In der Tat verweist die Welthungerhilfe auch auf positive Aspekte, die anhand der Entwicklung in den vergangenen Jahren durchaus feststellbar sind: 805 Millionen Menschen weltweit sind derzeit chronisch unterernährt - das ist ein Rückgang um über 30 Prozent seit 1990. Aber es ist eben auch nicht der Rückgang, den sich die beispielsweise die Vereinten Nationen mit ihren Millenniumszielen - zur Jahrtausendwende formuliert - gewünscht haben. Der Handlungsbedarf der Weltgemeinschaft gegen den Hunger vorzugehen, bleibt somit hoch.
Verborgene Hunger
Der heute vorgestellte Welthungerindex verweist denn auch auf einen Hintergrund, der in der öffentlichen Wahrnehmung bislang gar nicht so im Vordergrund steht. Das ist der sogenannte verborgene Hunger - hier geht es um einen konstanten Mangel an Mikronährstoffen. Rund zwei Milliarden Menschen seien davon betroffen, sagt Bärbel Dieckmann, die Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe:
"Es gibt viele Menschen, die ausreichend Kalorien haben - also sie haben ihre rund 1.800 Kalorien am Tag. Die Aufnahme wird im Wesentlichen durch Grundnahrungsmittel wie Reis und Getreide abgedeckt. Es fehlen aber Mineralien, Proteine und vor allem Vitamine. Auch daran kann man etwas ändern: Oft geht es um bessere Kenntnisse, dass eben Obst- und Gemüseanbau genauso wichtig ist, wie der von Reis und Getreide. In bestimmten Einzelfällen kann man sicherlich auch Nahrungsergänzungsmittel geben, aber in der Regel muss es das Ziel sein, dass der Anbau so ist, dass auch ausreichend Nährstoffe vorhanden sein sollten."
In immerhin 26 Staaten konnten im vergangenen Jahr deutliche Verbesserungen verzeichnet werden. Der Index der Welthungerhilfe fasst den generellen Anteil der Unterernährten zusammen und beziffert ebenso den Anteil der Kinder, die vor dem fünften Lebensjahr an Hunger oder Unterernährung sterben. Positiver ist hier inzwischen die Lage vor allem in vielen asiatischen Staaten - Bangladesch, Kambodscha oder auch Thailand und Vietnam gehören dazu.
Stabile Verhältnisse Voraussetzung für positive Entwicklung
Der wohl wichtigste Aspekt für eine positive Entwicklung bleibt das konkrete politische Umfeld in einem Land. Denn wenn Konflikte vorherrschen, Krieg oder Bürgerkrieg, dann hat das zuallererst negative Auswirkungen auf die Ernährungssituation. Im Umkehrschluss heißt das, dass stabile Verhältnisse die Voraussetzung für eine positive Entwicklung sind. Bärbel Dieckmann:
"Es wirken Bildungsprogramme, und es wirken auch Investitionen in die Landwirtschaft. In den vergangenen Jahren haben wir vor allem Fortschritte bei Investitionen in die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu verzeichnen. Es hat ja eine Zeit lang die Vorstellung gegeben, man könne mit den großen Strukturen im Norden - in den Industrieländern - die armen Länder sozusagen miternähren. Das hat sich als falsch erwiesen. Weil gerade die Kleinbauern in ländlichen Regionen der Entwicklungsländer keine zusätzlichen Einkommensmöglichkeiten haben. Und genau da wurde investiert und deshalb gibt es Fortschritte."
Auswirkungen von Ebola auf erste Erfolge bei der Hungerbekämpfung
Und an einem Stichwort kam man heute Vormittag natürlich auch nicht vorbei: Ebola. Die Ausbreitung der Seuche werde nun, vor allem in Sierra Leone und Liberia erste Erfolge bei der Hungerbekämpfung, die es dort nach dem Ende der politischen Konflikte gab, wieder zunichtemachen, so die Befürchtung der Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe:
"Das Wirtschaftsleben steht praktisch still. Es traut sich keiner mehr auf die Märkte, es wird nicht angebaut, weil man sich nicht nach draußen traut. Das ist eine Krise, die wirklich auch dramatisch ist. Weil sie langfristig noch mehr Folgen haben wird, als es allein durch die Krankheitstoten bislang absehbar ist. Es wird wieder zu Unter- und Mangelernährung führen."
Trotz vereinzelter Fortschritte bei der Hungerbekämpfung bleibe die Lage vielerorts in der Welt also sehr angespannt, sprich lebensbedrohlich für breite Schichten der Bevölkerung.