Klimakonferenz in Ägypten
Was von den Ergebnissen des Klimagipfels zu halten ist

Zum Abschluss der Weltklimakonferenz hat es mit der Einigung auf einen Klimaschäden-Fonds für besonders betroffene Länder einen historischen Erfolg gegeben. Kritik gibt es allerdings an den schwachen Ergebnissen beim Thema Emissionssenkungen.

    Bei der Abschlusszeremonie vom UN-Klimagipfel COP27 leuchtet das Logo des Klimagipfels.
    UN-Weltklimakonferenz COP27 (picture alliance / dpa / Christophe Gateau)
    Im ägyptischen Scharm el-Scheich hat die Weltgemeinschaft bei der COP27 zwei Wochen lang über weitere Schritte verhandelt, um die Erderwärmung zu verlangsamen. Die EU hatte zwischenzeitlich sogar mit dem Ausstieg aus den Verhandlungen gedroht. Nach einem Tag und einer Nacht Verlängerung fassten die Delegierten aus knapp 200 Staaten dann doch noch eine ganze Reihe von Beschlüssen.

    Was sind die Hauptergebnisse der COP27 in Scharm el-Scheich?

    Das wichtigste Ergebnis: Ärmere und durch die Erderwärmung besonders bedrohte Länder sollen bei klimabedingten Schäden Ausgleichszahlungen erhalten, dazu soll ein Fonds aufgebaut werden. Damit wird eine jahrzehntelange Forderung der Entwicklungsländer erfüllt. Kaum Fortschritt brachte die Konferenz dagegen bei der Minderung des Ausstoßes von Treibhausgasen.

    Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste (Loss and Damage)

    Es geht um gewaltige Summen, die gezahlt werden, wenn Überschwemmungen oder Wirbelstürme Länder zerstören oder wenn Hitzewellen und Trockenheit Hungersnöte hervorrufen. Auch Klimafolgen wie der Anstieg des Meeresspiegels könnten zu Zahlungen führen.
    Der Fonds soll beim nächsten Klimagipfel in Dubai 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten operationalisiert werden. Ein Komitee erarbeitet bis dahin, wer in den Fonds einzahlt und wer daraus Gelder erhalten kann. Nutznießer des Fonds sollen Entwicklungsländer sein, die besonders verletzlich sind. Offen ist unter anderem noch, ob nur Industrieländer oder auch Schwellenländer wie China in den Fonds einzahlen sollen.

    Treibhausgas-Emissionen und 1,5-Grad-Ziel

    Hier gab es viel Diskussion und wenig Bewegung. Es wurden die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens bestätigt, die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad verglichen mit dem vorindustriellen Niveau in Reichweite zu halten. Bis 2030 müssten dafür allerdings die klimaschädlichen Emissionen fast halbiert werden.
    Wissenschaftler halten das Erreichen des 1,5-Ziels mittlerweile für unrealistisch. Fast alle Szenarien über wahrscheinliche Emissionen in den nächsten zehn Jahren und Jahrzehnten je nach Wirtschaftsentwicklung und intensivem Klimaschutz rechnen damit, dass die 1,5 Grad zumindest überschritten werden - womöglich schon bald.
    Vor diesem Hintergrund wäre aus Sicht von Klimaschützern ein Ausstieg aus fossilen Energien wichtig. Die rund 200 Staaten bekräftigten in Scharm el-Scheich jedoch nur ihren früheren Beschluss, die Verbrennung klimaschädlicher Kohle herunterzufahren. Ein Abschied von Öl und Gas wird nicht erwähnt. Vor allem Saudi-Arabien, aber auch China blockierten hier weitergehende Formulierungen.
    Ein Ende der fossilen Brennstoffe ist somit nicht in Sicht - im Gegenteil: Viele Staaten und die Industrie investieren sogar in neue Kraftwerke. Pläne der Öl-, Gas- und Kohleindustrie sehen laut Recherchen der Initiative "Leave it in the ground" beinahe eine Verdopplung der heutigen Fördermengen von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen vor - in 50 verschiedenen Ländern.

    Klimafinanzierung

    Die Industrieländer halten ihr Versprechen von 2009 nicht vollständig ein, jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassung bereitzustellen. Sie werden aufgefordert, dies nachzuholen. Zudem gibt es weitere Verfahrensschritte hin zu einem neuen Finanzierungsziel für Klimaschutz und -anpassung, das 2024 beschlossen werden soll.

    Klimapartnerschaften und weitere Initiativen

    Größere Erfolge beim Klimaschutz könnten Klimapartnerschaften zwischen Industrie- und Schwellenländern bringen, die am Rande der Konferenz vorgestellt wurden. Deutschland, die USA und andere Industrieländer helfen etwa Ägypten, Mexiko, Südafrika und Indonesien bei der Verringerung des CO2-Ausstoßes. Die Länder wollen mit dem Geld aus den Industrieländern die Energiewende angehen, also Wind- und Solarenergie installieren, das könnte die Emissionen deutlich bremsen. Weitere Staaten, darunter Indien und Vietnam sollen folgen. In vielen Schwellenländern wächst der CO2-Ausstoß nach wie vor – ein wichtiger Grund, warum es im Klimaschutz bisher kaum voranging.
    Zudem gab es unter anderem Initiativen zum Waldschutz einschließlich diesbezüglicher Versprechen des designierten brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva sowie zum Schutz der Biodiversität.

    Wie ist die Einigung zum Thema Ausgleichszahlung zu bewerten?

    Die Einigung auf einen Entschädigungsfonds für Klimaschäden ist als historisch zu bewerten, denn Entwicklungsländer fordern einen solchen Fonds seit 30 Jahren. Die Erderwärmung trifft arme Länder mehr als reiche, weil sie keine Reserven und eine schlechtere Infrastruktur haben. Sie sehen die Industrieländer als Verursacher der Klimakrise in der Pflicht, denn der CO2-Ausstoß ist dort sehr viel größer als in den Entwicklungsländern.
    Das belegt Ökonom Lutz Sager, Juniorprofessor an der Georgetown University, in seiner neue Studie: "Nordamerika und Europa zusammen sind verantwortlich für etwa 40 Prozent aller Emissionen seit 1850. In Südasien zum Beispiel leben beinahe doppelt so viele Menschen, und die Region verantwortet nur etwa vier Prozent der historischen Emissionen. Auch der afrikanische Kontinent hat nur einen Anteil von etwa sieben Prozent an allen bisherigen globalen Emissionen."
    Dieses Verursacherprinzip haben die Industrieländer lange abgelehnt und wegen der unabsehbaren Höhe der Entschädigungszahlungen Widerstand geleistet. Die Gruppe der besonders verwundbaren Länder, V20, ist inzwischen auf 58 Mitglieder angewachsen. Sie hat ausgerechnet, dass in den vergangenen Jahren ein Schaden von mehr als 500 Milliarden Dollar zusammengekommen ist - Tendenz steigend.
    In Ägypten kam das Thema endlich als eigenständiger Punkt auf die Tagesordnung - aber nur, weil die entsprechende Regelung auf freiwilliger Basis und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht umgesetzt werden soll. Die EU setzte sich mit der Forderung nach einem Fonds gegen andere Industrieländer durch. Die USA hatten dies am heftigsten blockiert. Der EU war es sehr wichtig, dass die Ausgleichszahlungen nur an vulnerable Länder gehen und nicht an Schwellenländer, die sich in den vergangenen Jahrzehnten gut entwickelt und aufgrund ihrer Wirtschaftsleistung viel CO2 ausgestoßen und so zum Klimawandel beigetragen haben. Beispiele dafür sind China und Saudi-Arabien. Offen bleibt, ob solche Staaten in den Fonds einzahlen sollen.

    Welche Kritik gibt es an den Ergebnissen?

    Die Abschlusserklärung der COP27 geht kaum über die von Glasgow aus dem vergangenen Jahr hinaus. Es gibt wenig stärkere Signale und Impulse, um die Erderwärmung weiter abzubremsen. Dass es keine Einigung zum Ausstieg aus allen fossilen Energien gab, wird als größte Enttäuschung gewertet. Hier hat sich vor allem Saudi-Arabien durchgesetzt und Formulierungen und Pläne abgeschwächt.
    Entsprechend kritisch fallen die Bewertungen von Klimaschutzorganisationen aus. Als "deprimierendes Ergebnis für den Klimaschutz" bezeichnet etwa Jan Kowalzig von der internationalen Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam die Abschlusserklärung. Er beklagt zudem den fehlenden Fokus auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hält nach der Konferenz das 1,5-Grad-Ziel für "zunehmend unwahrscheinlich". BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock wurde noch deutlicher: "So wird das 1,5-Grad-Limit schnell überschritten. Viele Teile der Erde werden unbewohnbar."
    Der Klimaforscher Mojib Latif stellte als Reaktion auf die COP27 den Sinn weiterer Klimakonferenzen grundlegend infrage. Dort sei nur ein Minimalkonsens möglich, der nicht ausreiche. Klimakonferenzen seien inzwischen zu Wirtschaftsverhandlungen degeneriert, kritisierte Latif im Dlf. Es brauche stattdessen eine Koalition der Willigen, die beim Klimaschutz vorangehe. Deutschland und die EU seien hier in der Verantwortung.
    Die Umweltorganisation Greenpeace hält es für einen "Skandal, dass die ägyptische COP-Präsidentschaft Petrostaaten wie Saudi-Arabien den Raum geboten hat, jeden wirksamen Klimaschutz zu torpedieren". Ein Petrostaat ist eine Nation, deren Wirtschaft stark von der Förderung und dem Export von Öl oder Erdgas abhängig ist. Die COP27 riskiere damit in fahrlässiger Weise die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits, sagte Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland. "Der weltweite Ausstieg aus allen fossilen Energien muss nun außerhalb der Klimakonferenz vorangetrieben werden."
    Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einer "schwierigen" Konferenz, deren Ergebnis "uns nicht zufrieden machen kann." Immerhin sei durch die konsequente Haltung der EU ein Rückfall hinter die Vereinbarungen von Paris und Glasgow verhindert worden.
    Quelle: Georg Ehring, Ann-Kathrin Büüsker, Volker Mrasek, dpa, epd, afp, og