Die Stimmung in der Buchbranche ist gedrückt. Kein Wunder: Es geht nicht mehr darum, ob Bücher bei Amazon oder beim Buchhändler ums Eck gekauft werden, sondern welchen Stellenwert das Buch überhaupt noch hat. Was soll man tun, wenn wie jetzt offensichtlich geworden ist, die Kunden abhandenkommen? Viele Menschen beklagen, dass sie zu wenig Zeit haben. Doch mit ihren Smartphones sind sie trotzdem beständig beschäftigt. Die Mehrzahl spricht begeistert über Filmserien, die bei Netflix gestreamt werden, kaum aber über neue Romane. Ist das nur eine Momentaufnahme oder ein Trend, der sich unaufhaltsam fortsetzt? Felicitas von Lovenberg, Verlegerin beim in München ansässigen Piper Verlag, besteht darauf, einen größeren zeitlichen Zusammenhang zu betrachten.
"Wir haben einen riesigen Boom erlebt in der Buchbranche nach der Wiedervereinigung. Wahrscheinlich war das die Hochzeit des Lesens überhaupt. Ja, jetzt gehen die Zahlen wieder runter. Man kann aber auch einfach mal sagen, dass es solche Auf und Abs in jeder Branche nun mal gibt. Aber ich glaube, wir dürfen jetzt nicht alle in Panik verfallen. Wir brauchen auch ein Selbstbewusstsein für diese Branche. Und wir müssen glauben an das, was wir tun."
Lesen ist gut für die Seele
Dieses Selbstbewusstsein könnte die Börsenvereins-Studie paradoxerweise ebenfalls befördern. Denn die Untersuchung hat auch deutlich gemacht, dass viele Menschen Bücher durchaus weiterhin schätzen. Manche sprachen gar vom "Balsam für die gestresste Seele". Der deutsche Branchenverband will genau da ansetzen, erläutert der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins Alexander Skipis.
"Wir möchten gerne weiter verdeutlichen, dass das Buch nicht nur eine zuverlässige Quelle von Informationen ist, sondern eben auch ein Ruhepol im hektischen Leben. Und ich glaube, dass wir damit viele Leserinnen und Leser zurückgewinnen können und viele halten können."
Diskutiert wird in einigen Verlagen nun auch noch nachdrücklicher, ob das Buch womöglich an Attraktivität gewinnt, wenn es Filmangeboten ähnlicher wird. Eine zweite Fraktion will hingegen gerade das Andere und Besondere an Romanen noch stärker betonen. Zu ihr gehört der Verleger Daniel Kampa, der im Vorjahr in Zürich seinen eigenen Verlag gegründet hat. Er möchte, dass Bücher literarischer werden. Sein Argument ist simpel.
"Früher war es immer schon schwierig, mit guten Büchern Geld zu verdienen. Heute ist es sogar schwierig, mit schlechten Büchern Geld zu verdienen. Also dann lieber doch mit guten Büchern versuchen, Geld zu verdienen. Wenn ein gutes Buch sich nicht gut verkauft, ist es immer noch ein gutes und schönes Buch. Wenn sich ein schlechtes Buch nicht gut verkauft, bleibt es ein schlechtes Buch, und keiner hat damit Freude."
Ein gutes Buch hat einen bleibenden Wert
Auf das qualitätsvolle Buch als Gegenwelt und Rückzugsort setzt die Verlegerin Doris Janhsen ebenfalls. Zugleich aber soll der eher auf Unterhaltung ausgerichtete Droemer Knaur Verlag auch andere Wege erproben:
"Wir sagen auch, es gehört dazu, das Buch einfach neu zu denken und den Mut zu haben, ein bisschen zu spielen und ein bisschen auch in einen Experimentiermodus zu gehen und zu sagen: Mal gucken, was dann dabei rauskommt. Denn das einzige, was man jetzt nicht tun kann, ist einfach zu verharren und zu sagen, wird schon wieder."
Nicht nervös werden, Bücher aktiv bewerben
Doch das tut in Zeiten, da die Nervosität zunimmt, kaum jemand. Felicitas von Lovenberg mahnt gerade deshalb zu einer gewissen Gelassenheit. Aber aktiv werden will auch sie. Die Piper-Verlegerin denkt dabei womöglich am radikalsten –und wirbt mit Verve für Literatur als heilsame Medizin.
"Wenn man Menschen sagt, dass wenn sie lesen, dass sie einfach geistig länger gesund bleiben, dass es ihnen besser geht, dass sie weniger anfällig sind für Depressionen, dass sie besser gerüstet durchs Leben gehen. Ich meine, viele Menschen treiben Sport, nicht weil sie es so toll finden, sondern weil sie wissen, dass es ihnen gut tut. Also wenn das jemandem hilft, wieder in die Buchhandlung zu gehen und ein Buch zu kaufen, dann muss man ihm das sagen. Wenn es nicht genügt zu sagen, dass Lesen eigentlich wunderschön ist und bildet und den Horizont erweitern und ein Vergnügen ist, wenn das nicht mehr reicht, dann müssen wir irgendwie wie früher die Zahnärzte gesagt haben, dass man halt dreimal am Tag die Zähne putzen muss, ist heute auch selbstverständlich."
Wer dachte, dass die Verlage ob der dramatischen Zahlen in lauten Kulturpessimismus verfallen, der sieht sich getäuscht. Ob Zweckoptimismus oder begründete Zuversicht – viele im Buchgeschäft hoffen, dass sich der Wind wieder dreht.