Es ist stockdunkel in der Operationszentrale auf dem Minenjagdboot "Überherrn". Die Besatzung beobachtet konzentriert die großen Computerbildschirme, auf denen u. a. das Sonarbild des Meeresbodens in der Kieler Bucht zu sehen ist. Das Schiff befindet sich im Bereich des Fahrwassers für die aus der Ostsee nach Kiel einlaufenden Schiffe – eine viel befahrene Route.
"Kontakt in Peilung 156, Entfernung 330 Meter, klassifiziert als mögliche Grundmine – wirklich Grundmine? Klassifiziert als mögliche Grundmine, ja! Klarmachen zum Drohneneinsatz..."
Tauchdrohne "Seefuchs"
Das Sonar hat erste Hinweise geliefert, was genau es da entdeckt hat, das soll jetzt die Tauchdrohne, der Seefuchs, herausfinden. Von einem Kran aus wird das ferngelenkte Mini-U-Boot zu Wasser gelassen – es verschwindet sofort in der grauen Ostsee und macht sich auf die Suche nach dem gerade georteten Kontakt. Von diesem Seefuchs gibt es zwei Varianten an Bord des Minenjagdbootes, erläutert Fregattenkapitän Fritz-Rüdiger Klocke.
"Wir haben eine Mehrwegdrohne – das ist der Seefuchs "India" für Identifizierung, der hat eine Kamera und ein Sonargerät und kann im Nahbereich eben diese Munition identifizieren und auch dokumentieren. Und in der zweiten Variante ist es die Combat-Version – der Seefuchs "Charly" – der eben als Einwegdrohne dann mit einer Hohlladung diese Mine, oder die Munition, in der Lage ist zu vernichten."
Die Drohne hat inzwischen ihre Einsatzposition erreicht und den Verdacht bestätigt: Hier liegt eine scharfe englische Grundmine. Den Rest übernehmen Minentaucher.
"Wenn die Drohne was entdeckt hat, dann wird die Position markiert, dort wird ein kleiner Anker ins Wasser gelassen und oben eine Boje, sodass eben der Taucher von der Wasseroberfläche in der Lage ist, diesen Kontakt ganz schnell anzuschwimmen und dann die Mine oder die Munition sprengtechnisch zu behandeln."
Der Zünder wird abgesprengt
Um die Mine zu entschärfen werden die Zünder abgesprengt, anschließend kann sie geborgen und zunächst in ein spezielles Munitionsversenkungsgebiet in der Nähe gebracht werden. Schon im vergangenen Jahr hatte die Marine gemeinsam mit dem Kampfmittelräumdienst des Landeskriminalamts und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung das Fahrwasser für den aus der Kieler Förde auslaufenden Schiffsverkehr genau unter die Lupe genommen und geräumt – eine zeitaufwendige Angelegenheit.
"Wir haben im letzten Jahr an die 200 Kontakte behandelt – und das ist das letztlich auch, was aufhält. Wir haben alleine von der Marine letztes Jahr rund 1.400 Tauchminuten angesetzt gehabt und realisiert und ein Tauchgang dauert ungefähr 15 Minuten."
Immerhin 36 britische Grundminen konnten die Marinetaucher im vergangenen Jahr unschädlich machen – im Fahrwasser für den nach Kiel einlaufenden Schiffsverkehr erwarten die Experten eine ähnlich große Anzahl. Vor allem in den letzten Jahren des 2. Weltkriegs waren die Hauptschifffahrtsrouten auf Nord- und Ostsee immer wieder Ziel für Minenabwürfe der Alliierten, außerdem liegen dort noch tonnenweise Altlasten aus den Nachkriegsjahren. Allein in der Ostsee vermuten Experten bis zu 300.000 Tonnen, der größte Teil wohl in schleswig-holsteinischen Gewässern, vermutet Jürgen Kroll vom Kampfmittelräumdienst.
"Schleswig-Holstein hatte eine ganz besondere Situation zum Ende des Krieges und auch nach dem Krieg – hier ist sehr viel Munition entsorgt worden, und wir haben ein sehr großes Entsorgungsgebiet, ein Versenkungsgebiet, vor Heidkate, sehr dicht am Fahrwasser, und das untersuchen und bearbeiten wir schon seit vielen, vielen Jahren."
Mehr als 5.000 Stück Munition wurden in diesem Bereich schon entdeckt – eine Altlast, die zunehmend auch eine Gefahr für die Umwelt wird, weil aus verrosteten Bomben und Minen immer mehr Giftstoffe austreten.
"Wir finden Munition, deren Hülle schon beschädigt ist, wir finden aber auch viel Munition, deren Hülle eindeutig noch geschlossen ist – das heißt, also, die Immissionen in die Meeresumgebung, die halten sich bisher wahrscheinlich noch einigermaßen in Grenzen. Aber – ganz ehrlich – 70 Jahre nach dem Krieg sollten wir uns als moderne Gesellschaft wirklich Gedanken machen, diese Munition – zumindest wenn sie auch so nahe unter der Küste liegt – zu beseitigen."