Die Entscheidung wirkte überraschend: Am Dienstag sagte die NASA einen seit Wochen geplanten Weltraumausstieg auf der Internationalen Raumstation kurzerhand ab. Es gebe eine Warnung, dass Weltraumschrott der Station nahe kommen könnte. Doch nur einen Tag zuvor hatte Dana Weigel noch Sorgen um die Gefahren des Weltraumschrotts zurückgewiesen. Die stellvertretende Chefin des ISS-Programms bei der NASA hatte zuversichtlich geklungen.
Eine Astronautin und ein Astronaut sollten eine defekte Antenne austauschen – eine Routinearbeit, bei der sich beide sechseinhalb Stunden außerhalb der Station aufgehalten hätten. Die meisten Fragen der Journalisten beschäftigten sich daraufhin aber mit den Überresten eines von Russland abgeschossenen und ursprünglich zwei Tonnen schweren Spionagesatelliten, der am 14. November bei einem Militärmanöver gezielt zerstört worden war.
„Am Anfang war die Trümmerwolke sehr konzentriert. Die ISS ist bei jedem Umlauf hindurch geflogen. Deshalb waren wir besonders in den ersten 24 Stunden sehr besorgt.“
ISS: Risiko für Zusammenstöße verdoppelt
Zwar fliegt die ISS auch zwei Wochen später noch immer regelmäßig durch die Trümmerwolke, aber mittlerweile hätten sich die Bruchstücke stark verteilt. Das Risiko für die gesamte Station, von einem Stück Weltraumschrott getroffen zu werden, habe sich durch den russischen Waffentest zwar verdoppelt – die Gefahr für frei fliegende Astronauten im Raumanzug sei dagegen fast unverändert geblieben.
„Ein Raumanzug ist sehr viel anfälliger gegenüber kleinen Trümmern. Und von denen gibt es sowieso schon relativ viele natürliche. Vor allem sind das Mikrometeoriten, weshalb das Risiko getroffen zu werden, durch die Trümmerwolke nur um ungefähr sieben Prozent gestiegen ist.“
Ein Weltraumausstieg ist laut der NASA per se nicht ganz ungefährlich. Die Wahrscheinlichkeit, bei einem sechseinhalbstündigen Einsatz getroffen zu werden, liege bei eins zu 2.700. Ein Raumanzug könne aber ein kleineres Loch problemlos kompensieren, ohne dass dem Raumfahrer sofort die Luft ausgeht. Dennoch ist das Problem des Weltraumschrotts mittlerweile äußerst ernst geworden, bestätigt Luisa Innocenti, die bei der Europäischen Raumfahrtagentur das Programm Clean Space für eine saubere Raumfahrt leitet. Und daran seien bei weitem nicht nur militärische Manöver schuld.
„Haben wir es immer noch nicht verstanden, dass das All eine Resource ist, um die wir uns kümmern müssen? Wir starten immer noch kontinuierlich und lassen die Satelliten dann dort oben. Manche von ihnen explodieren, weil ihre Batterien nicht getrennt wurden oder weil ihre Treibstofftanks nicht geleert wurden. Deswegen war ich auch nicht schockiert, weil die Menge an Weltraumschrott sowieso weiter ansteigt.“
Nur elf Prozent der neuen Trümmer bisher vermessen
Ob die neueste Kollisionswarnung für die Internationale Raumstation auch mit dem neuen Schrott vom russischen Satellitenabschuss zusammenhängt, ist unklar. Denn die Flugbahnen, der dabei entstandenen Fragmente, sind noch weitgehend unbekannt. Sie müssen erst mühsam vermessen werden. Von rund 1.700 Bruchstücken, die wegen ihrer Größe vom Boden aus überhaupt verfolgt werden können, sind gerade erst elf Prozent genauer bekannt. Bis alle diese Fragmente vermessen werden, dürften viele Monate vergehen. Bis dahin wird auch der Alltag auf der Raumstation etwas schwerer planbar: Der eigentlich für heute geplante Weltraumausstieg soll nun am Donnerstag stattfinden. Jedenfalls, wenn nichts mehr dazwischen kommt.