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Weltspiele der Gelähmten 1972

Die Olympischen Sommerspiele von London sind seit einigen Tagen Geschichte, doch mit den Paralympics steht schon das nächste sportliche Großereignis auf dem Programm.

Von Daniel Westermann |
    Auch vor 40 Jahren, im Sommer ´72, war Olympia-Zeit - die Weltöffentlichkeit blickte damals nach München. Alle waren gespannt auf die "heiteren Spiele". Und kaum einer nahm Notiz von den damaligen "Weltspielen der Gelähmten".

    Bereits seit 1960 in Rom wurde nach dem olympischen Vier-Jahres-Rhythmus verfahren. "Olympia-Stadt" gleich "Weltspiele-der-Gelähmten-Stadt" – so das ambitionierte Ziel von Ludwig Guttmann, dem Begründer dieser Gelähmten-Sportbewegung.
    Die Weltspiele mussten in ihren Anfangsjahren allerdings schon herbe Rückschläge einstecken. Auch 1972 – in Deutschland.

    "Die Voraussetzungen, die in München gegeben sind, eignen sich für die Abhaltung der Spiele nicht. Die Unterkünfte, die in München im olympischen Dorf benötigt werden, sind praktisch schon eine Stunde nach den Spielen privatwirtschaftlich verplant. Es gibt keine Möglichkeit, München als Austragungsort zu wählen."

    So die offizielle und protokollarisch festgehaltene Begründung vom Nationalen Olympischen Komitee NOK aus München, die bereits Anfang 1969 formuliert wurde.
    Im November des gleichen Jahres dann aber der erste Lichtblick: der Deutsche Versehrtensportverband – DVS – entschied, sich für die Austragung und Organisation der Weltspiele verantwortlich zu zeigen.

    Die Suche nach einem Alternativstandort gestaltete sich dennoch als schwierig. Freiwillige Bewerber: Fehlanzeige!
    Rollstuhlgerechte Bedingungen auf engstem Raum in den frühen 70er Jahren der Bundesrepublik – kaum auffindbar.

    "Man ist dann auf Heidelberg gestoßen, und zwar eigentlich mehr durch Zufall, und hat festgestellt, dass in Heidelberg räumlich gesehen optimale Möglichkeiten geboten werden konnten."

    Heißt es im Protokoll weiter und Roland Vierneisel, Vorsitzender des späteren Sportausschusses im Örtlichen Komitee von Heidelberg, konkretisiert den Entscheidungsprozess noch einmal.

    "Wir haben uns nicht beworben, sondern man hat uns gefragt, können wir das bei euch veranstalten? Man ist deshalb auf Heidelberg gekommen, weil hier schon gewisse Voraussetzungen waren."

    Damit waren einerseits die Heidelberger Universitätskliniken plus das Rehabilitationszentrum für Querschnittgelähmte gemeint, die eine sehr gute medizinische Versorgung gewährleisten konnten.
    Andererseits diente das rollstuhl- und behindertengerechte Berufsförderungswerk, für die knapp 1000 Aktiven, als optimale Unterkunft.
    Und auch auf den Anlagen des Sportinstituts war alles barrierefrei angelegt – fast alles, wie Vierneisel zu berichten weiß:

    "Es waren also neue Sportstätten, die alle in hervorragender Verfassung waren – gut ausgestattet. Was noch zu machen war, war dass die Rollstuhlfahrer draußen gut zu den Wettkampfstätten hinkamen. Das heißt, dass manchmal Rampen gebaut wurden."

    Zwar mussten Nachbesserungen angestellt werden, aber dennoch bot Heidelberg aus infrastruktureller Sicht und für damalige Zeiten hervorragende Bedingungen.
    Beleg dafür auch sicherlich die überschaubaren Strecken auf den Sportanlagen.

    "Das Ganze hat sich in einem Quadrat abgespielt von 200 mal 200 Meter. Dass es also ein Fest der kürzesten Wege war."

    Als schließlich auch die Stadt mit Oberbürgermeister Reinhold Zundel, Anfang 1970, zustimmte die Weltspiele zu beheimaten, konnten die Planungen für eben dieses internationale Gelähmten-Sportfest beginnen.