"Messe Ost und zur Expo-Plaza. Endpunkt. Fahrgäste bitte aussteigen."
Als Erstes ist da der Holländer, auf der linken Seite, nach dem Ausstieg aus der Straßenbahn. Sofort fällt er ins Auge - einfach, weil er so riesig ist. Der Holländer, das war der niederländische Beitrag zur Expo 2000 in Hannover; ein ungefähr 40 Meter hohes Gebäude, Hollands Landschaften gestapelt über mehrere Stockwerke, mit Bäumen, die mitten durch das Gebäude gehen, sehr beliebt während der Expo, mit über zwei Millionen Besuchern. Und nach der Expo? Da ist der Holländer immer noch sehr beliebt, auch wenn er seit dem Ende der Expo vor sich hingammelt, meint Ingrid Wähler, die zusammen mit anderen Weltausstellungs-Fans ehrenamtlich ein Expo-Museum betreibt und Führungen über das ehemalige Ost-Gelände der Expo anbietet.
Ingrid Wähler: "Und da sehen Sie wieder, da ist jemand auf dem Holländer. Das ist eigentlich verboten, und es ist abgesperrt. Aber für die Jugendlichen ist das immer ein interessantes Ziel, oder ist das ein Polizist? Da geht jemand rauf."
Christoph Sterz: "Das ist doch supergefährlich, oder? Der hat doch schon gebrannt."
Ingrid Wähler: "Ja, er hat letztes Jahr gebrannt, das war recht aufregend, nämlich ausgerechnet in der Nacht der Museen, als wir auch geöffnet hatten und dann wurden auf einmal die Wege gesperrt, weil die Feuerwehren ankamen. Da hat es oben gebrannt, ja. Es ist ein morbides Gebäude."
Christoph Sterz: "Das ist doch supergefährlich, oder? Der hat doch schon gebrannt."
Ingrid Wähler: "Ja, er hat letztes Jahr gebrannt, das war recht aufregend, nämlich ausgerechnet in der Nacht der Museen, als wir auch geöffnet hatten und dann wurden auf einmal die Wege gesperrt, weil die Feuerwehren ankamen. Da hat es oben gebrannt, ja. Es ist ein morbides Gebäude."
Bei gutem Wetter hat man angeblich einen tollen Blick, bis zum Harz. Um die Expo 2000 zu sehen, braucht es aber viel Fantasie: Nur noch der Ost-Teil sieht zumindest teilweise noch aus wie zu Expo-Zeiten. Der Großteil der Weltausstellung fand auf dem Hannoverschen Messegelände statt – das seit dem Ende der Expo wieder für den normalen Messebetrieb genutzt wird. Den westlichen Teil der Expo 2000 gibt es überhaupt nicht mehr. Wo damals die Pavillons von Venezuela, Japan und Island standen, ist heute ein Parkplatz.
Auch der Blick auf den Holländer fällt wenig schmeichelhaft aus: Verwahrlost wirkt der Pavillon, ganz oben hat jemand einen riesigen Penis hingekritzelt, im dritten Stock blättert die Deckenverkleidung ab - sämtliche Ideen zur Nachnutzung, von der Shrimpszucht bis zum Veranstaltungszentrum, sind gescheitert. Doch ein paar Meter weiter, da lebt die Expo noch immer, im früheren finnischen Pavillon.
Christoph Sterz: "Das ist ja toll, das ist ja ein Wald im Gebäude!"
Ingrid Wähler: "Das ist ein Wald im Gebäude. Ein finnischer Wald. Mit Findlingen, mit Gras, mit diesen Birken, die nach oben streben, und da ist sogar ein Vögelchen da auf dem Ast. Also der finnische Wald lebt hier bei uns in Hannover auf der Expo weiter."
Ingrid Wähler: "Das ist ein Wald im Gebäude. Ein finnischer Wald. Mit Findlingen, mit Gras, mit diesen Birken, die nach oben streben, und da ist sogar ein Vögelchen da auf dem Ast. Also der finnische Wald lebt hier bei uns in Hannover auf der Expo weiter."
Der finnische Pavillon heißt heute Fin-Box. Hier, rund um die 30 Birken im Innenhof, haben unter anderem ein Architekt, ein Raumbegrüner und eine Marketing-Firma ihre Büros. Schräg gegenüber hat sich der Musikproduzent Mousse T. niedergelassen, mit Musikstudio und Luxus-Restaurant, im ehemaligen belgischen Pavillon. Auch dort also ist ein Teil der Expo erhalten geblieben. Und auch ganz im Süden, vor einem künstlich angelegten See, ist noch ein Expo-Überbleibsel zu finden: der Expo-Wal. Der sollte nach der Weltausstellung eigentlich abgerissen werden, weil er in einem Naturschutzgebiet gebaut wurde. Da er sich aber zum Wahrzeichen der Expo entwickelte, durfte er schließlich doch stehen bleiben, erzählt der Leiter des heutigen Expo-Wal-Projekts, Benjamin Peyk.
"Der Expo-Wal wird zweifach genutzt: Zum einen als Event-Location für jegliche Art zur Vermietung, gewerblich wie auch private Feiern. Also von kleinen Geburtstagsfeiern bis großen Messe-Events. Aber die eigentliche Nutzung ist, der Expo-Wal ist eine Kirche, Expo-Wal, die unglaubliche Kirche. Kirche in einer ein bisschen anderen Form, jeden ersten und dritten Sonntag seit jetzt über zehn Jahren." - "Können Sie mir auch zeigen, wie der Wal aussieht?" - "Ja. Gerne. Kommen Sie mit."
Benjamin Peyk geht unter der großen, stählernen Flosse entlang, zum Hintereingang des Expo-Wals.
Der Expo-Wal
Das komplett verglaste Gebäude hat immer noch die Form eines Wals, und gehört heute der "Inneren Mission", einem freien Werk der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Diakon Benjamin Peyk hat hier seinen Arbeitsplatz und predigt an den Wal-Sonntagen; das sind besondere Gottesdienste, mit Live-Musik, Getränken und einem Buffet - ein Angebot vor allem an Menschen, die nicht unbedingt in normale Gottesdienste gehen würden. Und weil sich das Expo-Wal-Projekt selbst finanzieren muss, wird der riesige, luftige Innenraum eben auch vermietet.
"Hier sind wir auf der sogenannten See-Ebene. Das Schöne ist halt im Wal, dass es keine Außenwände gibt, er komplett verglast ist nach außen hin, sodass der Blick immer weit ist ins Grüne."
Der Blick ins Grüne bietet sich vor allem auf der Flossenseite des Wals. Am anderen Ende ist es eher ein Blick ins Triste. Denn rund um den Expo-Wal gibt es vor allem: nichts. Oder doch: Etwas mehr als nichts: Rasenflächen, leere Straßen, die letzten leerstehenden Expo-Pavillons, zum Teil völlig marode, weil sich die meisten Gebäude nicht mal beheizen lassen. Hier, am hinteren Ende, passiert nicht viel - zumindest kaum Positives, meint Benjamin Peyk.
"Es ist halt immer die Frage, was hier mit den Flächen passiert, den vielen Freiflächen. Und wenn es keine Idee gibt, die zu nutzen, wird's halt vor allem so genutzt, wie man es eigentlich nicht haben will. Wir haben öfters Vandalismus-Schäden, Graffiti, Einbrüche zu verzeichnen, weil das eigentlich ungenutzte Flächen sind. Und dann wird das von irgendjemandem eingenommen. Meistens von denen, die man hier nicht haben will. Und da würde ich mir schon wünschen, und wenn's nur als Park oder wie auch immer ansprechend hergestellt wird, dann wird's auch angenommen." - "Also das heißt hier im Wal ist schon eingebrochen worden?" - "Ja, des Öfteren schon. Weil ich sag mal wenn abends hier die Hundebesitzer durch sind, ist hier sonst ja keiner, und wir hier keine Veranstaltung haben. Von daher haben wir hier öfters mal das Problem gehabt, dass hier eingebrochen wurde. Der größte Schaden sind die Vandalismus-Schäden, bis die Einbrecher reinkommen. Weil zu holen gibt's hier nichts. Ist ja leer. Nur das weiß man erst, wenn man drin steht."
In diesem Teilstück gammelt die Expo vor sich hin; ein paar Meter weiter sieht es aus wie in einem ganz normalen Gewerbegebiet: Ikea hat sich hier genauso angesiedelt wie BMW. Diese Art von Industrie war zwar ursprünglich nicht vorgesehen auf dem alten Expo-Gelände; aber so ist es zumindest tagsüber belebt.
Museum über die Expo 2000
Und noch etwas ist lebendig: die Erinnerung an die Expo. Am Leben gehalten wird sie von Ingrid Wähler und ihren Kollegen, die jeden Sonntag ihr Exposeeum aufmachen. Ein Modell vom riesigen Expo-Gelände ist dort zu sehen, außerdem Originalteile aus diversen Pavillons; ein Massagestuhl zum Beispiel, ein chinesischer Drache oder Twipsy, das offizielle Expo-Maskottchen. Herz der Ausstellung sind aber die insgesamt rund 1.000 offiziellen Gastgeschenke aus aller Welt, die das Exposeeum für die Bundesrepublik Deutschland verwahrt und einen Teil davon ausstellt.
"Das ist jetzt also eine willkürliche Auswahl der Gastgeschenke, und Sie sehen also hier kleine Vasen, Medaillen, Tücher, Papyrus, hier aus Ägypten. Dann diese bemalten Teile. Oder diese Frauenfigur aus Afrika. Also vielfältig und doch ganz interessant."
Ingrid Wähler war elfmal auf der Expo 2000, ist danach zu einem großen Expo-Fan geworden und hat seitdem sämtliche Weltausstellungen besucht. Besonders gerne denkt sie aber zurück an die Expo in Hannover. Doch daran zu erinnern, an diese Weltreise in einem Tag, fällt den Ehrenamtlichen vom Exposeeum immer schwerer. Weil sie sich mit ihrem Museum ziemlich alleine fühlen, und von Jahr zu Jahr schauen müssen, ob sie die Unkosten für das Exposeeum durch Spenden noch abdecken können.
"Die Erinnerungen gehen natürlich zurück, und wir sind zwar engagiert dabei und können seit 13 Jahren mit Stolz sagen: Wir haben jeden Sonntag geöffnet gehabt bis auf zwei Sonntage krankheitsbedingt. Wir sind so die Einzigen, die noch so mit Herzblut dabei sind."
Entstandener Wohnraum
Wobei - ein Herz für Expo hat auch Peter Hansen noch immer. Für ihn lebt die Weltausstellung ebenfalls weiter, und zwar sogar außerhalb des offiziellen Messegeländes. Denn im Rahmen der Expo entstand neuer Wohnraum in Hannover, der wie die Expo sein sollte: nachhaltig und international.
"Nur die Expo hat uns den Impuls gegeben, das internationale Zusammenwohnen von Menschen auszuprobieren. Wenn wir diese Weltausstellung mit all diesen vielen Besuchern aus der ganzen Welt nicht gehabt hätten, hätten wir uns als Wohnungsunternehmen nicht bemüht, etwas zu machen, was Sie, wenn Sie sich für die Wohnfragen in Deutschland, interessieren, dass Sie dann auch neue Ansätze kennenlernen. Wir haben deshalb die Internationalität des Wohnens in den Mittelpunkt gerückt, es ist deshalb ganz eng verbunden. Und das drückt sich aus in den Fahnen, die hier an der Kante des Grundstücks stehen, da sind Hannover-Fahne, Niedersachsen-, Deutschland-Fahne und UNO-Fahne. Wir mussten es so machen, wir haben nur vier Fahnenmasten, aber 14 Nationen. Und wir konnten sie deshalb nicht alle unterbringen. Und deshalb machen wir gesagt: Nicht einzelne Länder, sondern die Vertreter dieser bunten Vielfalt von Ländern."
Das Habitat-Projekt von Peter Hansen ist Teil des Wohngebiets Am Kronsberg, das ganz in der Nähe des Expo-Geländes entstanden ist. Während der Weltausstellung lebten hier viele Expo-Mitarbeiter; inzwischen sind die 91 Sozialwohnungen komplett und dauerhaft bewohnt, von Menschen verschiedenster Nationen. Sehr begehrt sei das nachhaltig angelegte Viertel, meint Peter Hansen, mit den Grasdächern, der Regenwasserversickerung, den großzügigen Gärten, dem Gemeinschaftshaus und dem ganz in der Nähe gelegenen Wald. Das Konzept der Expo ist aufgegangen, meint Peter Hansen, nicht nur im von ihm mitgeplanten Wohngebiet.
"Wir haben die Verkehrssituation bessergestellt, wir haben die Hochschulen bessergestellt, weil sie hinterher in Nachnutzung diese schönen Räume hatten. Also es sind ganz viele Dinge, die ohne eine Expo und die Großzügigkeit von Bund und von Land und von allen möglichen Institutionen sonst, Geld in so ein Projekt zu stecken, zu nutzen, um langfristig eine Verbesserung für eine Stadt zu schaffen."
Die Expo lebt also auch nach der Expo weiter, meint Hansen, nur die anfängliche Kraft und der Enthusiasmus aus den ersten Jahren seien selbst im internationalen Wohnviertel etwas verloren gegangen.
Hochschule Hannover auf dem Gelände
Von fehlendem Schwung kann in der Werkstatt der Hochschule Hannover, also wieder zurück auf dem alten Expo-Gelände, keine Rede sein. Robert, Anfang 20, Produktdesign-Student, baut gerade das Holz-Modell eines Computertomografen; für eine Bachelorarbeit. Er ist einer von insgesamt 2.500 Studenten, die in den Räumen der Hochschule Hannover auf dem ehemaligen Expo-Gelände studieren - und er schätzt den Ort, auch wenn er weit vom Stadtzentrum entfernt ist.
"Also es ist natürlich ein langer Weg, ich brauche von zu Hause schon so meine 40 Minuten. Andererseits bin ich froh, dass es hier genug Platz ist, um die Uni und die Werkstatt an einem Fleck zu haben. Die Pavillons sind natürlich noch präsent, also gerade der deutsche Pavillon hier ist ja direkt nebenan. Hat mit Expo nicht mehr so viel zu tun. Also außergewöhnliche Architektur, aber man bekommt von der ursprünglichen Bedeutung jetzt nicht mehr so viel mit. Das ist schon jetzt irgendwie komplett umgenutzt worden. Das hat jetzt zumindest zu großen Teilen neue Aufgaben erhalten, das alte Gelände und die alten Gebäude dazu."
Neue Aufgaben - das hat inzwischen für die meisten Gebäude rund um den Hauptplatz, den Expo-Plaza, etwas mit Studenten zu tun, nicht nur von der Hochschule Hannover. Eine Mensa gibt es hier seit wenigen Jahren, bald sollen noch ein Wohnheim und sogar Geschäfte dazukommen. Diese positive Entwicklung hängt aber auch zusammen mit gescheiterten Konzepten für das Expo-Gelände, meint Hochschul-Dekan Wilfried Köpke.
"Gleichzeitig hat sich leider hier auf der Expo-Plaza eins ergeben, dass die Idee, man bindet hier viele Firmen an im Medien- und Designbereich, das hat sich leider überhaupt nicht bewahrheitet. Die waren anfangs da, weil's auch kostenfreie Büroräume gab. Und als es dann was gekostet hat, sind die alle ausgezogen. Also in dem Maße, wie die Studierendenzahl anstieg, sind die Firmen hier immer weggezogen. Für uns war's ganz praktisch, weil wir jetzt da oben zwei Stockwerke mieten konnten. Aber diese Idee, hier so ein Kreativ-Medien-Design-Pool zu schaffen, das ist nicht umgesetzt worden. Und es wird hier im Grunde immer mehr ein Hochschul-Campus, während die Firmen sich immer mehr zurückziehen."
So kommt es, dass inzwischen auch der ehemalige Planet M, ein futuristisches rundes Gebäude auf Stelzen, für Seminare und Vorlesungen genutzt wird. Wilfried Köpke hofft darauf, dass noch mehr Hochschulen raus aufs Expo-Gelände ziehen, damit wirklich ein lebendiger Campus entsteht, also endlich eine geglückte Nachnutzung; in Erinnerung an die Expo, ganz ohne Brachflächen und alte verrottende Pavillons.
"Wir selber haben noch enormen Platzbedarf. Wir wollen die ganzen Werkstätten raussetzen, wollen dafür einen zusätzlichen Pavillon haben und sind da im Moment mit dem Land im Gespräch, weil genau dieses Ausbauen eines bestehenden Pavillons unter Umständen teurer ist, als wenn man was Neues bauen würde. Auf der anderen Seite sind Häuser wie der türkische Pavillon, einfach schön anzusehen - und es wäre schön, dieses Stück Expo zu halten."