Edenhofer betonte, mit freiwilligen Selbstverpflichtungen würden die Emissionen bis 2030 weiter steigen. Nur mit ihnen könne das Zwei-Grad-Ziel nicht erreicht werden. Sie seien zudem nicht konsistent, denn die Kohleausbaupläne vieler Länder passten nicht mit ihren Verhandlungsangeboten zusammen. Deshalb sei wichtig, "dass man zunächst einmal anerkennt, dass man noch sehr, sehr weit entfernt ist von einem ambitionierten Abkommen." Dabei laufe die Zeit davon.
Der Klimaforscher sprach sich für die Einführung eines CO2-Preises aus. Diesen könnten Länder als Steuer oder über ein Emmissionshandel-System auf nationaler Ebene einführen. Zudem müsse der europäische Emissionshandel reformiert werden. Nur dann könne Europa ambitionierte Klimaziele erreichen.
Auf dem Weltklimagipfel in Paris verhandeln die Teilnehmer von heute an bis zum 11. Dezember über einen langfristigen Rahmenplan für den weiteren Abbau von Treibhausgasen.
Das Interview in voller Länge:
Christine Heuer: Maximal zwei Grad Celsius mehr, das ist die rote Linie vor allem der Klimaforscher. Jede Temperaturerhöhung darüber hinaus kann die Menschheit nicht verkraften, und zwar ab dem Jahr 2100. Aber wie schafft man das? Auf keinen Fall, wenn wir so weiterwirtschaften wie bisher. Deshalb sollen jetzt alle mitmachen bei der CO2-Einsparung, nicht mehr nur die Industrie-, sondern auch die Schwellen- und Entwicklungsländer. Beim Klimagipfel in Paris soll ein neuer Vertrag geschlossen werden, allerdings wohl ohne jede völkerrechtliche Verbindlichkeit, was die Einsparziele der einzelnen Staaten angeht. Die Klimaschützer sind äußerst skeptisch, ob das etwas bringen kann.
Am Telefon begrüße ich Ottmar Edenhofer, Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er leitet auch das Berliner Klimainstitut MCC. Guten Morgen, Herr Edenhofer.
Am Telefon begrüße ich Ottmar Edenhofer, Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er leitet auch das Berliner Klimainstitut MCC. Guten Morgen, Herr Edenhofer.
Ottmar Edenhofer: Guten Morgen!
"Freiwillige Selbstverpflichtungen reichen nicht aus"
Heuer: Sie haben den Papst beraten, die Weltbank und die EU. Was ist Ihr wichtigster Rat an die Politiker jetzt beim Klimagipfel in Paris?
Edenhofer: Der wichtigste Rat ist zunächst mal eine schonungslose Analyse, wo wir stehen, und dazu gehören eigentlich zwei grundlegende Botschaften. Das Erste ist, dass die freiwilligen Selbstverpflichtungen, die die Staaten auf den Tisch gelegt haben, mitnichten ausreichen, um so was wie ein Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sondern wir müssen uns mit der Tatsache auseinandersetzen, dass diese freiwilligen Selbstverpflichtungen bedeuten, dass bis 2030 die Emissionen steigen werden. Darüber hinaus sind diese freiwilligen Selbstverpflichtungen auch nicht ganz konsistent, denn wenn man sich die Kohle-Ausbaupläne vieler Länder anschaut, dann passen die einfach nicht mit den Verhandlungsangeboten zusammen, die sie auf den Tisch gelegt haben. Vor diesem Hintergrund ist aus meiner Sicht wichtig, dass man zunächst mal anerkennt, dass man noch sehr, sehr weit entfernt ist von einem ambitionierten Abkommen.
Heuer: Ist das der Grund, warum sie im Vorfeld schon gesagt haben, jetzt wird es mir langsam "a bisserl bang"?
Edenhofer: Ja, weil uns die Zeit davonläuft, und die Zeit läuft uns vor allem deswegen davon, weil weltweit 1000 Gigawatt Kohlekraftwerke geplant sind. Und wenn nur ein Drittel davon ans Netz geht, dann heißt das schon etwa 100 Gigatonnen CO2 mehr. Und wenn man dann noch mit einrechnet, dass die bestehende Energie-Infrastruktur etwa 730 Gigatonnen noch emittiert, dann haben wir eigentlich das Kohlenstoff-Budget, das mit dem Zwei-Grad-Ziel vereinbar ist, schon aufgebraucht. Vor diesem Hintergrund, vor dem Hintergrund der Investitionspläne vieler Länder ist es in der Tat so, dass ich das Gefühl habe, uns läuft die Zeit davon.
Heuer: Das heißt, Sie fordern, die freiwilligen Selbstverpflichtungen müssen ersetzt werden durch etwas völkerrechtlich Verbindliches.
Edenhofer: Ja und ich glaube auch, dass es nicht nur darum geht, dass sie völkerrechtlich verbindlich sind, sondern dass sie auch vergleichbar sind, und diese freiwilligen Selbstverpflichtungen sind mitnichten vergleichbar.
"Wir brauchen dringend einen CO2-Preis"
Heuer: Die müssen auch besser werden in der Sache?
Edenhofer: Die müssen besser werden. Aber wir müssen auch um eine andere Sache verhandeln, und die andere Sache heißt: Wir brauchen dringend einen CO2-Preis. Es wäre aus meiner Sicht sehr viel sinnvoller, wenn nach Paris ein Einstieg gefunden werden könnte in die Verhandlungen um einen CO2-Preis, den dann die Länder auf nationaler Ebene implementieren können, entweder als ein Emissionshandels-System oder als eine CO2-Steuer. Und dazu gehört auch, was in Paris eine große Rolle spielen wird, die sogenannte Klimafinanzierung, denn aus der Klimafinanzierung könnte man dann diejenigen Länder unterstützen, die sich im Augenblick noch keinen hohen CO2-Preis leisten können. Und über diesen Transfermechanismus ließe sich dann auch ein Mehr an Kooperation und auch ein Mehr an Fairness schaffen.
Heuer: Klingt nach einem guten Vorschlag, Herr Edenhofer. Den werden Sie auch der deutschen Bundesregierung gemacht haben, der EU sowieso. Wieso speisen die das nicht nachdrücklich ein in Paris?
Edenhofer: Der Verhandlungsprozess steht diplomatisch an einer anderen Stelle. Man hat sich jetzt auf diese freiwilligen Selbstverpflichtungen festgelegt.
Heuer: Aber das macht man ja seit Jahrzehnten.
Edenhofer: Das macht man seit Jahrzehnten und das ist auch ein Riesenproblem. Es wird jetzt darauf ankommen, dass ein Prozess gefunden werden muss, wie diese freiwilligen Selbstverpflichtungen zu Verpflichtungen werden, wie sie schrittweise angehoben werden können und aus meiner Sicht, wie sie vergleichbar gemacht werden können. Und sie können am besten dann vergleichbar gemacht werden, wenn man über CO2-Preise verhandelt. Denn wenn man über einen solchen CO2-Preis verhandelt, macht man damit auch deutlich und klar, wie ernst man es eigentlich mit dem Klimaschutz meint.
Heuer: Wenn wir einen CO2-Preis hätten, dann wäre die Kohle sehr teuer. Sie votieren ja auch nachdrücklich für den Ausstieg aus der Kohle und bemängeln, dass stattdessen eine Kohle-Renaissance weltweit zu beobachten ist. Jetzt hat sich die Allianz aus Investitionen in die Kohle verabschiedet. Ist das der Weg zum Erfolg? Müssen wir auf die Investoren setzen statt auf die Politiker, die ja offenbar nicht so recht weiterkommen?
Edenhofer: Die Investoren sind wichtig. Allerdings muss man verstehen, dass 80 Prozent aller geplanten Kohlekraftwerke in staatlicher Hand sind und diese staatlichen Kohlekraftwerke sind zunächst mal nicht darauf angewiesen, dass sie Kreditmittel von den Investoren bekommen. Vor diesem Hintergrund ist das, was die Allianz macht, sicherlich symbolisch ein absolut wichtiger Beitrag, weil damit die Industrie klarmacht, dass sie für Klimaschutz ist, aber das ist aus meiner Sicht noch nicht der Weg, der zum Erfolg führen wird, sondern wir müssen genau die Staaten, die jetzt Kohle planen und zugleich ambitionierte freiwillige Selbstverpflichtungen auf den Tisch gelegt haben, fragen, was meint ihr jetzt eigentlich. Und dieses Signal kann am besten dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass wir eine CO2-Steuer oder einen CO2-Preis einführen. Vor allem ist es ja so, dass eine CO2-Steuer für viele Staaten große Vorteile hätte. Daraus kann man nämlich Einnahmen generieren und diese Einnahmen kann man dazu verwenden, dass man zum Beispiel in Schwellen- und Entwicklungsländer in sauberes Trinkwasser, in sauberen Strom investiert und damit auch die Standort- und Wettbewerbsfähigkeit dieser Wirtschaften erhöht.
"Europäischer Emissionshandel funktioniert nicht"
Heuer: Herr Edenhofer, aber die Politik folgt Ihnen da ja nicht, nicht mal in den Staaten, die bislang jedenfalls als Vorreiter im Klimaschutz galten. Und Angela Merkel, die hat jetzt gesagt, Kohleenergie bleibe in Deutschland auch nach 2020 ein wichtiger Pfeiler. So erreichen wir nichts. Versagt da auch die deutsche Bundesregierung und die Führer der EU?
Edenhofer: Ja wir sind natürlich in Deutschland genau in der Situation, dass wir zum einen die Erneuerbaren subventionieren und auch die Kohle subventionieren. Das ist natürlich kein Zustand, mit dem man eine rationale Klimapolitik betreiben kann, und wir hätten hier in Europa grundsätzlich ein Instrument zur Verfügung, nämlich den europäischen Emissionshandel. Und wäre der europäische Emissionshandel funktionsfähig gewesen, dann wäre uns ja die Rückkehr der Kohle in Deutschland erspart geblieben. Dann hätten wir jetzt moderne Gaskraftwerke am Netz und nicht die Kohlekraftwerke. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass es absolut entscheidend ist, dass wir hier zu einer Reform des europäischen Emissionshandels kommen, denn die Kohlefrage ist ja nicht nur eine Frage für Deutschland; das ist in gleichem Umfang eine Frage für Polen und andere osteuropäische Länder. Wenn wir in Europa ambitionierte Klimaziele erreichen wollen, kommen wir um eine Reform des europäischen Emissionshandels nicht herum.
Heuer: Herr Edenhofer, am Schluss die Frage: Verzweifeln Sie da nicht manchmal an der Politik?
Edenhofer: Ich glaube nicht, dass ich verzweifeln sollte zumindest. Ich glaube, ich habe als Wissenschaftler die Aufgabe, der Politik den Spiegel vorzuhalten. Darüber ärgert sich die Politik manchmal, aber das ist meine Rolle.
Heuer: Ottmar Edenhofer, Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Leiter des Berliner Klimainstituts MCC. Herr Edenhofer, viel Erfolg in Paris und vielen Dank für das Interview.
Edenhofer: Ich danke Ihnen. Einen schönen Tag.
Anmerkung der Redaktion:
Professor Dr. Ottmar Edenhofer ist Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), einer gemeinsamen Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.