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Weltfrauentag
"Gläserne Decke" an den Hochschulen

Geringer Frauenanteil im wissenschaftlichen Mittelbau, noch weniger bei Professuren: Offenbar haben Frauen im Arbeitsfeld Wissenschaft immer noch nicht die gleichen Chancen wie ihre männlichen Kollegen. Ein Grund: unterschiedliche Netzwerkstrukturen - aber auch gesellschaftliche Bedingungen, die sich ändern müssten.

Von Sebastian Schiller |
    Studenten an der Fakultät Medizin der Universität Halle-Wittenberg.
    Professuren sind derzeit nur zu rund 23 Prozent mit Frauen besetzt. (picture alliance / dpa / Waltraud Grubitzsch)
    "Ohne Frauen ist keine Universität zu machen", heißt es auf einem Plakat direkt im Foyer des zentralen Hörsaalgebäudes auf dem Cottbuser Campus. Und direkt daneben: "Dürfen Frauen studieren? Pro und Contra." Was heute selbstverständlich ist war vor mehr als 100 Jahren Gegenstand teils heftiger Diskussionen, darauf möchte die Begleitausstellung zur Diskussion aufmerksam machen. Vieles hat sich seitdem verbessert.
    Argumente wie vor 100 Jahren
    Und trotzdem: Sollen wichtige Posten mit Frauen besetzt werden, sind die Argumente im Kern nach wie vor die Gleichen, sagt Christiane Funken von der TU in Berlin. Sie hat vor wenigen Jahren eine Studie über Frauen über 50 in Führungspositionen durchgeführt. Ausgangspunkt für ihre Überlegungen waren wiederum Forschungsergebnisse des Wissenschaftlers Gary Becker, dem 1992 Wirtschaftsnobelpreis verliehen wurde:
    "Der hat nachgewiesen, wenn Frauen sich für eine Stelle bewerben, dann kommt als erstes: Ach, das ist eine Frau? Sie hat eine geringere Produktivitätsrate, sie leistet weniger, sie bringt weniger Profit. Und sie hat eine höhere Fluktuationsrate. Sie könnte ja schwanger werden. Beide Verdachtsmomente können wir international durch viele Studien widerlegen."
    Behindernde Mechanismen sind oft nicht zu benennen
    Und trotzdem sprechen die Zahlen für sich: An der BTU in Cottbus beispielsweise liegt der Frauenanteil im wissenschaftlichen Mittelbau bei gerade einmal 30 Prozent, Professuren sind derzeit nur zu rund 23 Prozent mit Frauen besetzt. Christiane Funken nutzt dafür den Begriff der "Gläsernen Decke". Bildlich gesprochen geht es dabei um eine Art Mechanismus, der Frauen daran hindert, auf die nächste Etage zu kommen:
    "Die 'Gläserne Decke' heißt deswegen gläsern, weil da Mechanismen am Werk sind, die man im alltäglichen Leben nicht benennen kann. Wo man nur merkt, aha, da wird die Stelle wieder einem Kollegen angeboten, ich werde aus Informationsprozessen rausgehalten. Es passieren hier Dinge, die mich daran hindern, dass ich nicht die gleichen Chancen habe wie meine Kollegen, aber im alltäglichen Vollzug es unheimlich schwierig ist zu sagen: Daran liegt es. Deswegen 'Gläserne Decke'.
    Frauen haben weniger Netzwerkstrukturen
    Auch wenn mancher Topmanager etwas anderes behauptet: Diese Barriere ist real, sagt auch Georg Teichert. Er ist Gleichstellungsbeauftragter an der Universität Leipzig - etwas, das in Brandenburg so gar nicht möglich wäre. Das Problem mit der Gläsernen Decke bestehe aus seiner Sicht darin, dass Hochschulen sehr auf Netzwerke orientierte Einrichtungen seien, wobei Frauen oft den Kürzeren ziehen würden - was aber nicht an der Qualität der Arbeit liege:
    "Sie legen manchmal andere Prioritäten, sind vielleicht manchmal anders vernetzt als ihre männlichen Kollegen und legen häufig mehr Wert auf Sicherheiten in ihren Arbeitsverhältnissen. Und wenn wir da eine zunehmende Prekarisierung haben, Teilzeitstellen, befristete Stellen, dann ist das Arbeitsfeld Wissenschaft eben für weniger Frauen attraktiv. Das sind Dinge an denen wir arbeiten müssen, dann wird das auch was mit der Parität."
    Dafür müssten die Frauen aber auch selbst aktiv werden, sich Netzwerke schaffen, Verbündete suchen, sagt auch Christiane Funken. Und vor allem auch: Bissiger werden:
    "Ich habe in einer Untersuchung Frauen und Männer gefragt: Da wird eine Stelle frei, empfehlen Sie jemanden aus den Netzwerken? Da haben die Frauen gesagt: Nee, das können wir nicht machen, wenn das nicht hinhaut, fällt das auf uns zurück. Wohingegen die Männer gesagt haben: Klar, dann ist der mir was schuldig, egal was draus wird. Man darf fair in Konkurrenz mit anderen treten, fair die Netzwerkstrukturen dafür nutzen. Das heißt noch lange nicht, dass man sie benutzt."
    Bewährte Spielräume abgeben
    Die Patentlösung gibt es - wie so oft - also nicht. Aber zumindest ist klar, was sich dringend ändern müsse, so Georg Teichert. Und dabei seien gerade auch die Männer gefragt:
    "Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine bessere Befristungssituation, also mehr entfristete Stellen. Auch ein Kulturwandel, also ein verändertes Leistungsverständnis und eine Offenheit, auch bewährte Spielräume mal abzugeben und zu sagen: Na gut, da müssen jetzt nicht immer nur die Männer sitzen."