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Welchen Titel hätten Sie denn gern?

Absolventen ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten in Mecklenburg-Vorpommern können künftig wieder den Titel Diplomingenieur tragen. Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat heute eine entsprechende Gesetzesnovelle verabschiedet. Danach kann zwischen Master und Diplom gewählt werden. Wer sich nach fünfjährigem Studium für das Diplom entscheidet, bekommt eine sogenannte Äquivalenzbescheinigung, einen Nachweis, dass sein Diplom einem Masterabschluss gleichzusetzen ist.

Von Olaf Baale |
    "Ich würde auf jeden Fall auf Diplom studieren. Ich glaube, der Verzicht aufs Diplom wäre wie der Verzicht auf Made in Germany. Das ist einfach total Irrsinn auf so eine Marke zu verzichten."

    Christoph Niemann studiert Elektrotechnik an der Universität Rostock. Er steht kurz vor dem Bachelor-Abschluss. Wenn er ein zweijähriges Masterstudium anschließt und weiter in Mecklenburg-Vorpommern studiert, kann er wählen, welcher Titel auf seinem Abschlusszeugnis stehen soll: Master oder Diplomingenieur. Und es gibt keinen Zweifel, wie sich die allermeisten Absolventen entscheiden werden. Philipp Dommer, auch er studiert Elektrotechnik in Rostock:

    "Ich würde mich lieber Diplomingenieur nennen. Das hat in der Industrie noch ein ganz anderes Gewicht als der Master. Die Industrie, die Firmen kennen sich mit dem Master noch nicht so wirklich aus, und bei Diplomingenieur wissen sie, woran sie sind."

    Die Anregung für eine Gesetzesinitiative zur Wiedereinführung des Diplomtitels wurde von Ingenieuren der Universität Rostock in den Landtag getragen. Bernhard Lampe, Dekan der Fakultät für Informatik und Elektrotechnik:

    "Die Abschaffung des Diploms war eine Geschichte, die in Deutschland aus Übereifer geschehen ist. Wir hatten bei Einführung neuer Studiengänge die Vorgabe, dass das nur noch Bachelor und Master sein dürfen. Wir sind froh, dass das heute etwas zurückgenommen wird und wenigstens die Option für den Diplomingenieur wieder möglich ist."

    Der 111 Jahre alte, weltweit bekannte Titel Diplomingenieur erlebt eine Renaissance. Allerdings ändert sich nichts am Aufbau des Studiums. Es bleibt bei der im Bologna-Prozess geforderten Modulbauweise: drei Jahre Bachelor, zwei Jahre Master. Vor dem Bologna-Prozess gab es das Vordiplom als zumindest einigermaßen definierten Leistungsstandard. Das Vordiplom wurde nach zweijähriger Studienzeit erworben und ermöglichte den Hochschulwechsel. Was damals funktionierte, ist nach Einführung des Bachelors eher schwierig geworden. Noch einmal Professor Bernhard Lampe:

    "Die Idee ist ja, dass man mit irgendeinem Bachelor, den man irgendwo erworben hat, an irgendeiner anderen Stelle den Master abschließen kann. Also ich mache meinen Bachelor in England und mache meinen Master in Frankreich -, oder irgendwie eine solche Kombination. Das ist die Idee, die Bologna vorangetrieben hat, aber so nahtlos wird es nicht funktionieren."

    Die Praxis sieht so aus, dass Bachelor-Absolventen nach dem Wechsel nicht dort anschließen können, wo sie an ihrer vorherigen Hochschule aufgehört haben. Startschwierigkeiten sind die Regel, oft müssen die Betroffenen Fächer nachholen. Es gibt keinen bundesweiten oder gar europaweiten Standard für Bachelor-Abschlüsse, jede Hochschule stellt andere Anforderungen an ihre Studenten. Das schadet der Akzeptanz des Bologna-Prozesses und ruft leidenschaftliche Gegner auf den Plan. Einer ist Matthias Brodkorb, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern.

    "Also es gibt im Bologna-Prozess ganz viele Widersprüche. Der eine Widerspruch ist, dass man von den Hochschulen zwar einerseits erwartet, dass sie gleichartige Studienangebote unterbreiten, die in ganz Europa anerkennungsfähig sein sollen. Auf der anderen Seite erwartet man von den Hochschulen, dass sie einzigartige und mit Alleinstellungsmerkmalen ausgewiesene Studiengänge und Forschungsprogramme kreieren, und das passt beides nicht zusammen. Ein weiterer Widerspruch ist, dass wir von den Hochschulen zwar verlangen, dass sie ihre Studiengänge alle auf Bachelor und Master umstellen, und dann aber die staatlichen Abschlüsse davon ausnehmen, also Lehrer, Juristen, Mediziner, Theologen. Da sagt der Staat dann, das sind staatliche Prüfungen -, wir wollen nicht von einem Bachelor-Mediziner operiert werden, wir wollen nicht von einem Bachelor-Juristen vor Gericht vertreten werden, und wir wollen schon gar nicht von einem Bachelor-Lehrer unterrichtet werden."

    Der Verband der neun größten Technischen Universitäten in Deutschland, TU9, hat Mecklenburg-Vorpommern zu dem neuen Hochschulgesetz gratuliert. Der Verbandsvorsitzende Ernst Schmachtenberg, Rektor der Technischen Hochschule Aachen, sagte, Mecklenburg-Vorpommern verschaffe sich durch die Wiedereinführung des Diploms einen beneidenswerten Wettbewerbsvorteil. Der Entscheidungsprozess zog sich über anderthalb Jahre hin, Widerstand kam vor allem von der Ministerialbürokratie. Landtagsabgeordneter Michael Bordkorb ist sicher, dass jetzt, da Mecklenburg-Vorpommern zum Diplom zurückgekehrt sei, Bewegung in den Bologna-Prozess komme.

    "Es ist in der Tat damit zu rechnen, dass wir uns auf einen Dominoeffekt zubewegen, weil das bisherige Argument, das man das Diplom nicht erhalten kann, immer war: Es macht keiner. Und wenn man ins europäische Ausland sieht, dann kann man sich davon überzeugen, dass diese Aussage einfach falsch ist, es gibt viele europäische Länder, die am Diplom und am Diplomingenieur festhalten, nur die Erfinder nicht, nämlich Deutschland. Und deswegen gehe ich fest davon aus, dass der Druck auf die anderen Länder zunehmen wird und wir am Ende in vielen Bundesländern so eine Regelung haben werden."