Der Nordpol sei ein Punkt inmitten eines kalten Meeres: Treibeis, 4.000 Meter Wassertiefe, Finsternis für drei Monate im Jahr, beschreibt Michael Byers von der University of British Columbia in Vancouver:
"Der Nordpol liegt mehr als 650 Kilometer von der nächsten Küste entfernt und weit außerhalb jeder nationalen Wirtschaftszone. Er ist auf Hoher See, niemand wird je die Meeresoberfläche am Nordpol oder das Wasser besitzen können."
Worauf Russland, Dänemark und Kanada Ansprüche erheben, ist etwas anderes, erläutert Jon Rahbek-Clemmensen von der Universität Süddänemarks:
"Die ganze Debatte dreht sich um Gebirge am Meeresboden, vor allem um den 1.800 Kilometer langen Lomonossow-Rücken. Der erstreckt sich vom Norden Kanadas und Grönlands her über den Nordpol hinweg bis vor Russland. Nach dem UN-Seerechtsübereinkommen können Staaten den Meeresboden entlang solcher Gebirge beanspruchen, falls diese geologisch direkt mit ihrem Territorium verbunden sind. Dann sind sie Teil ihres Kontinentalschelfs, also der vom Meer überfluteten Randzonen eines Kontinents. Kanada sieht im Lomonossow-Rücken eine untermeerische Fortsetzung Nordamerikas, Dänemark eine Grönlands und Russland eine Nordasiens."
Durch den Klimawandel und das schmelzende Eis ist der Arktische Ozean ins Interesse der Rohstoffsucher gerückt. 2008 hatte der US-amerikanische Geologische Dienst vermutet, dass rund ein Fünftel aller unentdeckten Öl- und Gas-Ressourcen der Welt in der Arktis liegen. Auch wenn die Gegend um den Nordpol selbst nicht vielversprechend aussieht, sollen Geologen nun die Besitzverhältnisse klären. Dabei arbeiteten die Staaten zusammen, urteilen die beiden Juristen:
"Anders als in den Medien dargestellt, kooperieren die Länder. Sie kooperieren bei der Datensammlung und tauschen Daten aus, so, wie es das UN-System vorsieht."
"Die Länder kooperieren stark miteinander"
"So haben Kanada und Dänemark für die Erhebung wissenschaftlicher Daten am Nordpol einen Eisbrecher gechartert, der einem russischen staatseigenen Betrieb gehört. Die Länder kooperieren stark miteinander."
Ohnehin sei die Aufteilung des Arktischen Ozeans fast überall unstrittig. Bei den Anträgen Russlands und Dänemarks gebe es nur eine schmale Überlappungszone - eben den Lomonossow-Rücken: Den reklamieren beide Staaten aufgrund der geologischen Befunde für sich. Wie der kanadische Antrag bei der UN-Kommission zur Begrenzung der Kontinentalschelfe in New York genau aussehen wird, ist noch offen:
"Die Kommission wird die drei Anträge begutachten. Als erstes wird wohl über den russischen entschieden, denn Russland hatte 2001 einen Antrag gestellt, der jedoch wegen schlechter Begründung abgewiesen wurde. Das Verfahren selbst jedoch endet nicht mit dem Urteil der Kommission. Wenn sie erklärt, dass die Anträge wissenschaftlich ausreichend begründet sind, müssen sich die Länder zusammensetzen und gemeinsam über die Grenzziehung entscheiden."
Und Jon Rahbek-Clemmensen glaubt, dass die drei Länder die Sache möglichst ohne großen Streit vom Tisch haben wollen. Auch Russland, denn das kann ohne die technologische Hilfe anderer nicht einmal die Bodenschätze direkt vor der eigenen arktischen Küste ausbeuten. Michael Byers:
"Als vor einigen Jahren das Forschungs-U-Boot Mir 1 eine russische Flagge auf den Meeresboden des Nordpols aussetzte, bezeichnete der russischen Außenminister die Aktion nach internationalen Protesten als reine PR-Nummer - Wahlkampf eben. Während Russland die internationalen Regeln beachtet, spielt das Land - genau wie übrigens die anderen auch - für das heimische Publikum ein anders Spiel. Man muss hier Innenpolitik und internationale Diplomatie unterscheiden."
Die Arktis sei so groß und so lebensfeindlich für Menschen, dass jeder Staat über einen Krieg dort Bankrott gehen würde: Kooperation sei für alle Anrainer billiger und einfacher. Und Jon Rahbek-Clemmensen betont:
"Die größte Herausforderung werde es sein zu vermeiden, dass sich zu Hause eine Opposition gegen die friedliche Einigung auf verbindliche Landesgrenzen am Ozeanboden aufbaut."