf von seiner Besuchergruppe. Er steht mitten auf dem Hof des Genoveva-Gymnasiums in Köln-Mülheim. Rudolf hat interessierte Eltern an diesem Samstagvormittag durch die Klassenräume geführt und Fragen zum Schulkonzept beantwortet. Es ist Tag der offenen Tür und die meisten hier müssen noch entscheiden, welche Schule ihr Kind ab Sommer besuchen soll. Nur eines ist oft zu hören: Ein Gymnasium soll es sein.
"Sorgen, sonst würden Karrieren im Vorhinein eingeschränkt"
"Der Drang zum Gymnasium zu gehen, ist besonders bei Eltern, die selber das Schulsystem nicht so gut kennen, stark ausgeprägt", sagt der stellvertretende Schulleiter am Genoveva-Gymnasium Marco Lohmann, "weil sie die Vorstellung haben, dass das Gymnasium das einzig Seligmachende für ihr Kind sei. Da sind Sorgen dabei, dass ansonsten möglicherweise Berufskarrieren im Vorhinein eingeschränkt sind. Und das wird zunehmend ein Problem für uns."
Tatsächlich steigt die Quote der Schülerinnen und Schüler, die von der vierten Klasse auf das Gymnasium wechseln, in Deutschland stetig. Allein in Nordrhein-Westfalen waren es im vergangenen Jahr mehr als 40 Prozent. In NRW und den meisten anderen Bundesländern ist die Empfehlung der Grundschule für den weiteren Weg nicht bindend. Allein die Eltern entscheiden. Bei denen überwiege oft die Vorstellung, das Kind möge das Abitur machen, um alle Möglichkeiten zu haben, bestätigt auch dieser Vater am Tag der offenen Tür:
"Alle wünschen sich ja für ihre Kinder, dass sie mal einen guten Beruf haben werden. Wenn mein Kind jetzt schon nicht aufs Gymnasium kommt, wo wird es hinterher enden? So ist auch ein öffentlicher Druck da."
Konrektor: Viel Unkenntnis bei Eltern übers Schulsystem
Diesem Druck wollen Grundschulen und Schulämter etwas entgegensetzen und vor allem aufklären. In vielen Städten gibt es deshalb spezielle Informationsveranstaltungen über Schulabschlüsse und Wege in den Beruf. Denn Eltern seien stark verunsichert, so die Erfahrung von Konrektor Lohmann. Und es herrsche viel Unkenntnis über das deutsche Schulsystem:
"Dass eine Realschule ja nicht bedeutet, dass es das war. Sondern auch die Realschule bietet alle Möglichkeiten, qualifizierte Abschlüsse zu erlangen. Über das Berufskolleg, über einen späteren Übergang aufs Gymnasium. Wir haben zum Beispiel viele Kinder, die von der Realschule kommen. Das heißt, hier besteht die Möglichkeit auch so noch das Abitur zu machen."
Realschule oder Gymnasium, zwischen dieser Entscheidung schwankt auch diese Mutter, die sich mit dem Sohn gerade den Physikraum im Genoveva-Gymnasium anschaut. Am liebsten würde sie ihr Kind auf die Gesamtschule schicken. In Köln gibt es allerdings zu wenig Plätze, bedauert sie:
"Bei mir ist es eher so, dass es nicht zu viel für ihn wird. Er spielt Fußball, das macht er auch total gerne. Und wenn er jetzt keine Zeit mehr dafür hätte. Aber er hatte eine klare Gymnasium-Empfehlung. Das ist echt eine schwere Entscheidung."
Psychologin: Besser Empfehlung der Grundschule vertrauen
Eltern sollten unbedingt berücksichtigen, wie belastbar ihr Kind sei, dazu rät auch die Kölner Schulpsychologin Ute Schnell-Micka. Eine Eignung fürs Gymnasium sei nicht nur von der Intelligenz und den Noten abhängig, sondern auch von der psychischen Stabilität und dem Willen, selbständig zu arbeiten. Schüler, die am Gymnasium überfordert seien, würden häufig nach langen Schultagen noch bis in den Abend an den Hausaufgaben sitzen:
"Es kommt schon vor, dass Kinder zwei bis drei Stunden an den Hausaufgaben sitzen und kaum mehr Zeit finden für Freunde und andere Aktivitäten. Und dass sie auch in der Schule am nächsten Morgen sich nicht mehr konzentrieren können, weil sie letztendlich keine Energie und Aufmerksamkeit haben. Aufmerksamkeit und Konzentrationen bedeutet, dass ich ein gutes Verhältnis von Ent- und Anspannung habe."
Die Psychologin rät den Eltern von Viertklässlern, den Empfehlungen der Grundschulen zu vertrauen. Die Klassenlehrer seien geschult, sowohl die Stärken als auch die Schwächen der Kinder richtig einzuschätzen. Eltern sollten vor allem das Wohl des Kindes im Blick haben.
Schulerfolg führt zum Gefühl von Selbstwirksamkeit
Und dazu gehöre es, dass sie auch auf der weiterführenden Schule gute Noten schreiben und somit Erfolgserlebnisse verbuchen:
"Das ist ganz wichtig, weil das wieder Rückwirkungen auf die Lernfreude und die Motivation hat. Das ist insgesamt wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes Erfolge zu haben und auch zu wissen, dass man das System beherrschen kann. Das macht mich sicher, das macht mich stark und das gibt mir auch das Gefühl von Selbstwirksamkeit."