Am 12. September 2017 dockt erstmals ein unbemanntes Versorgungsraumschiff an einer chinesischen Raumstation an. Es ist ein Meilenstein: Die neue Raumschiffklasse heißt Tianzhou, übersetzt Himmelsschiff. Mit ihr ist China nun in der Lage, eine Raumstation dauerhaft im Erdorbit zu versorgen. Das daraus erwachsene Selbstverständnis chinesischer Ingenieure kennt ESA-Astronaut Matthias Maurer aus erster Hand.
"Wir spielen jetzt auf einem Niveau mit den ganz großen Mächten Nasa und Roskosmos, also Russland und USA."
Im August 2017 reiste Matthias Maurer gemeinsam mit Astronautin Samantha Cristoforetti zu einem Überlebenstraining nach Yantai ans gelbe Meer - kein ausländischer Raumfahrer hatte bis dahin jemals in China trainiert. Maurer ist klar, dass sich ein Berufseinsteiger wie er mit einem aufstrebenden Raumfahrtstaat wie China, seiner Kultur und seiner Sprache befassen muss.
"Da war die Unterrichtssprache Chinesisch. Wir haben dort ziemlich viel verstanden. Das ist auch ein sehr anschauliches Training, weil wenn man mir sagt, blas das Rettungsboot auf, dann verstehe ich das auch mit wenigen Wörtern. Aber wenn ich eine schriftliche Prozedur lesen soll, wirklich seitenweise nur Mandarinzeichen, dann wird das sehr langsam sein und vielleicht auch fehleranfällig. Und von daher erkennen wir jetzt, wo die Probleme liegen werden, wenn wir in Zukunft zusammenarbeiten. Und die müssen wir jetzt Schritt für Schritt abarbeiten."
Aus Sicht der ESA eine hochinteressante Alternative
Bei der ESA liege internationale Kooperation quasi in den Genen, sagt Karl Bergquist, der im ESA-Büro für auswärtige Beziehungen für den Kontakt zu China verantwortlich ist. Doch noch immer arbeiten in der bemannten Raumfahrt vor allem die USA, Russland, Europa und Japan zusammen. Die Öffnung der Internationalen Raumstation für Besucher aus China scheiterte vor allem an politischen Bedenken der Amerikaner. Chinas Raumfahrer gingen deshalb ihren eigenen Weg - und werden in wenigen Jahren zum Westen aufgeschlossen haben: Schon im nächsten Jahr sollen die kleinen und nur sporadisch besuchten Tiangong-Raumstationen ersetzt werden durch eine geräumige Station mit drei Modulen. Die hat dann zwar nur ein Sechstel der Größe der betagten ISS, wäre aus Sicht der ESA dann aber eine moderne und hochinteressante Alternative.
Wir würden es sehr gerne sehen, wenn in der Zukunft einmal ein europäischer Astronaut zur chinesischen Raumstation fliegen könnte, sagt Karl Bergquist, der mittlerweile immer häufiger zu Verhandlungen nach China reist. Und Europa könne im Gegenzug durchaus etwas anbieten.
"Ich denke, Europa hat sehr viel an Erfahrung zu bieten. Wir haben jetzt ja fast schon 3000 Manntage im All der europäischen Astronauten. Das heißt, der kontinuierliche Betrieb einer Raumstation ist etwas ganz anderes als Kurzzeitmissionen. Das hat Europa in den letzten zehn Jahren sehr gut gelernt. Wir betreiben unser eigenes Columbusmodul auf der ISS. Und wir können den Chinesen sehr viel helfen, sehr viel erklären, wie sie effizient ihre Station betreiben können, damit sie nicht auch die ersten eins, zwei, drei Jahre vergeuden und die gleichen Fehler machen, wie wir es gemacht haben."
Ob und wann tatsächlich ein Europäer an Bord eines Shenzhou-Raumschiffs zur chinesischen Raumstation fliegt, ist noch längst nicht spruchreif. Und auch wie Europas bisherige Partner auf die Annäherungsversuche der ESA an China reagieren, bleibt abzuwarten. Offiziell haben sich dazu bislang weder die USA noch Russland geäußert.