Polen gilt als das am stärksten katholisch geprägte Land in Europa, über 90 Prozent der Menschen gehören der Kirche an. Trotzdem wird der Besuch von Papst Franziskus, der heute Nachmittag in Krakau landen wird, alles andere als ein Heimspiel. Denn in der traditionell konservativen polnischen Kirche stößt er mit seiner Art, das Pontifikat zu bekleiden, immer wieder auf Kopfschütteln.
Pfarrer Andrzej Luter, der mit dem liberalkatholischen Warschauer Verlag "Wiez" verbunden ist:
"Franziskus gefällt den konservativen Bischöfen nicht, weil sie meinen, er relativere moralische Grundsätze. Etwa, dass Katholiken nicht ein zweites Mal heiraten dürfen. Sie halten den Papst für zu links – wegen seiner Ansichten zum Umweltschutz und in der Flüchtlingsfrage. Ihnen gefällt nicht, dass er eine absolut für alle offene Kirche möchte. Das alles lehnen sie ab."
Päpstlichen Ansichten zur Flüchtlingsfrage sind in Polen umstritten
Vor allem mit seiner Forderung an katholische Gemeinden, muslimische Flüchtlinge aufzunehmen, stieß Franziskus in Polen auf harsche Kritik. Die polnische Regierung, die ihre Nähe zur katholischen Kirche immer wieder betont, weigert sich, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufzunehmen. Darin unterstützen sie die meisten Polen, wie Umfragen zeigen. Erwartet wird, dass Franziskus in diesem Zusammenhang auch auf die zahlreichen islamistischen Attentate aus den vergangenen Wochen eingeht.
Der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz Erzbischof Stanislaw Gadecki bemühte sich im Vorfeld, die polnischen Gläubigen auch auf unangenehme Botschaften des Kirchenoberhaupts vorzubereiten:
"Er ist ungewöhnlich bescheiden, aber auch außerordentlich streng. Streng zu sich selbst und streng zu anderen. Wenn ich ihn mit Papst Johannes Paul II. vergleiche, dann urteilt Franziskus wesentlich härter über die Wirklichkeit."
Die polnischen Bischöfe sprachen sich kurz vor dem Papst-Besuch dafür aus, einige Flüchtlinge aus dem Nahen Osten nach Polen zu bringen. So wollten sie das Kirchenoberhaupt milde stimmen, heißt es.
Darüber wird Franziskus heute mit dem polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda sprechen, den er kurz nach seiner Ankunft trifft - und im Anschluss mit den polnischen Bischöfen auf dem Krakauer Wawel-Hügel.
Der Heilige Vater sendet versöhnliche Signale
Spannungen könnte es auch bei streng katholischen Themen geben: etwa bei der Frage, ob Wiederverheiratete am Abendmahl teilnehmen dürfen. Einige katholische Geistliche folgern das aus dem Schreiben von Franziskus mit dem Titel "Amoris laetitia". Die polnischen Bischöfe sehen das anders.
Franziskus sandte in einer Ansprache vor seinem Besuch versöhnliche Signale aus:
"Ich habe die glückliche Gelegenheit, die liebe polnische Nation zu besuchen. Alles wird im Zeichen der Barmherzigkeit stehen - und im dankbaren und treuen Gedenken an Johannes Paul II., der die polnische Nation auf ihrem Weg zur Freiheit geführt hat."
Schon heute Abend wird Franziskus an die Besuche seines polnischen Vorvorgängers anknüpfen. Er wird sich am sogenannten Papstfenster am Bischofssitz in Krakau den Menschen zeigen - wie einst Johannes Paul der Zweite. Die nächste Station seines Besuchs wird morgen das berühmte Kloster auf dem Hellen Berg in Tschenstochau sein. Am Freitag wird Franziskus auf dem Gelände des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau erwartet.