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Welzer vs. Töpfer
Klimaschutz: Sind wir alle Öko-Heuchler?

Das Klima zu schützen, halten viele Deutsche für eine gute Idee. Theoretisch zumindest. Kaum einer bestreitet, dass es gut wäre, weniger Auto zu fahren, seltener zu fliegen und generell beim Konsum auf die Bremse zu treten. Doch sobald es konkret wird, machen die meisten einen Rückzieher. Darüber diskutieren Harald Welzer und Klaus Töpfer.

Am Mikrofon: Ralf Krauter |
    Harald Welzer (links) und Klaus Töpfer in einer Bildkombo
    Harald Welzer (links) und Klaus Töpfer in einer Bildkombo (üicture alliance / dpa / Hirschberger / Burgi)
    Sobald wir unser persönliches Verhalten ändern müssten, verlieren wir schnell die Lust am Kampf gegen die Erderwärmung. Lieber machen wir weiter wie bisher und beruhigen unser Gewissen mit Ersatzhandlungen, die keinem wehtun. Wir spenden für Klimaschutzprojekte, um die Kohlendioxid-Emissionen von Flugreisen zu kompensieren. Und wir sind stolz darauf, bei den tonnenschweren Spritschluckern, mit denen wir unsere Kinder zur Schule fahren, in modernste Abgasfiltertechnik investiert zu haben - die aber leider den CO2-Ausstoß kein Bisschen drosselt. Wir fühlen uns gut, ohne wirklich etwas zu ändern. Wir werden aktiv, ohne etwas zu bewirken. Sind wir scheinheilig beim Klimaschutz? Darüber streiten Klaus Töpfer und Harald Welzer.
    Klaus Töpfer gehört zu den profiliertesten Umweltpolitikern in Deutschland. Er war Bundesumweltminister im Kabinett von Helmut Kohl und langjähriger Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP.
    "Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist eine Erfolgsgeschichte"
    "Klimapolitik ist nicht eine nationale Aufgabe, sondern wir müssen sie global denken. Wenn wir uns hier in Deutschland eine Technologie ausdenken, die uns tatsächlich in die Lage versetzt, dahin zu kommen, dass wir keine CO2-Emission mehr haben, aber einen Weg einschlagen, den alle anderen in der Welt nicht gehen können oder die meisten nicht, nämlich die, die in ihrer Bevölkerungszahl anwachsen, dann haben wir nicht sehr viel Sinnvolles getan. (…) Wir haben gehandelt, anderen, auch der Welt insgesamt, eine Energietechnik wettbewerbsfähig zu machen, die, als wir anfingen, alles andere war – nur nicht wettbewerbsfähig. Jetzt haben wir eine Situation in der Welt, in der mehr in erneuerbare Energien investiert wird als in konventionelle. Das ist auf der Haben-Seite. (…) Wir sollten ein bisschen stolz darauf sein in Deutschland, dass es uns gelungen ist, so etwas als neue durchbrechende Technik in der Welt wirklich zu etablieren."
    Harald Welzer ist Soziologe, Buchautor und Gründer der Stiftung Futurzwei, die sich für eine zukunftsfähige und enkeltaugliche Gesellschaft einsetzt.
    "Emissionsreduzierung und Wirtschaftswachstum gehen nicht zusammen"
    Große Klimakonferenzen wären sinnvoller, "wenn man über einen Sachverhalt mal offen reden würde: nämlich, dass es einen eklatanten Widerspruch zwischen dem Anspruch auf Emissionsreduzierung und dem Anspruch auf ständig steigendes Wirtschaftswachstum" gibt. "Wir diskutieren darüber, dass man Emissionen nach unten bringt, am besten bis 2050 auf Null, und gleichzeitig diskutieren wir aber darüber, dass Autos bitte immer größer werden sollen, Flieger immer häufiger benutzt werden sollen, mehr Flughäfen auf der Welt, mehr Kreuzfahrten, mehr Produkte, kürzere Produktzyklen etc. etc. Wenn wir über Heuchelei sprechen, dann sind die Bürgerinnen und Bürger eher der Mittelteil eines Sandwiches und wissen häufig nicht, wie sie sich verhalten sollen. Aber das Problem liegt darin, dass das Primat nach wie vor bei der Ökonomie liegt. Und so etwas wie Ökologie und Klimaschutz im weiteren Sinne kommt immer hintendran. Da haben wir eine Lebenslüge erfunden, die so tut, als würde schon etwas fürs Klima getan sein, wenn man hinreichend viele Konferenzen macht und ansonsten irgendwo Ecotech oder sowas hinten auf den Porsche Cayenne klebt."