Pyritz: Herr Winkelheide, wird die Welt-Aidskonferenz in Melbourne stattfinden können?
Winkelheide: Die Internationale Aids-Gesellschaft hat lange gerungen, hat dann aber mitgeteilt, dass man, so wörtlich, "in Anerkennung der Hingabe unserer Kollegen im Kampf gegen Aids" die Konferenz wie geplant wird stattfinden lassen. Es werde aber Gelegenheit geben, derer zu gedenken, die wir verloren haben, so heißt es in der Stellungnahme heute. Unter den Opfern des Flugzeugabsturzes ist auch Joep Lange, er war Präsident der Internationalen Aids Gesellschaft und einer der führenden Aidsforscher seit vielen, vielen Jahren. Er hat mit daran gewirkt..., dazu beigetragen, dass es diese Kombinationstherapie gegen HIV gibt, die vielen Menschen das Leben gerettet hat. Und ein zweiter Schwerpunkt war, dass er Programme aufgebaut hat, um zu verhindern, dass sich Kinder im Mutterleib schon anstecken mit dem Aids-Virus.
Pyritz: In Melbourne sollte es auch um die Erfolge gehen im Kampf gegen Aids. Im Vorfeld hatte die UN Organisation UNAids einen Bericht veröffentlicht mit einem sehr optimistischen Tenor: Bis 2030 sei es möglich, die Epidemie zu stoppen. Woher der Optimismus?
Winkelheide: Ja, UNAids hat die, sage ich mal, positiven Trends zusammengefasst. Also zum einen, dass sich die Zahl, dass sich die Ausbreitung des Aids-Virus weltweit verlangsamt hat, also dass sich weniger Menschen angesteckt haben mit dem HI-Virus. Dass sich auch weniger Kinder angesteckt haben mit dem Aids-Virus. Dass mehr Menschen als früher behandelt werden mit den Medikamenten. Also man rechnet damit, dass zwischen elf und 13 Millionen Menschen inzwischen die Medikamententherapie in Anspruch nehmen können. Und sie sieht eben die Möglichkeit, dass man, wenn man die Anstrengungen weiter forciert, dass man dann langfristig die Epidemie wird in den Griff bekommen können, am liebsten bis 2030.
Pyritz: Wie realistisch ist denn diese Vorstellung, davon auszugehen, dass sich die Epidemie innerhalb von nur 15 Jahren von jetzt an kontrollieren lassen wird?
Winkelheide: Es ist sehr optimistisch. Natürlich ist es so, dass immer mehr Menschen HIV-Medikamente bekommen. Und man weiß aus Studien eben auch, dass Menschen, die die Medikamente nehmen, weniger ansteckend sind, dass das ein wichtiges Element ist, um die Ausbreitung des Aids Virus zu verhindern. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass eben nur jeder Dritte bislang die Medikamente bekommt. Hauptgrund ist, dass eben viele gar nicht wissen, dass sie infiziert sind. Also jeder zweite weiß noch nicht, dass er infiziert ist oder das Virus in sich trägt. Und das ist nicht nur in afrikanischen Ländern so, das ist auch in Europa so. Das ist ein wichtiger Hinderungsgrund, denn Menschen, die infiziert sind und es mich wissen, keine Medikamente bekommen, sind eben deutlich ansteckender und sind ein wichtiger Motor für die Epidemie. Ein zweiter wichtiger Punkt ist eben, dass viele Bereiche, dass da vieles im Argen liegt. Was es geht zum Beispiel um die Diskriminierung von Homosexualität. In 80 Ländern weltweit wird Homosexualität oder abweichende sexuelle Orientierung noch verfolgt. Und in solchen Ländern kann keine vernünftige Präventionspolitik gemacht werden.
Pyritz: Auch die Aids Forschung hat ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben, nämlich Aids zu heilen. Wie realistisch ist das von medizinischer Perspektive?
Winkelheide: Im Moment ist es vor allen Dingen ein Grundlagenprojekt. Man hat gesehen, dass es im Prinzip möglich sein kann, Menschen von HIV zu heilen. Es gibt ein Beispiel, den Berliner Patienten. Und das ist sozusagen das Modell und auch die Inspiration, jetzt nach Wegen zu suchen, wie es einen einfachen und ungefährlichen Weg geben könnte, das Aids Virus aus dem Körper hinaus zu bekommen, von infizierten. Das ist ein großes Grundlagenprojekt, man hat viele Ideen, aber es ist eben auch eine sehr kleinteilige Arbeit, wo man nicht sagen kann: dass ist in fünf Jahren zu schaffen oder in zehn Jahren.