Der Sohn von Elke Schulz ist acht Monate alt - ein Wunschkind und kerngesund. Im Gegensatz zur Mutter. Sie ist HIV-positiv, kann aber dank guter Medikamente inzwischen ein fast normales Leben führen. Um ihre Familie zu schützen, nennt sie hier nicht ihren richtigen Namen. Überhaupt ist die schlanke blonde Frau zurückhaltend:
"Ich bin schon vorsichtig, wem ich das erzähle und wann. Nach welcher Zeit, wenn man jemanden kennenlernt."
Denn die 36-Jährige hat schon einmal ihre Arbeit und auch Freunde wegen ihrer Erkrankung verloren. Sie fühlt sich manchmal behandelt wie:
"Ein Mensch zweiter Klasse."
Rund 15.000 HIV-infizierte Frauen leben nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Deutschland. Elke Schulz hat sich vor 15 Jahren bei ihrem damaligen Freund angesteckt, ohne zu wissen, dass er infiziert ist. Mit ihrem jetzigen Partner - er ist gesund -, hat sie sich schon lange über ein Kind nachgedacht.
"Irgendwann sagte meine Ärztin, das ist kein Problem. (...) Meine Werte sind schon seit Jahren gut. Also unter der Nachweisgrenze. Von daher kann man ganz normal schwanger werden."
Manche möchten Krankheit nicht wahrhaben
In Deutschland bringen HIV-positive Mütter jedes Jahr rund 250 bis 300 Kinder zur Welt. Manche erfahren erst in der Schwangerschaft von ihrer Infektion. Ein Schock, mit dem sie lernen müssen umzugehen, erzählt die Gynäkologin Ärztin Maria Abrar von der Universitätsfrauenklinik in Düsseldorf. Es gebe Patientinnen, die, die Krankheit zuerst nicht wahrhaben wollen.
"Die dann auch wirklich fragen, ob da auch alles richtig ist, ob das Ergebnis richtig ist, ob da nicht ein Fehler unterlaufen ist, und sich auch gar nicht so damit befassen wollen, dass die Diagnose letztendlich eine chronische Form hat, das heißt also nicht heilbar ist."
Zumal die Sorge ums Baby groß ist. Auch für Elke Schulz war die Schwangerschaft nicht unbeschwert. Sie grübelte immer wieder:
"Ob alles in Ordnung ist, ob alles gut ist (...) Natürlich macht man sich Gedanken."
Vom Stillen wird abgeraten
Außer dass der Kleine etwas früher kam, verlief alles gut. Das ist in den meisten Fällen in Deutschland so, wenn die Schwangere alle empfohlenen Schutzmaßnahmen einhält - zum Beispiel einen speziellen Medikamentenmix nimmt. Dann liegt das Ansteckungsrisiko fürs Kind bei nur noch höchstens zwei Prozent. Besonders riskant ist das Stillen. Deshalb raten die meisten Gynäkologen davon ab. Auch Maria Abrar:
"Das Gefährliche ist ja der Kontakt mit dem Blut der Mutter. Weil es gibt viele Frauen, die stillen und wenn die Anlegetechnik nicht so gut und das Kind oft saugen möchte, dass dann halt an der Brust selber Wunden entstehen, die bluten dann ist das dann theoretisch so, dass das Kind sich anstecken kann. Ein gewisses Risiko ist immer da."
Elke Schulz genießt die Zeit mit ihrem Jungen. Nur manchmal hat sie Angst um ihn; etwa wenn er bald wieder zum Bluttest muss. Eine reine Vorsichtsmaßnahme im ersten Lebensjahr:
"Man hat trotzdem ein doofes Gefühl und wartet auf die Ergebnisse, obwohl man eigentlich weiß, dass alles in Ordnung ist."
Damit ihr Sohn unbeschwert aufwachsen kann, nicht vom gemeinsamen Spielen mit anderen Kindern ausgeschlossen wird, hält sie ihre Infektion geheim. Für Petra Hilcher von der AIDS-Hilfe NRW ist das eine durchaus berechtigte Angst. Denn Eltern reagierten oft hysterisch, wenn sie die Wörter "HIV" oder "AIDS" hörten.
"Wenn es um Kinder geht, dann spitzt es sich noch mal zu. Die eigene Fürsorge der Eltern, was die Kinder angeht, dass man die Kinder schützen will, das sie wohlbehütet aufwachsen, dass das so in den Vordergrund gerät, dass nicht mehr rational nachgedacht wird, um was geht es hier eigentlich. Ich glaube, dass da noch eine Menge gesellschaftlicher Aufklärung nötig ist."