Ziemlich alle Befürchtungen der Welthungerhilfe sind eingetreten: Massive Hungersnöte sind in vielen Ländern wieder zurück. Der Welthungerindex ist zum sechsten Mal infolge gestiegen. Weltweit leiden 811 Millionen Menschen an chronischem Hunger – jeder Zehnte. Von dem Ziel der Vereinten Nationen, den Hunger bis 2030 zu besiegen, hat sich die Welt entfernt. "Wir sind nicht auf dem richtigen Weg, den Hunger zu beenden", betonte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Marlehn Thieme.
47 Länder werden bis 2030 noch nicht einmal ein niedriges Hungerniveau erreichen und davon befinden sich 28 in Afrika südlich der Sahara. Das Schlusslicht ist Somalia, aber auch in Madagaskar und im Südsudan ist die Lage besonders dramatisch. Auch Länder, in denen seit Jahren Bürgerkrieg herrscht wie Jemen, Syrien oder Afghanistan, stehen ganz unten auf dem Welthungerindex.
Es gibt nicht den einen Hauptgrund, sondern es ist ein Mix aus Konflikten, Kriegen und der Klimakrise. Die Corona-Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft – sie war in besonders armen Ländern auch eine Hungerkrise.
Die Weltbank erwartet, das rund 216 Millionen Menschen ihre Heimatgebiete bis 2050 aufgrund des Klimawandels verlassen müssen. Durch Überflutungen oder Dürren werden ganze Gebiete unbewohnbar, zum Beispiel im Süden Madagaskars an. Dort herrscht die größte Dürre seit 40 Jahren. Auch in Kenia spitzt sich die Lage zu. Beide Länder spüren die Auswirkungen des Klimawandels mit voller Wucht. Die Menschen haben keine Ressourcen mehr, um die Wetterextreme zu bewältigen. In Kenia kommt eine Heuschreckenplage hinzu, die zu Beginn des Jahres viele Felder vernichtet hat.
Eine weitere Hauptursache für Hungerkrisen: bewaffnete Konflikte. In acht von zehn Ländern mit einer ernsten oder gravierenden Hungersituation tragen Kriege und Konflikte maßgeblich zum Hunger bei, weil Getreidespeicher zerstört werden, Menschen aus ihren Dörfern fliehen, Felder nicht bestellt werden. Umgekehrt nehmen in Ländern in denen Hunger und Armut herrschen auch die Konflikte zu, sagt Matthias Mogge Generalsekretär der Welthungerhilfe. So ist im Jemen, in Somalia und in Afghanistan mehr als die Hälfte der Einwohner auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Jeder dritte Afghane und jede dritte Afghanin geht jeden Tag hungrig ins Bett. Die Welthungerhilfe in Afghanistan ist weiterhin vor Ort, sie wurde von den Taliban aufgefordert, ihre Arbeit wieder zu aufzunehmen, sagte ein Vertreter. In einigen Provinzen müsse sie jedoch dafür kämpfen, auch mit Frauen weiter arbeiten zu können.
Es fehlt zur Bekämpfung des Hungers nicht nur an Geld. Bei Ländern, die im öffentlichen Interesse stehen wie Afghanistan sehen wir, dass schnell Mittel organsiert werden können, ohne zu wissen, ob alle Regionen erreicht werden können. Ein Problem struktureller Art ist der Landbesitz – immer weniger Menschen kontrollieren immer mehr Land. Kleinbäuerliche Betriebe haben das Nachsehen. Der ungleiche
Zugang zu Land bedroht die Existenzgrundlage von 2,5 Milliarden Menschen
, und zwar nicht nur in Afrika oder Lateinamerika, sondern zunehmend auch in Europa.
Deutschland und andere Hauptverursacher des Klimawandels seien in der Verantwortung, sagte die Welthungerhilfe-Präsidentin Marlehn Thieme. Die Bundesregierung und auch die internationale Staatengemeinschaft insgesamt hat damit einen klaren Auftrag für die anstehende Klimakonferenz in Glasgow Anfang November. Alle Länder müssen ihren CO2 Ausstoß reduzieren und in ihren Plänen deutlich nachjustieren.
In Sierra Leone etwa hat sich die Situation nach einem Blauhelmeinsatz deutlich verbessert. Auch Nepal, Bangladesch und Kambodscha stehen weit besser da – weil die Regierungen konsequent in Hungerbekämpfung investieren.
Quellen: Manfred Götzke, Günther Hetzke, dpa