Das neue Buch "Deutschjüdische Glückskinder" von Michael Wolffsohn ist keine Autobiographie, es ist die Geschichte seiner Familie. Er zeigt das Wechselspiel von großer Welt und kleiner Welt. Er setzt seine Familiengeschichte in Beziehung zur Weltgeschichte. Und weil es immer wieder auch um Religion bei den Wolffsohns geht, sind die "Deutschjüdischen Glückskinder" in vielen Passagen ein Stück Religionsgeschichte. Und persönlich ist das Buch auch.
Andreas Main: Einer unserer treuesten Hörer ist Michael Wolffsohn und er tritt auch regelmäßig auf hier bei "Tag für Tag", und zwar nicht zu den einschlägigen Themen, zu denen er sonst gefragt wird und die zweifellos auch wichtig oder noch wichtiger sind, wie Bundeswehr, Israel, USA, Antisemitismus, sondern bei uns zu Religionsfragen, obwohl oder gerade, weil Michael Wolffsohn kein Theologe ist, sondern Historiker. Aber ihm sind Religionsfragen wichtig, gerade auch, wenn es darum geht, wo sich Christen und Juden fern und wo sie sich nahe sind. Denn an diesem Punkt hat Religion definitiv eine gesellschaftliche, ja, politische Relevanz. Das gilt auch für sein jüngstes Buch "Deutschjüdische Glückskinder – eine Weltgeschichte meiner Familie". Darin gibt es ein Kapitel, das sich explizit mit unserem Thema beschäftigt. Es heißt "Gott und die Wolffsohns – Familientheologie". Darüber sprechen wir jetzt. Michael Wolffsohn, guten Morgen und willkommen.
Michael Wolffsohn: Guten Morgen Herr Main.
Main: Sie schreiben über Religion so, dass ich oft schmunzeln musste. Geben Sie denjenigen, die sehr verkniffen ihre Religionen betreiben, mal einen Tipp. Wie gelingt es Ihnen, Religion ernst zu nehmen, aber nicht zu ernst?
Wolffsohn: Doch, ich nehme Religion sehr ernst, aber ich nehme nicht die institutionalisierten Religionen so ernst, wie sie sich selber nehmen. Das gilt in Bezug auf das Judentum, vor allem die jüdische Orthodoxie, aber auch Teile des Reformjudentums, wo es – aber das gibt es überall – Rabbiner gibt, die mehr Schauspieler und weniger Seelsorger sind.
"Jesuanische Ethik ist für mich der Höhepunkt jüdischer Ethik"
Und ich nehme das Christentum auch sehr ernst, weil vor allem die jesuanische Ethik für mich der Höhepunkt eigentlich der jüdischen Ethik ist, also der vortalmudischen Ethik, die dann in den Talmud mündete.
Und darüber hinaus die Fragen, die unsere Gesellschaft betreffen, also Integration und die Zusammenführung von Christen oder Nenn-Christen oder Einst-Christen und Juden und Muslimen, also in unserer pluralistischen Gesellschaft, das ist doch das Thema schlechthin.
"Mit 19 wollte ich Rabbiner werden"
Und ich kann keinen Dialog mit beispielsweise Muslimen führen, ohne deren Religion zu kennen. Und den Dialog kann ich nur führen, wenn ich meine eigene Religion kenne und dann die der eigenen Religion nächste, nämlich das Christentum.
Main: Neben dieser politischen Relevanz werden Sie ja auch ausgesprochen persönlich in Ihrem Buch. Damit rüberkommt, wie sich dieses Buch "Deutschjüdische Glückskinder" anhört und was sich da widerspiegelt, lesen bzw. hören wir jetzt mal rein. Neben mir sitzt Rainer Delventhal, der Sie jetzt interpretiert und aus Ihrem Buch liest.
"Mit 19 wollte ich (Reform-)Rabbiner werden. Gott sei Dank blieb das 'Unserem Vater, unserem König', also dem 'Herren der Welt', den Juden, der übrigen Welt und mir erspart."
Main: Was blieb uns erspart, Herr Wolffsohn?
Wolffsohn: Ja, da bin ich ja selbstkritisch. Ich versuche grundsätzlich, das zu sein und nicht nur Kritik zu üben. Also, kurzum, ich hatte ja die Absicht, Reform-Rabbiner zu werden. Warum? Weil das eben nicht nur ein ganz normaler Beruf ist, aber ein Beruf, der sich mit Menschen, aber auch mit dem Metaphysischen beschäftigt, mit den Menschen im Kosmos, darüber hinaus eine ständige Reflexion erlaubt und darüber hinaus die Möglichkeit gibt, all das, was man erlesen hat, worüber man denkt, nachgedacht hat, das auch auszusprechen und mit anderen Menschen zu kommunizieren. So weit, so spannend.
"Mein Glaube ist nicht fest genug"
Aber ich habe eben erstens festgestellt, dass mein Glaube nicht fest genug ist. Und, wenn man nicht selber glaubt, kann man anderen nicht empfehlen zu glauben, so meine feste Überzeugung.
Dann habe ich selbstkritisch erkannt, dass mich auch die Schauspielerei eines Geistlichen gereizt hatte. Und das fand ich nun völlig deplatziert und habe daher den Gedanken aufgegeben.
Ich hatte ein persönliches Vorbild, das ich kennengelernt habe in der für mich diesbezüglich entscheidenden Zeit – 1967 bis 1970 in Israel. Und das ist der Reform-Rabbiner Tovia Ben-Chorin, der zugleich ein Denker, ein Gläubiger, ein praktizierender Jude und ein Seelsorger, aber eben kein Schauspieler ist.
"Es ist nicht entscheidend, beschnitten zu sein"
Main: Vielleicht sind Sie aber auch ein bisschen zu streitbar für einen Rabbiner. Es gibt da Punkte in Ihrem Buch, da legen Sie sich ganz schön an mit dem, was ich mal als jüdische Mehrheitsmeinung bezeichnen würde. Nehmen wir mal das Beispiel Beschneidung. Da sagen Sie wörtlich: "Nicht die Beschneidung macht den Juden". Warum erscheint Ihnen die Beschneidung nicht so wichtig?
Wolffsohn: Ich beziehe mich auf die Quellen. Man muss die Quellen nicht immer nur so frisieren, wie man sie gerne hätte. Also, beispielsweise die Propheten Jesaja oder Jeremias weisen darauf hin, dass es nicht entscheidend sei, beschnitten zu sein oder die damals üblichen Opfer im Tempel zu bringen und die anderen Gebote einzuhalten im Sinne eines buchhalterischen Einhaltens, sondern dass es auf das Einhalten des Geistes der Gesetze ankommt.
Und hier sind wir wieder bei der unmittelbaren Nähe zwischen dem jesuanischen Christentum und dem Judentum. Also, kurzum, die Äußerlichkeiten sind immer nur Krücken und Brücken zum Wesentlichen. Und ich erlaube mir die Freiheit, das Wesentliche ohne diese Krücken anzustreben und habe nichts dagegen, wenn sich Juden dennoch dazu entschließen, ihre Söhne beschneiden zu lassen. Aber, wenn das nur der Inhalt des Jüdischen ist, dann steht es um die Inhalte schlecht.
"Ich halte es mit dem Geist der Gesetze"
Main: Sie sprechen dann von einer "Beschneidung des Herzens". Sie wollen die Beschneidung spiritualisieren. Verstehe ich Sie richtig?
Wolffsohn: Ja, aber auch das ist ein Zitat von Jeremias. Insofern merken Sie, dass ich hier an Quellen orientiert bin und mich löse von der Halacha, die im Grunde genommen die Frühform der Institutionalisierung von Religion sind.
Also, ich unterscheide zwischen dem Geist der Religion und der Institutionalisierung, die wir in dem Maße im Judentum nicht haben, wie etwa in der katholischen Kirche, aber im Prinzip, ja doch, eine Institutionalisierung auf niedrigerer Ebene. Aber dennoch bleibt das Institutionalisierung oder, wenn Sie wollen, Fixierung.
Ich halte es, noch einmal, mit dem Geist der Gesetze. Und der Geist der Gesetze, da sind wir bei Montesquieu, beste Tradition europäischer Aufklärung, und dem Geist der Gesetze Jesu als Höhepunkt der jüdisch-prophetischen Ethik und damit auch der Gemeinsamkeit von Judentum und Christentum.
Main: Herr Wolffsohn, es gibt noch einen weiteren religionspolitischen Punkt, der Sie so richtig aufregt – die "Mischehe" – in Anführungszeichen – bzw. die Befürchtung der Orthodoxie, das Judentum gehe unter, wenn Juden mit Nicht-Juden Familien gründen. Ich halte dagegen: Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat. Das muss ich Ihnen nicht sagen. Verwässern Sie also eine Gemeinschaft, die mehr ist als eine Glaubensgemeinschaft, nämlich auch eine Ethnie?
"Meine Kinder sind nicht jüdisch"
Wolffsohn: Selbstkritisch, bezogen auf den Status quo, ja. Das muss ich sagen. Ich habe drei erwachsene Kinder. Ich bin verheiratet mit einer Nicht-Jüdin. Daher sind die Kinder nicht jüdisch. Aber auch das gehörte zur Selbstverständlichkeit der Gemeinsamkeit, dass nicht A über B – Anführungszeichen – "herrscht" oder B über A, sondern dass man den anderen in seinem Anderssein akzeptiert. Und das ist sozusagen für mich die Grundregel der wechselseitigen, partnerschaftlichen Ethik auf der Mikroebene, individuell, familiär.
Auf der Makroebene ist es ein Verlust für das Kollektiv, richtig. Wiederum auf der anderen Ebene, wir haben mehr als 2.000 Jahre lang das erhofft, was man heute nennt die "offene Gesellschaft". Nun haben wir sie und beklagen uns, dass wir nicht mehr "unter uns" bleiben können. Das ist eine neue Situation, eine Situation, die wir – ich wiederhole absichtlich – uns erhofft haben. Und nun müssen wir uns dieser Herausforderung stellen.
"Wir glauben an denselben Gott - auch Muslime: Allah, Elohim"
Die inhaltliche Nähe zu der jüdischen Ethik finde ich auch etwa über das Christentum - aber über den Geist der Religionen, sei es die christliche oder die jüdische … und die Grundidee ist ja, dass wir an denselben Gott glauben, übrigens auch die Muslime: Allah, Elohim.
Das hat sich im Laufe der Religionsgeschichten auseinandergelebt und wird vergessen. Und wir haben jetzt diese Herausforderung mit dem Gottesglauben, also an den Gott in seiner Existenz glaubend oder nicht, Gemeinsamkeiten zu finden und die trennenden Mauern zwischen den Gemeinschaften niederzureißen, ohne dass man die jeweils spezifischen Identitäten auflöst. Das genau ist nicht nötig. Und ich glaube und hoffe und zeige das, versuche das zu zeigen in meinem Buch. Das ist möglich.
Main: Sie schreiben ja in diesem Buch auch – ich möchte noch einen Moment bei den Mischehen bleiben –, dass sie eher ein Symptom als die Ursache eines möglichen Niedergangs sind.
Und das liest sich dann so:
Und das liest sich dann so:
"Religionen geht es letztlich wie gewöhnlichen Waren. Sie verschwinden, wenn sie nicht gewünscht, nicht nachgefragt werden. Religiöse Mischverbindungen sind einer der vielen Hinweise auf den Bedeutungsverlust der Religionen, nicht nur der jüdischen. Sie sind deren Folge, nicht deren Ursache."
Main: Was ist denn die Ursache, Herr Wolffsohn, aus Ihrer Sicht?
Wolffsohn: Das ist zum einen der Verlust des Gottesglaubens. Ich habe ja Ihnen auch gestanden sozusagen – das schreibe ich auch in dem Buch –, dass mein Gottesglaube nicht fest genug ist.
Ich hoffe, dass es Gott – in welcher Form auch immer – gibt. Aber diese Gewissheit habe ich nicht. Und diese Gewissheit haben immer weniger Leute in einer oft – entschuldigen Sie den Ausdruck – geradezu rotzigen Ignoranz. Denn genauso wenig, wie man beweisen kann, dass es Gott gibt, kann man eben nicht beweisen, dass es ihn nicht gibt. Also, etwas mehr Selbstkritik oder Bescheidenheit wünschte ich mir von beiden Seiten.
Aber es steht fest, dass wohl eine Grundtendenz unserer Gesellschaft, bislang jedenfalls, seit ungefähr 200 Jahren, das ist, was man Säkularisierung nennt, also die Entfernung und Entfremdung von Religion. Das ist eine Grundtatsache und die betrifft nicht nur Juden und Christen, sondern sehr viele. Anders sieht es gegenwärtig im Islam aus. Auch da habe ich meine Zweifel, dass das auf Dauer zu halten sein wird.
Der Islam oder der institutionalisierte Islam in seinen verschiedenen Formen der Institutionalisierung pocht auf Rigidität. Sie ist derzeit erfolgreich. Sie ist übrigens, was die Rigidität betrifft, auch im orthodoxen Judentum sehr erfolgreich – quantitativ und qualitativ. Im orthodoxen Judentum gibt es zum Teil bemerkenswerte inhaltliche Renaissancen und rein quantitativ nenne ich Ihnen hier eine Zahl. Ein jüdisches, orthodox-jüdisches Ehepaar in Israel hat 7,9 Kinder. Eine ganze Menge.
Main: Sie sprechen das Rigide an. Und als ob Sie wüssten, welche Passage aus Ihrem Buch der Kollege Rainer Delventhal gleich vorlesen wird, schlagen Sie eine Brücke, obwohl Sie es gar nicht wissen. Sie reden ja nicht nur übers Judentum, sondern denken auch immer die anderen Religionen mit. Und da kommt jetzt mal eine weitere Kostprobe.
"Die Bibel kleidet Glauben und Gedanken an Gott und die Welt in Geschichten, Gleichnisse, Gebote und Gesetze. Liberale Leser, durchaus auch Gläubige, fragen nach dem Grundgedanken und dessen Botschaft. Sie klammern sich nicht an Buchstaben und Wort. Sie fragen nach dem Geist der Gesetze. Die Personifizierung dieses liberal-jüdischen Geistes schlechthin war – jawohl – der Jude Jesus. In seiner Bergpredigt betonte er, nicht einmal ein Komma am jüdischen Gesetz ändern zu wollen. Jesus wollte jedoch Gesetz und Gesetzesanwendungen zum Geist des Gesetzes zurückführen."
"Im Alltag stehe ich dem Reformjudentum nahe"
Main: Also, der Geist des Gesetzes, den Sie eben auch schon mehrfach angesprochen haben. Weg vom buchstäblichen Verständnis von Bibel oder auch Koran! Jetzt mal aus Ihrer Sicht: Was ist der Geist des Gesetzes heute, der Kern von Religion heute?
Wolffsohn: Da muss man schon unterscheiden zwischen Christentum, Judentum und Islam. Also, in Bezug auf Christentum und Judentum würde ich den Kern des Gesetzes nehmen, bezogen auf das Metaphysische, den festen Glauben an eine überirdische Kraft, einen Ur-Motor sozusagen, eben den Schöpfer – zum einen. Und zum anderen, dass der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist, aber dennoch die Freiheit der Gestaltung hat. Das ist sozusagen der Kern des prophetischen Judentums und des jesuanischen Christentums.
Das gesagt bedeutet nicht, dass die Kirche diesen jesuanischen Geist erfüllt hätte, oder dass die jüdische Orthodoxie diesen Geist erfüllt hätte.
In Bezug auf den Islam vermisse ich die Liberalität der Auslegung im Alltag, eben diese Freiheit, nach dem Geist des Gesetzes zu leben. Unstrittig ist aber auch die Gemeinsamkeit, an den Schöpfergott zu glauben, dass der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist. Aber die Regulierung ist im Islam sehr viel rigider, als auch noch in der christlichen Orthodoxie – heute jedenfalls. Die christliche Orthodoxie ist auch erheblich liberaler, als sie früher war. In Bezug auf die jüdische Orthodoxie gilt, dass auch sie unglaublich rigide ist. Innerhalb der Orthodoxie gibt es aber auch wiederum diverse Strömungen.
Also, kurzum, ich sehe sehr starke Gemeinsamkeiten zwischen allen drei Religionen in Bezug auf die Kosmologie. In Bezug auf die Anwendung im Alltag stehe ich natürlich dem Reformjudentum nahe, das immer wieder dem Geist der Gesetze nahezukommen versucht.
"Das Evangelische unterscheidet sich kaum von Tagespolitik"
Auf der christlichen Seite habe ich erhebliche Kritik an der Evangelischen Kirche, die letztlich – ich überspitze bewusst – den Geist der Gesetze mit dem Zeitgeist verwechselt. Das ist in der katholischen Kirche weniger der Fall. Das gibt es auch, aber immer noch weniger und deswegen ist erstaunlicherweise heute der christlich-jüdische Dialog, katholisch-jüdisch, interessanter als evangelisch-jüdisch, weil das Evangelische kaum noch sich unterscheidet von der Tagespolitik.
Main: Also, ist die Evangelische Kirche für Sie so was wie eine Zeitgeistagentur?
Wolffsohn: Ja.
Main: Wie könnte die sich ändern?
Wolffsohn: Lieber Herr Main, ich bin manchmal doch bescheiden und möchte als Außenstehender der evangelischen Kirche keine Tipps geben, aber vielleicht nur so viel, sozusagen interkonfessionell, christlich-jüdisch, gläubig: Die evangelische Kirche muss höllisch aufpassen, dass sie nicht den Himmel aus den Augen verliert.
"Ich verzichte dankend auf den institutionalisierten Geistlichen"
Main: Den Himmel aus den Augen verlieren – manchmal ist das auch bei Religionsführern kombiniert mit einer gewissen Selbstgewissheit und dem Wunsch, Menschen Vorschriften zu machen. Ein letzter Auszug aus dem Buch "Deutschjüdische Glückskinder".
"Was mich mit 19 faszinierte und nunmehr seit langem abstößt, ist die Gottes-, Glaubens-, Seinsgewissheit, die scheinbare Allwissenheit und der vermeintlich 'direkte Draht zum Lieben Gott', den zu viele Geistliche beanspruchen. Dann verkünden sie: 'Gott sagt, Gott will, Gott weiß.' Woher weiß es der oder die? Sie glauben doch nur. Sie wissen über Gott so viel wie unsereins. Nichts."
Main: So, jetzt müssen Sie auch noch mal Ross und Reiter nennen.
Wolffsohn: Ich möchte keine Namen nennen. Es ist ein Grundphänomen und eine Grundversuchung von Geistlichen - und von Geistlichen aller drei monotheistischen Religionen. Weniger übrigens des Reform-Judentums, auch der aufgeklärten Christen. Ich vermisse diesbezüglich Entwicklungen dieser Art im mir bekannten Islam. Aber Namen zu nennen wäre in diesem Falle gar nicht sinnvoll. Natürlich könnte man Frau Käßmann nennen, aber die steht also für sehr viele.
Main: Welcher Denkfehler liegt denn zugrunde aus Ihrer Sicht?
Wolffsohn: Glauben heißt eben nicht wissen. Begriffe sind dazu da, dass sie Wirklichkeiten umschreiben, auch das Unwirkliche beschreiben. Und das Unwirkliche beschreibt das Wort 'Glauben'. Denn Glauben ist von dem Inhalt des Wortes, also des Begriffes, das genaue Gegenteil von Wissen. Wenn also ein Geistlicher, gleich welcher Konfession, sagt 'Gott will, Gott sagt‘, dann ist das eine ungeheure Anmaßung, die ich nicht akzeptieren kann und weswegen ich auf den institutionalisierten Geistlichen dankend verzichte.
Main: "Gott und die Wolffsohns – Familientheologie" – so heißt ein Kapitel im neuen Buch von Michael Wolffsohn mit dem Titel "Deutschjüdische Glückskinder", erschienen bei dtv. Michael Wolffsohn, danke Ihnen für Ihre Einschätzungen.
Wolffsohn: Ich danke Ihnen.
Gesendet wurde eine etwas kürzere Fassung. Online finden Sie hier das vollständige Interview.
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