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Weltwirtschaft
"Eine klassische Großmachtrivalität zwischen USA und China"

China und die USA kämpfen um die Führungsrolle im Pazifikraum. Nach Meinung der chinesischen Führung manipulieren die USA gemeinsam mit Japan die G7-Staaten, sagte Sebastian Heilmann, Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien, im Deutschlandfunk. Und tatsächlich seien "die Europäer den amerikanischen und japanischen Positionen sehr nahe gerückt."

Sebastian Heilmann im Gespräch mit Thielko Grieß |
    Der Direktor des Mercator Instituts für China-Studien (MERICS), Sebastian Heilmann
    Der Direktor des Mercator Instituts für China-Studien (MERICS), Sebastian Heilmann, aufgenommen am 25.10.2013 in Berlin. (dpa/picture-alliance/Marco Urban)
    China und Japan streiten um eine Inselgruppe. "Das ist ein großes diplomatisches Spiel", sagte Heilmann, Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien (MERICS). "Japan und die USA dringen darauf, dass sich die G7 zu einer Position bekennt, die China in die Schranken weist." Dementsprechend käme Kritik aus Peking zu der Einflussnahme auf die fünf anderen Staaten der G7-Gruppe. China und Japan würden derzeit aufrüsten. "China spielt eine schwierige Rolle", sagte Heilmann. Das Land erhebe territoriale Ansprüche mit teils fragwürdigen historischen Belegen.
    Trotzdem gebe es in China kaum Bestrebungen, selbst Teil der Staatengruppe zu werden. "Die G7-Gruppe wird von den meisten chinesischen Kommentatoren als Runde des alten Westens gesehen, die nicht die wichtigsten Kräfte repräsentiert. China setzt auf die G20 und hält sich zurück mit dem Anspruch darauf, Teil der G7 zu sein", so Heilmann.
    Letztlich gehe es in diesem Konflikt vor allem um die Rivalität zwischen den USA und China, um die Führungsrolle in Asien und im Pazifik. "China sieht diesen asiatischen Raum als natürlichen Vorhof für die eigene Machtentfaltung an", sagte Heilmann. "Diese Spannung ist eine klassische Großmachtrivalität zwischen der alten dominierenden Macht USA und dem Aufsteiger China."

    Das Interview in voller Länge:
    Thielko Grieß: Japan, haben wir gehört, setzt eine asiatisch-pazifische Agenda bei diesem Treffen der G7 im eigenen Land. Und nicht am Tisch sitzt, aber doch mit berücksichtigt werden muss der andere große Spieler in dieser Region Asien/Pazifik, nämlich China. Darüber wollen wir jetzt in den kommenden Minuten sprechen mit Sebastian Heilmann, Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien in Berlin. Herr Heilmann, guten Morgen!
    Sebastian Heilmann: Guten Morgen, Herr Grieß!
    Grieß: Beansprucht China eigentlich einen Platz in dieser Runde der G7?
    Heilmann: Die G7 wird von den meisten chinesischen Kommentatoren eigentlich als Runde des alten Westens gesehen. Das heißt, das ist eine Runde, die nicht wirklich die Weltöffentlichkeit und die wichtigsten Kräfte in der Weltpolitik repräsentieren kann. China setzt ganz eindeutig auf die G20 und hält sich sehr zurück mit dem Anspruch, auch in die G7 aufgenommen zu werden, wie das früher etwa Russland betrieben hat.
    Grieß: Das Interesse daran ist nicht groß, oder ist das eher ein Argument dafür, dass die G7 doch nicht so wichtig sind, wie sie sich nehmen?
    Heilmann: Die G7 ist wichtig aus chinesischer Sicht, aber das ist in gewisser Weise ein Stachel im Fleisch der chinesischen Sicht auf die internationalen Beziehungen, weil die G7 natürlich den alten Westen des Kalten Krieges repräsentiert, so oft die Auffassung in China. Und gern will China dazugehören zu den Mächtigsten, das schmeichelt also schon den Chinesen, wenn Vorschläge kommen, auch aus westlichen Staaten, dass China eigentlich in die G7 gehört, wie auch Russland vor einer Weile. Das sind Diskussionen, die geführt werden, aber letztlich sagt China, die G20 ist das geeignete Forum, und da müssen wir drauf setzen.
    "Das ist wirklich ein großes diplomatisches Spiel"
    Grieß: Wir wissen aus den vergangenen Monaten, dass China und Japan streiten um eine Inselgruppe, darum geht es ganz konkret. Aber es geht natürlich auch um Militärmacht und um Aufrüstung. Beide Länder rüsten auf. Wie begleitet China rhetorisch den Auftakt dieses G7-Gipfels beim Konkurrenten in Japan?
    Heilmann: Das ist wirklich ein großes diplomatisches Spiel, was da stattfindet, ein regelrechter Tanz. Denn es ist so, dass Japan und die USA darauf dringen, dass die gesamte G7 sich zu einer Position bekennt, die China in die Schranken weist. Aus chinesischer Sicht heißt das, dass die Japaner und die Amerikaner dabei sind, die Europäer an Bord zu holen, um China im Grunde einzudämmen, um den Aufstieg, den unaufhaltsamen Aufstieg, natürlichen Aufstieg Chinas in diesem ostasiatischen Raum einzudämmen. Und da gibt es sehr viel Kritik und harte Töne momentan aus Peking, dass Japan und die USA im Grunde da versuchen, die G7 zu manipulieren.
    Grieß: China investiert seit Jahren mehr ins Militär, von Jahr zu Jahr. Die letzte Erhöhung beträgt zwischen sieben bis acht Prozent, jedenfalls nach offiziellen Zahlen aus China. Manch einer im Westen bezweifelt diese Zahlen und meint, die lägen in Wahrheit doch noch deutlich höher. Wozu dient das, Abschreckung oder möglicher Einsatz?
    Heilmann: China hat jetzt die wirtschaftlichen Möglichkeiten und auch die militärischen Möglichkeiten, über die eigenen Landesgrenzen hinauszudenken. Das ist neu, denn in den Jahrzehnten zuvor, seit Deng Xiaoping war ja Zurückhaltung in den internationalen Beziehungen die offizielle Doktrin. Das ist jetzt seit zwei, drei Jahren wirklich abgelegt. Es geht darum, China als, wie die Chinesen sagen, verantwortliche Großmacht in die internationalen Beziehungen einzuführen, auf gleicher Augenhöhe auch mit den USA und mit anderen Mächten. Und dazu dient natürlich auch diese militärische Aufrüstung. Das, was alle drumherum in Asien, die Nachbarn vor allem, sehr nervös macht, ist natürlich, dass diese Aufrüstung besonders stark im Bereich der Marine stattfindet und dass das verbunden ist mit einigen Territorialstreitigkeiten im Ostchinesischen, Südchinesischen Meer, sodass viele Nachbarn wirklich wachsende Spannungen mit China eindeutig aushalten müssen, auch wenn das nicht immer diplomatisch so offen artikuliert wird. Das heißt also, dass diese Aufrüstung tatsächlich zu erheblicher Nervosität und zu Schwierigkeiten in der Nachbarschaft Chinas führt.
    "Es geht um die Rivalität der USA und Chinas"
    Grieß: Wagen wir uns an eine Einschätzung, Herr Heilmann, an eine Bewertung. Wessen Aufrüstung ist womöglich bedrohlicher, die Chinas oder die Japans einschließlich der Präsenz des Verbündeten, der Vereinigten Staaten?
    Heilmann: Ich würde sagen, dass China tatsächlich in den letzten Jahren eine sehr schwierige Rolle spielt in der Region, weil sie im Grunde die Ausweitung territorialer Kontrolle betreiben von Peking aus, die mit recht zweifelhaften historischen Ansprüchen begründet werden. Und das ist etwas, was natürlich aus der Sicht auch des internationalen Rechts sehr schwer zu halten ist, deswegen momentan auch der Streit im Rahmen der Seerechtskonvention, wo die Philippinen geklagt haben gegen China wegen einer Inselgruppe im Südchinesischen Meer. Das heißt, dass ich hier schon eindeutig sehen würde, dass die chinesische Seite ihre Position verändert hat, dass die militärische Balance dort momentan in Veränderung gerät und dass viele der Spannungen, die entstanden sind, wirklich auch durch diplomatische Vorstöße Chinas ausgelöst wurden. Natürlich muss man klar sagen, ist die japanische Innenpolitik dann in Reaktion auf all die Veränderungen auch in eine Verhärtung hineingeraten. Das heißt, es spielt sich momentan hoch, und letztlich geht es aber um eine große Geschichte. Es geht um die Rivalität der USA und Chinas um diese Führungsrolle im Asien-Pazifik, und China sieht diesen asiatischen Raum halt als natürlichen Vorhof für die eigene Machtentfaltung an. Das heißt, was wir hier sehen, und Japan ist davon abgeleitet, diese Spannung, ist im Grunde eine klassische Großmachtrivalität zwischen der alten, dominierenden Macht der USA und dem Aufsteiger China.
    Grieß: Was bedeutet diese klassische Rivalität, wie Sie es nennen, für den Kontinent der Klassik, für Europa?
    Heilmann: Die Europäer müssen sich jetzt tatsächlich positionieren in dieser Rolle. Die Europäer haben intensive und breit aufgestellte Wirtschaftsbeziehungen mit China, ein starkes Interesse, da nichts zu verändern. Aber auf der anderen Seite – und das Bemerkenswerte im Rahmen der G7, vor allem die Außenminister haben das deutlich artikuliert – haben die Europäer tatsächlich sich jetzt doch bekannt zu der Position, die die USA und Japan vortragen, dass einseitige Maßnahmen, die sozusagen der territorialen Kontrolle, der Ausweitung dieser Kontrolle dienen, im Ostchinesischen und Südchinesischen Meer, dass die nicht hinzunehmen sind, dass das internationale Recht und Seerecht da Vorrang haben muss und dass China natürlich, das wird nicht genannt namentlich, aber es ist jedem klar, wer der betroffene Akteur dort ist, dass China sich halten muss auch an Schiedssprüche von internationalen Gerichten, die momentan jetzt anhängig sind, für den Juni zu erwarten sind in dieser Frage des Südchinesischen Meers. Das heißt also, dass die Europäer hier überraschenderweise eigentlich sehr nahegerückt sind den Positionen, die die Amerikaner und Japaner in diesen Streitigkeiten mit China vertreten.
    "Es ist im Grunde jetzt eine Grundsatzfrage"
    Grieß: Woran liegt das?
    Heilmann: Ich glaube, dass die Meinungsbildung da vorangekommen ist an vielen Stellen. Es ist im Grunde jetzt eine Grundsatzfrage, ob es gelingt, China in diese internationalen, multilateralen Regelwerke einzubinden. Und die Auffassung in vielen europäischen Hauptstädten, selbst in London, ist, dass, wenn wir diesen Zeitpunkt jetzt verpassen, wenn wir China sozusagen da vom Haken lassen und rauslassen aus diesen internationalen Regularien, dass wir dort wirklich dann eine völlig regellose Situation auf einmal haben. Das heißt, es geht hier um eine Grundsatzfrage, dass in der Sicherheitspolitik nach Regeln gespielt wird und dass das Völkerrecht Geltung erhält. Und da sind sich diese Mächte in der G7 offenbar doch sehr weitgehend einig. Die Stellungnahmen sind recht konsistent, muss ich sagen, und die Außenministerstellungnahme im April war schon sehr scharf, und China hat entsprechend auch dann scharf reagiert darauf.
    Grieß: Sebastian Heilmann, der Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien, aus Berlin. Danke schön, Herr Heilmann!
    Heilmann: Danke schön, Herr Grieß!
    Grieß: Einen schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.