2000 Jahre Kultur, Geschichte, Architektur, Religion, UNESCO-Welt-Kulturerbe, und, und, und - zerstört: der Baalschamin-Tempel in der syrischen Ruinenstadt Palmyra. Terroristen der Organisation, die sich Islamischer Staat nennt, sollen das Bauwerk gesprengt haben - sagen Aktivisten, die gegen das System von Syriens Präsident Bashar al-Assad angehen, aber auch Vertreter dieses Systems.
Strittig ist allerdings, wann das Verbrechen verübt wurde: Ein aus Palmyra stammender Aktivist sprach davon, dass der Tempel zu Ehren eines phönizischen Gottes gestern zerstört wurde. Das deckt sich mit Aussagen des Chefs der syrischen Altertumsbehörde, Maamun Abdul Karim. Andere Zeitangaben macht die sogenannte Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Sie hat zwar ihren Sitz in London, erhält ihre Informationen aber aus einem Netzwerk von Aktivisten in Syrien. Dieser Beobachtungsstelle zufolge wurde der Tempel aus dem ersten Jahrhundert nach Christus bereits vor einem Monat gesprengt worden.
Früherer Chefarchäologe enthauptet
Diese unterschiedlichen Aussagen machen deutlich, wie zweifelhaft alle Informationen sind, die aus Syrien kommen; kriegsbedingt. Unklar für die Außenwelt ist daher auch das Schicksal eines anderen Tempels, der nahe dem Baalschamin-Tempel gelegen ist: Bisher wurde über seine Zerstörung nichts berichtet - weder von offiziellen syrischen Stellen, noch im Internet von Unterstützern des selbsterklärten Islamischen Staates. Die IS-Terroristen haben große Teile des Irak und Syriens erobert. Im Mai nahmen sie Palmyra ein.
Die Nachricht von der Zerstörung des Tempels kommt wenige Tage, nachdem der IS den 81 Jahre alten früheren Chefarchäologen der antiken Stätte, Khaled al-Assaad, enthauptet hat. Anschließend sollen die Terroristen seinen Leichnam an einer römischen Säule festgebunden und zerstückelt haben. Der Chef der syrischen Altertumsbehörde, Maamun Abdul Karim, sagte später:
"Der Mord an Khaled al-Assaad auf diese bestialische Weise ist ein Schock für uns Archäologen, Syrer und die internationale Gemeinschaft, die sich um Palmyra und seine Geschichte sorgt. Wir haben eine außergewöhnliche Person verloren, in einer Zeit, in der wir gerade solche Menschen brauchen; in der das syrische Kulturerbe leidet - an der Zerstörung durch den Krieg und weil Antiquitäten gestohlen werden."
Bereits Dutzende Heiligtümer vernichtet
Teil der islamisch-verbrämten IS-Ideologie ist, das die Terroristen Symbole jeder anderen Religion ablehnen; zerstören. Und die IS-Ideologen sagen: antike Relikte, die in irgendeiner Weise in Zusammenhang mit altertümlichen Religionen stehen - Statuen, Bilder oder Tempel -, fördern heidnische Götzendienste. So hat der IS in Syrien und im Irak bereits Dutzende Heiligtümer vernichtet.
Das auch als "Perle der Wüste" berühmte Palmyra liegt etwa 210 Kilometer nordöstlich der syrischen Hauptstadt Damaskus. Namentlich erwähnt wurde die Siedlung bereits im 19. Jahrhundert vor Christus als Oase, an der die von der Seidenstraße über die Golfregion in den Mittelmeerraum ziehenden Karawanen Rast machten. Seine volle Blüte erreichte Palmyra in der römischen Zeit, etwa im ersten vorchristlichen Jahrhundert. 2000 Jahre später wollen die IS-Terroristen ihre Kulturgeschichte in den Staub treten, vergessen machen.