Welche Grenzübergänge gibt es am Gazastreifen?
Zwischen dem Gazastreifen und Israel gibt es mehrere Grenzübergänge, von denen in jüngerer Vergangenheit jedoch nur noch zwei genutzt wurden: Erez im Norden war dem Personenverkehr vorbehalten, während Kerem Schalom im Süden für den Umschlag von Waren genutzt wurde. Infolge der Hamas-Attacke auf Israel am 7. Oktober wurden beide Grenzübergänge teilweise zerstört und von israelischer Seite abgeriegelt.
An der Südgrenze des Gazastreifens liegt Rafah - der einzige Grenzübergang zu Ägypten. Es handelt sich im Wesentlichen um ein großes Tor im Grenzzaun mit Abfertigungsanlagen auf beiden Seiten. Privater Autoverkehr ist in Rafah nicht erlaubt - die Menschen wurden in der Regel mit Bussen auf der kurzen Strecke zwischen beiden Checkpoints transportiert.
Ausreisewillige Palästinenser mussten sich Wochen im Voraus bei den Behörden anmelden.
Wie ist die Situation in Rafah?
Nach israelischen Luftangriffen auf die palästinensische Seite des Grenzübergangs vor gut einer Woche wurde er bis auf Weiteres geschlossen. Seitdem ist auf Bildern von beiden Seiten der Grenze immer wieder punktueller Andrang zu sehen: Auf palästinensischer Seite sammeln sich Menschen, zum Beispiel Doppelstaatler mit US- oder EU-Pässen, die auf eine Ausreise aus dem Gazastreifen über Ägypten hoffen.
Auf ägyptischer Seite haben Lastwagen Schlangen gebildet. Für Hilfsorganisationen ist Rafah derzeit der einzig realistische Ort, um humanitäre Güter in den Gazastreifen einzuführen. Das UNO-Welternährungsprogramm kann nach eigenen Angaben mehr als 800.000 Menschen im Gazastreifen mit Lebensmitteln versorgen, sobald sein Konvoi über Rafah einfahren kann. Ägyptischen Angaben zufolge stehen in Rafah insgesamt rund 3.000 Tonnen Güter bereit.
Was ist die Position der ägyptischen Regierung?
Ägypten hat grundsätzlich zugesichert, humanitäre Hilfe durchzulassen. Unter Berufung auf diplomatische Kreise wird aber immer wieder berichtet, Kairo habe die Sorge, dass aus einer kurzzeitigen Öffnung eine dauerhafte werden könnte, die massenhafte Fluchtbewegungen nach sich ziehen würde.
Doch der internationale Druck auf Präsident al-Sisi wächst: Nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Scholz in Kairo und dem Besuch von US-Präsident Biden in Jerusalem steht Ägypten wohl kurz davor, den Grenzübergang zu öffnen. Berichten zufolge haben sich al-Sisi und Biden auf eine dauerhafte Öffnung verständigt. Ein Zeitpunkt dafür wurde zunächst nicht genannt.
Was ist die Haltung Israels?
Solange die von der Hamas verschleppten Geiseln nicht freigelassen werden, lehnt Israel humanitäre Lieferungen über die eigenen Zugänge nach Gaza kategorisch ab. Nachdem US-Präsident Biden bei seinem Besuch Israel aufgefordert hatte, Lieferungen über Rafah zuzulassen, erklärte das Büro von Ministerpräsident Netanjau, man werde sich dem nicht entgegenstellen. Die Rede war von Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten - nicht aber von Treibstoff, der etwa für die Notstromgeneratoren der Krankenhäuser dringend benötigt wird. Netanjahu machte deutlich, jede Lieferung, die zur Hamas gelange, werde verhindert.
Was ist die Position der Palästinenser?
Eine mögliche Massenflucht über Rafah auf die ägyptische Halbinsel Sinai wurde auf palästinensischer Seite bereits mehrfach als "zweite Nakba" bezeichnet: Die Vertreibung vieler Palästinenser rund um die israelische Staatsgründung 1948 aus dem vorherigen britischen Mandatsgebiet Palästina gilt als Trauma der Palästinenser.
Die radikal-islamische Hamas hat die Bürger des Gazastreifens mehrfach aufgerufen, den israelischen Appell zum Verlassen des Nordens zu ignorieren und dort zu bleiben. Es gab Berichte, dass Hamas-Anhänger auch Menschen daran hinderten, sich auf den Weg in den Süden zu machen. Der Hamas wird häufig vorgeworfen, die Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde einzusetzen.
Diese Nachricht wurde am 19.10.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.