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Welternährungsgipfel
Komplizierte Beratungen über Ernährungssicherheit

Mehr als 800 Millionen Menschen auf der Welt müssen hungern – obwohl rein rechnerisch genug Lebensmittel vorhanden sind. Im November soll ein Welternährungsgipfel in Rom den Kampf gegen den Hunger voranbringen. Doch bei den Verhandlungen über das Abschlussdokument kollidieren unterschiedlichste Interessen.

Von Jan-Christoph Kitzler |
    Mehr als 800 Millionen Menschen auf der Welt leiden an Hunger – rein rechnerisch müsste das nicht sein. Experten haben ausgerechnet, dass etwa ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel gar nicht bei den Verbrauchern landet. Nahrung wird verschwendet, oder geht verloren.
    In den reichen Industriestaaten ist vor allem die Verschwendung das Problem, sagt Ophelie Hemonin, die für das Komitee für Ernährungssicherheit mit Sitz in Rom arbeitet:
    "Hier in Europa ist Verschwendung definitiv das größere Problem. Wir sind ziemlich effizient, was die Produktion angeht und den Transport in die großen Städte und dorthin wo viel verbraucht wird. Aber entweder wir kaufen zu viel oder wir passen nicht auf, was wir kaufen. In Europa ist Verschwendung das große Thema."
    Zahlen, die deutsche Nicht-Regierungs-Organisationen ermittelt haben, bestätigen das: Auch hier gibt es viel Verschwendung. 82 Kilo an Lebensmitteln werden in deutschen Privathaushalten im Jahr und pro Kopf weggeworfen. Das, was zum Beispiel in Restaurants oder Großküchen weggeworfen wird, ist da noch nicht eingerechnet. In den Industrieländern werden so viele Lebensmittel weggeworfen, wie sie in allen Staaten südlich der Sahara zusammengerechnet produziert werden. Aber auch bei uns gibt es das Problem, dass Lebensmittel gar nicht erst beim Verbraucher ankommen, sagt Bernhard Walter, Experte für Ernährungssicherheit bei der Hilfsorganisation "Brot für die Welt":
    "Jede zweite Kartoffel, jeder zweite Salat, jedes fünfte Brot landet überhaupt nicht beim Verbraucher, weil zum Beispiel gewisse Normen nicht erfüllt werden. Entweder ist das Gemüse zu groß oder es ist zu klein, oder es ist zu schrumpelig, oder es ist zu krumm. Also, es gibt einfach Normen, die nicht unbedingt vom Gesetzgeber geschaffen werden, sondern auch von der verarbeitenden Industrie, vom Handel, die einfach eine einheitliche Ware wollen, die dazu führen, dass sehr viel Waren einfach gar nicht mehr vom Acker wegkommt, sondern die Bauern schon wissen: Das kann ich eh nicht vermarkten, lassen wir das lieber liegen auf dem Acker."
    127 Staaten sind beteiligt
    Von solchen Problemen des Überflusses sind die Entwicklungsländer weit entfernt. Auch ist Verschwendung dort nicht das große Problem, wohl aber die Tatsache, dass die Produzenten ihre Ware oft nicht zu den Verbrauchern bringen können, Ophelie Hemonin:
    "Lebensmittel gehen verloren, weil sich nicht rechtzeitig oder zu richtigen Zeit geerntet werden. Oder weil die Infrastruktur nicht stimmt, es gibt keine guten Straßen, um die Lebensmittel rechtzeitig auf den Markt zu bringen. Oder weil es keine Lagermöglichkeiten gibt, oder keine ausreichenden oder gut geeigneten, um sie zu lagern, bevor sie in den großen Verbraucherzentren verkauft werden."
    Bei der Konferenz in Rom sollen Empfehlungen erarbeitet werden, wie man mit solchen Problemen umgeht. 127 Staaten sind beteiligt, dazu Vertreter von Hilfsorganisationen, der Zivilgesellschaft und der Agrarindustrie. Die Verhandlungen über das Abschlussdokument sind kompliziert, auch weil es schwer ist, die vielen unterschiedlichen Interessen zu berücksichtigen. Bernhard Walter von "Brot für die Welt" meint zum Beispiel, dass viel von den Hilfsgeldern für die Landwirtschaft bisher in die falschen Kanäle geflossen ist. Das kommt oft nicht den Hauptproduzenten der Lebensmittel zugute:
    "Man muss sehen: 70 Prozent der Nahrung weltweit wird immer noch von Kleinbauern produziert. Es sind also nicht unbedingt das Ackerbusiness und die großen landwirtschaftlichen Betriebe, die die Mehrzahl der Nahrungsmittel herstellen, sondern es sind die kleinen Betriebe. Und ihnen muss man im Prinzip auch Hilfestellung geben, dass sie ihre Produktion noch verbessern."
    Auch wir Konsumenten können etwas tun, sagen die Experten: regional, saisonal und fair einkaufen – weniger wegwerfen und bewusster mit dem Haltbarkeitsdatum umgehen. Das Problem des Hungers auf der Welt wird das nicht lösen. Dazu ist auch ein Umdenken bei der Förderung landwirtschaftlicher Entwicklung nötig. Ob man sich im Komitee für Ernährungssicherheit darauf einigen kann, ist zur Zeit noch offen.