Erster Ostermarsch vor mehr als 60 Jahren
Die Ostermärsche der deutschen Friedensbewegung haben eine mehr als 60-jährige Geschichte. Inspiriert wurden die ersten Aktionen von britischen Friedensaktivisten, die an Ostern 1958 einen dreitägigen Protestmarsch zum Atomwaffen-Forschungszentrum Aldermaston organisierten.
Der erste Ostermarsch in Deutschland fand 1960 vor einem Truppenübungsplatz im niedersächsischen Bergen-Hohne bei Celle statt. Ihren Höhepunkt erreichte die Friedensbewegung in den 1980er Jahren, als Hunderttausende Menschen gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenwaffen protestierten. Danach wurden die Ostermärsche kleiner, erlebten aber während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien und am Persischen Golf zwischenzeitlich stärkeren Zulauf.
2024: Ukraine und Gaza im Fokus
Die Initiatoren der diesjährigen Ostermärsche fordern ein Ende der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Dazu brauche es Verhandlungen und Entspannungspolitik statt Kriegsrhetorik.
Auf der Seite des Netzwerks Friedenskooperative heißt es weiter: "Neben diesen beiden herausgestellten Kriegen wollen wir gleichzeitig aber die vielen weiteren Konflikte und Kriege auf der ganzen Welt nicht vergessen. Auch die traditionellen Forderungen der Friedensbewegung nach Abrüstung und der Abschaffung der Atomwaffen werden Thema sein." In einer Pressemitteilung betont das Netzwerk, der Ostermarsch-Aufruf sei von "mehr als 2.000 Einzelpersonen und 71 Organisationen" unterzeichnet worden. Das sei ein ermutigendes Zeichen.
Geplant sind zahlreiche Kundgebungen. Unter dem Motto "Kriegstüchtig – nie wieder" werden etwa in Berlin am Karsamstag etwa 6.000 Teilnehmer erwartet. Ostermärsche sind außerdem in München, Leipzig, Stuttgart, Köln und Bremen geplant. Auch am Ostersonntag und Ostermontag gibt es in zahlreichen Städten Aktionen – unter anderem in Hamburg, Frankfurt am Main und Frankfurt (Oder).
Forderungen nicht mehrheitsfähig?
Der Bielefelder Friedens- und Konfliktforscher Andreas Zick rechnet nicht damit, dass die Initiatoren der Ostermärschen viele Menschen mobilisieren. Ihre Forderungen seien in Deutschland nicht mehrheitsfähig, sagte er im ARD-Fernsehen. "Das Konzept von Frieden hat sich verändert und damit auch die Akzeptanz für begrenzte Waffengewalt." So teile eine große Mehrheit der Bevölkerung die Meinung, dass die Ukraine auch die Demokratie verteidige und weiter mit Waffen unterstützt werden müsse.
Zudem sei die Friedensbewegung - anders als früher - sehr heterogen, betonte Zick. Auf Protestmärschen demonstrierten inzwischen auch Rechtsextreme mit dem Symbol der Friedenstaube.
Immer weniger junge Menschen auf Ostermärschen
Der Friedensforscher Tobias Debiel von der Universität Duisburg-Essen kritisierte, dass die Friedensbewegung den Anschluss an die jüngere Generation verloren habe. Diese könne mit den gängigen Schwarz-Weiß-Schemata der älteren Friedensaktivisten nichts mehr anfangen, sagte Debiel dem Evangelischen Pressedienst. Um jüngere Menschen zu erreichen, müsse deshalb "das Klima- und Umweltthema stärker mit Friedensfragen verbunden werden".
Debiel kritisierte in diesem Zusammenhang zudem, dass es einigen Friedensaktivisten schwer falle, beim russischen Angriffskrieg in der Ukraine "Ross und Reiter" zu nennen.
Politiker warnen vor Naivität
Politikerinnen und Politiker warnten ebenfalls vor einer einseitigen Parteinahme in den globalen Kriegen und Konflikten. Bundeskanzler Scholz sagte in einer Videobotschaft, alle sehnten sich nach einer friedlicheren Welt. Frieden ohne Freiheit aber heiße Unterdrückung – und Frieden ohne Gerechtigkeit gebe es nicht.
Der CDU-Vorsitzende Merz erklärte, für Frieden zu demonstrieren sei alles andere als verwerflich. Friedfertigkeit allein sei jedoch keine ausreichende Antwort. Merz betonte, es wäre sehr zu wünschen, wenn sich die Ostermarschierer in diesem Jahr vor allem an Putin richteten und ihn aufforderten, den Angriffskrieg gegen die Ukraine sofort zu beenden.
Bundesaußenministerin Baerbock warnte die Friedensbewegungen vor einer einseitigen Parteinahme zu den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten. "Menschlichkeit ist unteilbar. Alles andere ist brandgefährlich", sagte sie den Funke-Medien.
Linke: Zeichen für Frieden und gegen Krieg
Der Co-Vorsitzende der Linken, Schirdewan, kritisierte hingegen die "Kriegsrhetorik" der Bundesregierung. Er hoffe, dass möglichst viele Menschen auf die Straße gehen und ein kraftvolles Zeichen für Frieden und gegen Krieg setzen, sagte Schirdewan der Rheinischen Post. Man brauche eine Politik in Deutschland und Europa, die dafür sorge, dass in der Ukraine wieder Frieden herrsche und "nicht das Recht des Stärkeren."
Der frühere Linken-Bundestagsabgeordnete van Aken sagte im Deutschlandfunk, die Geschichte habe gezeigt, dass es für fast jeden Krieg eine zivile Lösung gebe. Die müsse man nun suchen. Dafür müsse man "den Panzer aus dem Kopf rauskriegen", meinte van Aken, der als Referent für internationale Konflikte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitet.
Diese Nachricht wurde am 30.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.