Anas serviert Kaffee und Kuchen. Selbstgemacht, betont er.
"Habe ich, bevor ihr kommt, gebacken."
Der 19-jährige Kurde empfängt seine Gäste im Wohnzimmer. Mit den Eltern und zwei jüngeren Geschwistern wohnt Anas in einem der wohlhabenderen Viertel von Aleppo. Draußen ist es ruhig – anders als damals, als er die Stadt verlassen hat: 2015 wird vor allem in Ost-Aleppo heftig gekämpft; Aufständische und Einheiten der syrischen Armee liefern sich immer neue Gefechte. Anas ist gerade einmal 15, als er beschließt, aus Syrien zu fliehen. Seine Eltern wollen davon nichts wissen. Erst als sich auch ein älterer Cousin zur Flucht entscheidet, lassen sie Anas ziehen.
"Die haben auch geweint. Aber für meine Zukunft war es besser."
Erste Unterkunft: ein Heim für Minderjährige
Über die Türkei, das Mittelmeer, Griechenland und Mazedonien schlagen sich Anas und sein Cousin bis nach Bayern durch. Anas kommt in einem Heim für Minderjährige unter:
"Es gab viele Leute aus unterschiedlichen Ländern. Halt Syrien, Irak, Afghanistan, Pakistan. Es gab auch aus Indien. Und – ja, aus vielen Ländern."
Keine einfache Umgebung, erzählt der junge Syrer. Aber er hat Glück: Beim Fußballspielen lernt er Jakob und Elias kennen, zwei deutsche Jugendliche aus der Nachbarschaft.
"Und dann, den nächsten Mal, sie haben ein Basketball gebracht. Und wir haben Basketball gespielt. Also sie wussten, dass ich Basketball mag. Ja, deswegen haben sie einen Basketball gebracht."
Neue Freunde werden zur Familie
Die Brüder Jakob und Elias nehmen Anas mit nach Hause, stellen ihn den Eltern vor:
"Immer, wenn ich gefühlt hab, dass ich alleine bin, bin ich zu denen gegangen, und manchmal habe ich bei denen übernachtet. Also sie waren wie meine Familie."
Zweieinhalb Jahre bleibt Anas in Bayern. Lernt Deutsch, geht auf die Hauptschule, wechselt dann aufs Gymnasium. Aber Anas reicht das nicht:
"Ich war dort neunte Klasse. Und wo ich neunte Klasse war, war ich auch 17 Jahre alt. Ich fühlte mich auch zu alt in der Klasse. Also meine Freunde waren 14- und 15-Jährige und ich war der einzige, der 17 Jahre alt war, deswegen. Und in Syrien dürfte ich auch Abi schreiben. Also wenn man 17 ist, ist es auch in Deutschland so: Man schreibt Abi. Ja deswegen habe ich das entschieden, dass ich wieder nach Syrien gehe."
Der Entschluss fällt Anas nicht leicht:
"Das erste Mal, wo ich geweint hab, wo ich meine Familie verlassen hab, 2015. Das zweite Mal, wo ich Deutschland verlassen hab."
Anas will Master in Deutschland machen
Als Anas Anfang 2018 nach Aleppo zurückkehrt, hat die syrische Armee die Stadt wieder vollständig unter ihre Kontrolle gebracht; die Aufständischen im Osten der Metropole sind besiegt. Nach acht Jahren Krieg mit Hunderttausenden Toten und Millionen Vertriebenen ist Syrien von Frieden weit entfernt.
Anders als viele andere junge Syrer, die überlegen, zurückzukehren, hat Anas keine Angst davor, dass er zum Militär eingezogen wird. Innerhalb weniger Monate hat er sein syrisches Abitur gemacht; jetzt studiert er Architektur. Solange er Student ist, sagt Anas, werde er vom Militärdienst freigestellt. Und einen Plan für danach hat er auch:
"Ich wollte nach Deutschland gehen, dann bin ich nach Deutschland gegangen. Ich wollte wieder nach Syrien, dann bin ich nach Syrien gekommen. Ich wollte das Abi schaffen, ich habe es schon geschafft. Ich werde wieder nach Deutschland gehen. Ich werde dort den Master machen."