Weltraumschrott
Gefährliche Geschosse im Orbit

Mehr als 13.000 Satelliten kreisen in diesem Moment um die Erde. Hinzu kommen Millionen Trümmerteile, die im Weltall unkontrolliert unterwegs sind. Weltraumschrott kann gefährlich werden – im All und auf der Erde.

    Künstlerische Darstellung zeigt Objekte, die Simulationen zufolge durchs All fliegen.
    Defekte Satelliten, Trümmerteile von Raumschiffen, verlorene Werkzeuge: Millionen Objekte haben sich seit Beginn der Raumfahrt in der Erdumlaufbahn angesammelt. Hier eine Illustration. (picture alliance / dpa / TU Braunschweig)
    Am 27. August 2024 konnten die Menschen in Süddeutschland einen Feuerschein am Himmel beobachten, der auf die Erde zuraste. Das Weltraumlagezentrum der Bundeswehr meldete wenig später, dass die Himmelserscheinung ein Starlink-Satellit von Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX war. Beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglühte der Satellit: Gefahr vorerst gebannt.
    Dennoch bleibt ein Problem bestehen: Seit Beginn der Raumfahrt werden immer mehr Raketen und Satelliten ins All geschossen. In einigen Jahren soll sogar ein Weltraumhotel eröffnen. Es wird also immer voller im Weltraum. Gleichzeitig gibt es bislang keine Möglichkeit, dort aufzuräumen, um Trümmerteile oder defekte Satelliten vom Himmel zu holen. Was bedeutet das für die Raumfahrt und die Sicherheit auf der Erde?

    Inhalt

    Was ist Weltraumschrott und wie lange bleibt er im All?

    Um die Erde kreisen defekte Satelliten, Trümmerteile von Raumschiffen, verlorene Werkzeuge und winzige Objekte, die aus Zusammenstößen oder Explosionen im All hervorgegangen sind. All das ist Weltraumschrott, der sich seit dem Start der bemannten Raumfahrt im Jahr 1961 im Weltraum angesammelt hat.
    Knapp 36.000 Objekte werden überwacht, doch das ist nur ein Bruchteil dessen, was im Weltraum seine Bahnen zieht. Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) schätzt, dass im All weitere 40.500 Objekte unterwegs sind, die mindestens zehn Zentimeter groß sind. Hinzu kommen schätzungsweise rund 130 Millionen Schrottteilchen, die höchstens einen Zentimeter groß sind. 
    Ein Objekt verglüht am Nachthimmel, das sich wenig später als abgestürzter Starlink-Satellit entpuppte.
    Ein paar Stunden rätselten die Menschen am 27. August 2024 in Süddeutschland darüber, was sich wohl am Nachthimmel abgespielt hatte. Später stellte sich heraus, dass ein Starlink-Satellit in die Atmosphäre eingetreten war. (picture alliance / dpa / EHL Media / Tim Meyer)
    Weltraumschrott entsteht auch durch Explosionen von Raumfahrzeugen oder Satelliten, von denen auch viele bei Waffentests gezielt zerstört werden. Bislang kam es nur vereinzelt zu Kollisionen im All, doch das könnte sich ändern, wenn es dort noch voller wird. Aktuell kreisen mehr als 13.000 Satelliten um die Erde.
    Darunter sind mehr als 6.300 Starlink-Satelliten des privaten US-Raumfahrtunternehmens SpaceX von Elon Musk. Insgesamt will Musk 42.000 Satelliten ins All schießen, um die ganze Welt mit dem Internet zu verbinden. Allerdings sollen die Starlink-Satelliten nach einiger Zeit auch wieder auf die Erde fallen – so wie zuletzt Ende August geschehen.
    Die meisten Objekte befinden sich in einer Höhe von bis zu 900 Kilometern. Objekte, die mehr als 800 Kilometer von der Erde entfernt sind, verbleiben mehr als 150 Jahre im All. Objekte, die nur rund 500 Kilometer entfernt sind, wie etwa die Starlink-Satelliten, treffen schon nach einigen Jahren wieder auf die Erde. 

    Welche Folgen hat Weltraumschrott für die Raumfahrt?

    Selbst kleinste Teilchen können im Weltall für große Zerstörung sorgen, da die Objekte mit sehr hoher Geschwindigkeit unterwegs sind. Eine einzelne Schraube kann einen Satelliten zerstören. Wenn dieser nach einer Kollision zerspringt, schweben noch mehr Einzelteile durchs All und sorgen für weitere Verdichtung. Das Müllproblem nimmt zu.
    Das Kessler-Syndrom, benannt nach dem US-amerikanischen Astronomen Donald J. Kessler, beschreibt eine verheerende Kettenreaktion, die entsteht, wenn irgendwann immer mehr Objekte unkontrolliert aufeinandertreffen und zerspringen. Sollte diese Kettenreaktion tatsächlich einmal eintreten, könnte dies das Ende der bemannten Raumfahrt bedeuten, da eine Reise ins All für die Menschen zu gefährlich wäre.
    Schon jetzt ist Weltraumschrott ein reales Problem für die von Menschen bewohnten Vorposten im All. 2023 traf Weltraumschrott auf die chinesische Raumstation Tiangong und beschädigte sie. Auch die Internationalen Raumstation ISS wurde schon von Weltraumschrott getroffen, der aber nur kleine Schäden verursachte. Vor größeren Objekten kann die ISS ausweichen. 
    Die Internationale Raumstation (ISS) im Oktober 2018 über der Erde.
    Die Internationale Raumstation (ISS) muss regelmäßig Weltraumschrott ausweichen, da selbst kleine Objekte bei einem Zusammenstoß schwere Schäden verursachen würden. (picture alliance / dpa)

    Wie gefährlich ist Weltraumschrott für die Menschen auf der Erde?

    Schätzungen der ESA zufolge tritt beinahe wöchentlich Weltraumschrott unkontrolliert in die Atmosphäre ein. Viel davon verglüht, aber eben nicht alles. Im März 2024 krachte ein Batteriepaket der ISS auf die Erde, nachdem es drei Jahre die Erde umrundet hatte. Ein Teil davon stürzte in den Atlantik, ein Trümmerteil traf ein Haus in Florida. Einen Monat zuvor trafen Trümmer einer SpaceX „Crew Dragon“-Kapsel mehrere Farmen in Kanada. Verletzt wurde dabei aber niemand. 
    Tatsächlich ist es für den Menschen aber viel wahrscheinlicher, von einem Blitz getroffen zu werden, als von Weltraumschrott. Hinzu kommt, dass nur ein kleiner Teil der Erdoberfläche menschlich bewohnt ist. Mehr als 70 Prozent des Planeten sind mit Wasser bedeckt. 
    Wer bei Schäden auf der Erde haftet, regelt das internationale Weltraumrecht. Im sogenannten Weltraumvertrag heißt es:

    Staaten, die einen Weltraumgegenstand in den Weltraum starten, starten lassen oder ihr Territorium oder ihre Anlagen für Starts zur Verfügung stellen, haften grundsätzlich unbegrenzt für Körper- und Sachschäden, die ein solcher Gegenstand auf der Erde, im Luftraum oder im Weltraum verursacht, wenn diese auf fahrlässigem Handeln beruhen.

    Weltraumvertrag, Artikel VII

    Was wird gegen Weltraumschrott unternommen?

    Bislang gibt es keine Möglichkeit, Weltraumschrott einzusammeln. Aktuell arbeitet die ESA an technischen Hilfsmitteln. Fliegende Module mit Greifarmen sind in der Entwicklung. Auch an Fangnetzen wurde bei der ESA schon geforscht. Die US-amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa und die japanische Jaxa sollen ebenfalls an Technologien arbeiten, mit denen sich der Weltraumschrott beseitigen lässt. 
    Solange es keine „Weltallmüllabfuhr“ gibt, können nur präventive Maßnahmen getroffen werden. Eine Lösung sind niedrig fliegende Satelliten, die nach einigen Jahren zur Erde zurückkehren. Denn Objekte, die in niedriger Höhe fliegen, treten irgendwann von selbst in die Erdatmosphäre ein und verglühen, sofern sie nicht aus extrem hitzebeständigem Material bestehen. Weitere Maßnahmen sind technische Weiterentwicklungen von Raumfahrzeugen und Satelliten, damit weniger Teile achtlos abgetrennt und im All hinterlassen werden.
    Zudem bemüht sich die ESA, die Raumfahrt ab 2030 so zu betreiben, dass nahezu kein Weltraumschrott mehr entsteht. Mehr als 100 Unternehmen und Organisationen haben die „Zero Debris Charter“ bereits unterzeichnet, darunter Airbus, Thales, OHB und Amazons Satellitenprojekt Kuipe. Die Strategie sieht vor, dass ausgediente Raketenstufen oder defekte Satelliten gezielt zum Absturz gebracht und kontrolliert in die Erdatmosphäre gelenkt werden. 

    rey