Im Institut für Translationale Immunologie der Universitätsklinik Mainz. Der Gastroenterologe Detlef Schuppan öffnet eine mit einem Magnetschloss gesicherte Tür.
"So, wir gehen jetzt mal in das Zellkulturlabor."
Ein schmuckloser Raum. Betonwände, eine weiße Laborbank. Zwei Mitarbeiter in weißen Kitteln hantieren mit Pipetten. An der Seite: zwei große, stählerne Brutschränke für Zellproben.
"Hier kultivieren wir Zellen, mit denen wir die Aktivität der ATIs bestimmen und auch quantifizieren können. Wir messen dann, was die Zellen produzieren an Botenstoffen. Und diese Botenstoffe sind dann unser Maßstab für die entzündliche Aktivität der ATIs."
Chronische Entzündungsprozesse werden gefördert
ATIs. Dieses Kürzel steht für Amylase-Trypsin-Inhibitoren. Es ist eine Klasse von Proteinen, die in Weizen, aber auch in Roggen oder Gerste vorkommt. Vor fünf Jahren entdeckte Detlef Schuppan, dass ATIs bei bestimmten Zellen im Dünndarm von Mäusen Entzündungen hervorrufen können. Lange Zeit hatte er dafür das Klebereiweiß Gluten in Verdacht. Gluten wird oft als Auslöser gesehen, wenn es um Weizenunverträglichkeiten geht. Doch auch die ATIs können offenbar Probleme bereiten. Nicht nur bei Mäusen, auch bei Menschen. Und das in einer geradezu perfiden Weise, wie Detlef Schuppan herausgefunden hat. ATIs wirken nicht nur im Darm, sie können bestehende chronische Entzündungsprozesse in anderen Teilen des Körpers fördern.
"Wir haben vielleicht fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung, die eine Autoimmunkrankheit haben. Zum Beispiel Rheuma, eine entzündliche Gelenkserkrankung. Oder auch zentralnervöse entzündliche Erkrankungen. Dazu gehört zum Beispiel die Multiple Sklerose. Und dort wirken die ATIs als Verstärker dieser bereits laufenden Entzündungen."
Umfassende klinische Beweise für diese Zusammenhänge beim Menschen liegen noch nicht vor. Entsprechende Studien laufen. Doch sollte Detlef Schuppan mit seiner These recht behalten, könnte es für viele Menschen mit Autoimmunkrankheiten ratsam sein, die Aufnahme von ATI über Weizenprodukte einzuschränken. Das heißt unter anderem: weniger Brot und weniger Nudeln essen.
"Wir kennen die genauen Grenzen noch nicht, auf wie viel Prozent muss ich reduzieren, um eine Verbesserung zu haben. Das ist ein sogenannter Dosiseffekt. Und diese Schwellendosis ist bei jedem sicherlich etwas unterschiedlich. Aber wir rechnen schon damit, dass wir eine 90- oder 95-prozentige Reduktion einführen müssen."
Anderer Weizen gesucht
Ein anderer Weg wäre, Weizenpflanzen zu finden oder zu züchten, deren ATIs weniger entzündungsfördernd sind. Detlef Schuppan arbeitet bereits mit Weizenzüchtern an Universitäten in Weihenstephan und Hohenheim zusammen, um bei Hunderten modernen wie alten Weizensorten zu testen, wie hoch die entzündungsfördernde Aktivität der enthaltenen ATIs jeweils ist. Dafür dienen die Zellkulturen im Labor. Ihnen werden die aus dem Weizen extrahierten ATIs zugesetzt. Bisher gibt es nur einige vorläufige Ergebnisse. Sie deuten allerdings an, dass die Forscher eine erste Hypothese, wonach ältere Weizensorten verträglicher sind als moderne Züchtungen, vermutlich nicht werden halten können.
"Wir finden auch ältere Sorten, die sehr viele ATIs enthalten. Da müssen wir noch mal ein Jahr abwarten, um einen guten Überblick zu haben. Es gibt wahrscheinlich unter den neuen Sorten auch sehr große Unterschiede, je nach der Genetik des verwendeten Weizens."
Programmhinweis: Um aktuelle Erklärungsversuche der Forschung zu den Ursachen von Weizenunverträglichkeiten geht es am Sonntag um 16.30 Uhr in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt": "Das Böse im Brot".