"Wir sind qualifiziert und hochmotiviert - doch was haben wir davon?"
Auf jeden Fall zu wenig, finden die 80 Honorarlehrkräfte, die an diesem Vormittag vor dem Gebäude der Berliner Senatsverwaltung für Bildung stehen und dort lautstark protestieren. Ihre Aufgabenbereiche sind vielfältig: Sie lehren an Hochschulen Sprachen, bringen Kindern an Musikschulen Instrumente bei oder unterrichten an Volkshochschulen Deutsch für Migranten. Ihre Probleme aber sind dieselben: Obwohl sie alle einen akademischen Abschluss haben, sind sie als Freischaffende in der Regel unterbezahlt, haben in der Regel weder Anspruch auf Urlaubs- oder Krankengeld.
"... und prekär ist nicht fair, yeah!"
Franziska Kreutzer unterrichtet Gitarre an einer Berliner Musikschule. Drei Diplome hat sie in der Tasche, sie ist Instrumentalpädagogin, Konzertgitarristin und Konzertlautenistin. Sie arbeitet 30 Stunden in der Woche. Mehr gewähre ihr der Arbeitgeber leider nicht, trotzdem könne sie von dem Lohn kaum leben, sagt Franziska Kreutzer:
"Ich verdiene 11.500 Euro im Jahr, darf in den Schulferien nicht unterrichten, also viele Kollegen gehen dann an die Supermarktkasse und arbeiten da, um sich was dazuzuverdienen."
Zwei-Klassen-Gesellschaft an den Hochschulen
Dabei hat Franziska Kreutzer noch Glück im Unglück. Wird sie krank, bekommt sie immerhin ab dem vierten Krankheitstag 80 Prozent ihres Gehalts. Nach sechs Wochen ist damit aber Schluss. Davon können andere Honorarlehrkräfte nur träumen, sagt Barbara Janisch. Die 32-Jährige hat Slawistik studiert und lehrt seit zwei Jahren Polnisch an einer Uni. Vor allem an den Sprachzentren der Hochschulen herrsche eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, sagt sie.
Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft erhält ein freier Lehrbeauftragter an der TU Berlin zum Beispiel im Jahr 14.400 Euro, ein Festangestellter kann dagegen mit 40.000 Euro rechnen. Man leiste dasselbe, verdiene aber viel weniger, kritisiert Barbara Janisch:
"Ich denke gerade heute am Weltlehrertag, wir sind auch Lehrer auf eine Art, Sprachdozenten, und wenn man das vergleicht, an den Universitäten sind es ja auch staatliche Aufträge und ja, wir werden da wie TagelöhnerInnen beschäftigt, es gibt keine Absicherung, weder im Alter noch was sozusagen im nächsten Semester sein wird und man lebt wirklich von der Hand in den Mund."
Tarifverträge gelten nur selten für Selbstständige
Auf gesetzlichem Wege können die Honorarlehrkräfte in der Regel nicht mehr Geld einfordern. Weil sie selbstständig sind, gelten für sie nur in Ausnahmefällen die entsprechenden Tarifverträge. Trotzdem müssen sie als Lehrende in die gesetzliche Rente einzahlen.
Um dieses Ungleichverhältnis zu ändern, haben einige Interessenvertreter jetzt ein Bündnis geschlossen, das auch von Verdi und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft unterstützt wird. Verdi-Sprecher André Pollmann:
"Die Grundforderung ist einfach, dass das Leitbild der Lehrkraft wieder die des Angestellten ist. Und wo das nicht passieren kann, dass wieder jemand integriert wird in den Staatsdienst oder den Angestelltenstatus bekommt, dass diejenigen, die Honorarkräfte bleiben, aber durch Tarifverträge für Arbeitnehmerähnliche abgesichert werden und den Angestellten sogleich oder so ähnlich wie möglich gestellt werden. Das ist jetzt auch keine Lyrik, weil, es gibt schon einige Bereiche, wo das passiert ist in den Medienbereichen und in dem Bereich der Bildung, das müssen wir jetzt nachvollziehen."
Pollmann betont, wo all diese Dozenten bei staatlichen Institutionen oder aber zumindest in deren Auftrag ihre Arbeit leisten würden: für die Bezirke, für das Land Berlin oder für das Bundesinnenministerium. Gerade aufgrund dieser Tatsache könne man diese Ungleichbehandlungen nicht weiter hinnehmen.
Am Ende des knapp zweistündigen Protestes gab es aber auch ein wenig Anlass zur Hoffnung. Vor wenigen Wochen haben sich die drei Bundesländer NRW, Hessen und Baden-Württemberg dazu entschlossen, ihre Gesetze für die Personalräte zu erweitern. Das bedeutet, dass arbeitnehmerähnliche Honorarkräfte, die also mehrheitlich für einen Arbeitgeber tätig sind, künftig eigene Interessenvertreter haben dürfen.