Um die Erde kreisen knapp 1000 funktionstüchtige Satelliten. Hinzu kommen mehr als eine halbe Million Stücke von Weltraummüll: defekte Satelliten, Trümmer explodierter Raketenstufen, abgesprengte Bolzen und so weiter. Die Erdumlaufbahn ist mittlerweile eine kreisende Müllkippe. Masahiro Nohmi, Ingenieur an der Universität Kagawa in Japan, will jetzt mit STARS-2 zeigen, wie künftig mit den großen Schrottteilen im All zu verfahren ist. STARS steht für Space Tethered Autonomous Robotic Satellite, also angebundener autonomer Robotersatellit.
"STARS-2 besteht aus zwei Teilen, einem Mutter- und einem Tochtersatelliten. Beide trennen sich im Weltraum, sind aber durch ein 300 Meter langes, elektrisch leitfähiges Seil verbunden. Beim Flug durch das Magnetfeld der Erde fließt dann in dem Seil ein elektrischer Strom."
Nach dem Start wird STARS-2 in 400 Kilometern Höhe um die Erde laufen. Die beiden Satellitenteile sind jeweils etwa so groß wie ein Umzugskarton und haben zusammen nicht einmal zehn Kilogramm Masse. In einigen Wochen sorgen ein Federmechanismus und die Schwerkraft dafür, dass sich die beiden Satelliten trennen und das aufgewickelte Aluminium-Seil abrollt.
"Mit dem leitfähigen Seil lässt sich die Bahn des Satelliten allein durch die Lorentz-Kraft verändern. Der induzierte Strom im Seil führt zu einem Magnetfeld, das dem der Erde entgegengesetzt ist und so das ganze System abbremst. Mit der Zeit sinken Satellit und Seil immer tiefer in die Atmosphäre und verglühen schließlich. Abhängig von der Größe des Satelliten und der Länge des Seils dauert das einige Monate bis wenige Jahre."
Das Weltraumseil ist also keine Angel, um Satelliten zu fangen. Es dient einfach dazu, dass sich elektromagnetische Kräfte mit Bremswirkung entfalten. Bei STARS-2 sollen sie binnen drei Monaten die durch das Seil verbundenen Körper zum Absturz bringen. Das Grundprinzip ist verblüffend einfach, allerdings wickelte sich beim ersten Flugtest vor fünf Jahren das Seil nur wenige Zentimeter ab. Nun soll es mit einem verbesserten Mechanismus gelingen.
"Nach internationalen Vorgaben muss ein neuer Satellit innerhalb von 20 bis 30 Jahren nach seinem Missionsende abstürzen. Sollte sich unsere Technik bewähren, könnte man eines Tages Satelliten mit einem Seilmechanismus ausstatten. Damit ließen sie sich am Ende ihres Lebens auf tiefere Bahnen und schließlich zum Verglühen zu bringen. So ein Seilsystem würde wohl nur gut fünf Kilogramm wiegen."
Die wenigen Kilo für das Seilsystem wären eine gute Investition. Denn es ist eine deutlich größere Menge Treibstoff nötig, um einen Satelliten aus eigener Kraft zum Absturz zu bringen. Einfach nichts zu tun und alte Satelliten weiter auf ihren Umlaufbahnen zu belassen, führt zwangsläufig zu einer enormen Zunahme von Schrottteilen, mahnt Carsten Wiedemann, Experte für Weltraummüll an der TU Braunschweig:
"Es hat sich gezeigt, dass eine besonders effektive Vermeidungsmaßnahme darin besteht, ausgediente Raumfahrzeuge unmittelbar nach dem Ende ihres Lebens gezielt zum Absturz zu bringen. Zum einen würde man weitere unbeabsichtigte Fragmentationen unterdrücken, die häufig nach dem Ende des Lebens eines Satelliten oder einer Raketenoberstufe erfolgen und durch die unbeabsichtigte Selbstentzündung von Resttreibstoff verursacht werden. Zum anderen würde man damit große Kollisionspartner aus dem Weltraum entfernen und damit die Wahrscheinlichkeit künftiger katastrophaler Kollisionen senken."
Kurz gesagt: Solange ein Satellit noch als Einheit besteht, lässt er sich relativ leicht entfernen. Wurde er aber durch eine Explosion oder durch einen Zusammenstoß in Tausende Trümmerteile zerlegt, bleibt er für Jahrhunderte ein Problem. Masahiro Nohmi und seine Kollegen möchten künftig nicht nur Müll vermeiden helfen – sie wollen zumindest die großen Schrottteile einfangen und zum Absturz bringen.
"Als nächstes müssen wir einen Weltraumroboter entwickeln, der einen defekten Satelliten anfliegt, an ihm festmacht und sich dann abseilt. STARS-2 dagegen ist eine Testmission, die noch keinen echten Müll zum Absturz bringt."
Raumfahrtagenturen wie die japanische JAXA, die dieses Projekt fördert, NASA und ESA, aber auch Betreiber von Kommunikationssatelliten verfolgen aufmerksam die Aktivitäten der Gruppe an der Universität Kagawa. Zwar sind die elektrisch leitfähigen Seile nicht geeignet, die zigtausend kleinen Trümmerteile im All zu beseitigen. Doch sollte der himmlische Seiltrick gelingen, starten womöglich bald viele Satelliten, die sich nach dem Ende ihrer Mission selbst vom Himmel holen.