Zunächst wird Steinmeier der Bitte von Bundeskanzler Scholz entsprechen, Finanzminister Lindner zu entlassen. Die weiteren FDP-Minister wollten ihren Rücktritt beim Bundespräsident einreichen. Das sind Verkehrsminister Wissing, Bildungsministerin Stark-Watzinger und Justizminister Buschmann. Sollte Scholz Nachfolger für die Ressorts vorschlagen, müssten sie vom Bundespräsidenten ernannt werden.
Kommt es am 15. Januar nächsten Jahres wie von Scholz geplant zur Vertrauensfrage im Bundestag und verliert er diese erwartungsgemäß, kann der Bundespräsident - auf Voraschlag des Kanzlers - binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen und Neuwahlen ansetzen. Das regelt Artikel 68 der Verfassung. Dort ist auch festgelegt, dass zwischen dem Antrag und der Abstimmung 48 Stunden liegen müssen. Ursprünglich war die Regelung dafür gedacht, dass sich der Kanzler des Rückhalts im Parlament vergewissern kann. Gleichzeitig handelt es sich aber auch um eine verfassungsmäßige Möglichkeit, unter einem amtierenden Kanzler Neuwahlen einzuleiten. Der Bundespräsident ist dazu zwar nicht verpflichtet. In der Geschichte der Bundesrepublik kam es allerdings in allen Fällen, in denen das Parlament die Vertrauensfrage negativ beantwortete, zu dessen Auflösung und somit zu Neuwahlen.
Für eine Entscheidung über die Parlamentsauflösung hat der Bundespräsident 21 Tage Zeit, heißt es in Artikel 68 weiter. Entscheidet er sich dafür, muss die Neuwahl binnen weiterer 60 Tage stattfinden, schreibt Artikel 39 des Grundgesetzes vor. Die Bundestagswahl müsste demnach spätestens Anfang April angesetzt werden. Spätestens 30 Tage danach tritt der neue Bundestag zusammen.
Steinmeier als Vermittler zwischen Regierung und Opposition?
Allerdings hat der Bundespräsident bis dahin auch die Möglichkeit, Einfluss auf die politischen Akteure zu nehmen. Im konkreten Fall wird Steinmeier sich mit Vertretern der verbliebenen Koalitionsparteien und mit der Opposition treffen. So berichten Medien darüber, dass es ein Treffen mit CDU-Chef Merz geben soll. Der nach Angaben des Präsidialamtes schon vor Wochen anberaumte Termin hat durch das Ampel-Aus neue Bedeutung bekommen. Steinmeier könnte versuchen, Merz zu einer Kooperation mit Kanzler Scholz - zumindest bis zu möglichen Neuwahlen - zu bewegen. Scholz hatte schon angekündigt, er wolle mit Merz das Gespräch in dieser Sache suchen.
Schon in der Vergangenheit hat Steinmeier in politischen Krisen eingegriffen. So hatte er nach der Bundestagswahl 2017 maßgeblichen Anteil daran, dass sich Union und SPD doch noch zu einer Großen Koalition zusammenrauften, nachdem Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und den Grünen für ein Jamaika-Bündnis gescheitert waren - weil die FDP sich zurückzog. Damals betonte Steinmeier, dass er wenige Monate nach der Bundestagswahl nicht einfach so Neuwahlen ausrufen werde. Am Ende folgten Union und SPD seinem eindringlichen Appell und bildeten eine gemeinsame Regierung.
Diese Nachricht wurde am 07.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.