"Wir sind das Volk, wir sind das Volk!"
Herbst 1989 in Leipzig. Die Rufe "Keine Gewalt" und "Wir sind das Volk" schallen jeden Montag durch die Straßen der sächsischen Stadt, werden zu den Kernsätzen der friedlichen Revolution. Doch wem gehört eine politische Losung?
"Wir sind das Volk, das ist Volkseigentum, das darf niemand für sich beanspruchen. Das Wort steht für 1989 Leipzig, keine Gewalt, die Kernlosungen der friedlichen Revolution, die sind unantastbar","
sagt Christian Führer, damals Pfarrer in der Leipziger Nikolaikirche und Initiator der Friedensgebete. Tobias Hollitzer, Geschäftsführer des Bürgerkomitees Leipzig, sieht das ähnlich. Er war dabei - damals und leitet jetzt das Museum "An der Runden Ecke" in Leipzig, dem ehemaligen Sitz der Bezirksverwaltung der Saatsicherheit. Ein riesiges Plakat weist vor dem alten Gebäude auf die laufende Sonderausstellung hin: Leipzig auf dem Weg zur friedlichen Revolution. Der Schriftzug darunter "Wir sind das Volk" sieht handgeschrieben aus, wie damals 1989 auf den Plakaten oder Bannern:
""Der Spruch, die Losung, die Aussage 'Wir sind das Volk' gehört der Allgemeinheit, Punkt. Und gehört weder einer rechten noch einer linken Gruppierung. Denn die Versuche, die Losungen und auch die Kraft der Montagdemonstrationen für heutige politische Aktionen zu verwenden, die finden wir ja im rechten als auch im linken Spektrum"
"Wir sind das Volk" geht immer. Wie ein guter Werbeslogan - der passt vermeintlich für alle und alles. Die kommunistische Partei DKP hatte sich bereits des Spruchs bedient, genauso wie der Neonazi Christian Worch, der schon vor mehr als zehn Jahren Großdemos in Leipzig veranstaltete - Motto: Wir sind das Volk. Das wollten die ehemaligen Bürgerrechtler nicht länger hinnehmen. Christian Führer beantragte gemeinsam mit zwei Mitstreitern Markenschutz für die Losung. Ein völlig untaugliches Mittel, um den Spruch vor politischem Missbrauch zu schützen, weiß er heute:
"Wir haben das Richtige gewollt, waren aber mit dem Markenrecht nicht genügend vertraut und wurden dann irgendwann mal belehrt, dass man mit diesem Markenschutz nur verhindern kann, dass nicht irgendwann mal auf einer Würstchendose steht 'Wir sind das Volk'. Das könnten wir dann verhindern."
Aber die Verwendung im Rahmen einer genehmigten politischen Veranstaltung - ganz gleich welcher Art - eben nicht. So war es damals, und so ist es auch heute. Inhaberin der Markenrechte neben Pfarrer Führer war in der Zwischenzeit die Stadt Leipzig geworden - und die ist den Markenschutz für den Spruch nun los. Ausgerechnet eine ehemalige Bürgerrechtlerin hat ihn beim Patentamt löschen lassen. Das war kein Problem, weil die Stadt Leipzig ihre Markenrechte nie in Anspruch genommen hat. Stadtsprecher Matthias Hasberg schüttelt sich, wenn er über Kulis, T-Shirts oder Tassen mit "Wir sind das Volk"-Sprüchen nur nachdenken soll:
"Man kann mit diesem Satz keine Geschäfte machen, das ist tiefste Überzeugung der Stadt. Das ist unwürdig und der Sache auch komplett fremd, das geht nicht. Diesen Slogan zu vermarkten und damit Geld zu verdienen, schließt sich aus."
Jedenfalls für die Stadt Leipzig. Jetzt ist eine rechtspopulistische Splittergruppe aus dem schleswig-holsteinischen Norderstedt Markeneigentümer des Spruchs - allerdings als sogenannte Wort-Bild-Marke mit einem Reichsadler als Zusatz. Ob diese Gruppe nun Tassen oder T-Shirts vertreiben will, weiß zurzeit niemand. Matthias Hasberg bleibt deshalb erst mal entspannt:
"Es ist unerfreulich, klar, dass so eine politische Splittergruppe ein Vermarktungsrecht an diesem Satz hat. Auf der anderen Seite sind wir überzeugt, dass dieser Satz so stark ist und so aufs Engste mit Leipzig verbunden ist, dass, glaube ich, kein normaler Mensch 'Wir sind das Volk' mit irgendwelchen politischen Populisten aus Norderstedt assoziieren würde."
Die Leipziger selber schon gar nicht. Die ganze Diskussion halten viele für überzogen. Für den größeren Ärger sorgen vielmehr das für viele völlig unverständliche Markenrecht und das Verhalten des Patentamts:
"Ich finde es überhaupt komisch, dass man für so was irgendwelche Rechte geltend machen muss. Ich halte das für völlig unmöglich, das sind typische Bürokraten, die leider in dem sehr sensiblen Fall einfach nicht drüber nachdenken."
Zumal sich die Bürgerrechtlerin, die den Markenschutz auf den Satz löschen ließ, ihn auf ihren Namen schützen lassen wollte - und damit bei der Außenstelle des Patentamts in Jena scheiterte. Zurzeit werden die rechtlichen Aspekte dieser Posse nun von fast allen Beteiligten geprüft. Tobias Hollitzer vom Bürgerkomitee hat den Gesetzgeber aufgefordert, solchen Auswüchsen des Markenrechts einen Riegel vorzuschieben. Den Spruch "Wir sind das Volk" können seiner Meinung nach aber keine Gesetze schützen, sondern nur die Menschen selbst:
"Die Diskussion ist völlig abwegig, und sie lenkt davon ab, dass einzig und allein ein vernünftiger, offener und ehrlicher und mit Engagement geführter gesellschaftlicher Einsatz und Diskussion für diesen Spruch und für die Werte der friedlichen Revolution sie schützen können. Punkt."
Herbst 1989 in Leipzig. Die Rufe "Keine Gewalt" und "Wir sind das Volk" schallen jeden Montag durch die Straßen der sächsischen Stadt, werden zu den Kernsätzen der friedlichen Revolution. Doch wem gehört eine politische Losung?
"Wir sind das Volk, das ist Volkseigentum, das darf niemand für sich beanspruchen. Das Wort steht für 1989 Leipzig, keine Gewalt, die Kernlosungen der friedlichen Revolution, die sind unantastbar","
sagt Christian Führer, damals Pfarrer in der Leipziger Nikolaikirche und Initiator der Friedensgebete. Tobias Hollitzer, Geschäftsführer des Bürgerkomitees Leipzig, sieht das ähnlich. Er war dabei - damals und leitet jetzt das Museum "An der Runden Ecke" in Leipzig, dem ehemaligen Sitz der Bezirksverwaltung der Saatsicherheit. Ein riesiges Plakat weist vor dem alten Gebäude auf die laufende Sonderausstellung hin: Leipzig auf dem Weg zur friedlichen Revolution. Der Schriftzug darunter "Wir sind das Volk" sieht handgeschrieben aus, wie damals 1989 auf den Plakaten oder Bannern:
""Der Spruch, die Losung, die Aussage 'Wir sind das Volk' gehört der Allgemeinheit, Punkt. Und gehört weder einer rechten noch einer linken Gruppierung. Denn die Versuche, die Losungen und auch die Kraft der Montagdemonstrationen für heutige politische Aktionen zu verwenden, die finden wir ja im rechten als auch im linken Spektrum"
"Wir sind das Volk" geht immer. Wie ein guter Werbeslogan - der passt vermeintlich für alle und alles. Die kommunistische Partei DKP hatte sich bereits des Spruchs bedient, genauso wie der Neonazi Christian Worch, der schon vor mehr als zehn Jahren Großdemos in Leipzig veranstaltete - Motto: Wir sind das Volk. Das wollten die ehemaligen Bürgerrechtler nicht länger hinnehmen. Christian Führer beantragte gemeinsam mit zwei Mitstreitern Markenschutz für die Losung. Ein völlig untaugliches Mittel, um den Spruch vor politischem Missbrauch zu schützen, weiß er heute:
"Wir haben das Richtige gewollt, waren aber mit dem Markenrecht nicht genügend vertraut und wurden dann irgendwann mal belehrt, dass man mit diesem Markenschutz nur verhindern kann, dass nicht irgendwann mal auf einer Würstchendose steht 'Wir sind das Volk'. Das könnten wir dann verhindern."
Aber die Verwendung im Rahmen einer genehmigten politischen Veranstaltung - ganz gleich welcher Art - eben nicht. So war es damals, und so ist es auch heute. Inhaberin der Markenrechte neben Pfarrer Führer war in der Zwischenzeit die Stadt Leipzig geworden - und die ist den Markenschutz für den Spruch nun los. Ausgerechnet eine ehemalige Bürgerrechtlerin hat ihn beim Patentamt löschen lassen. Das war kein Problem, weil die Stadt Leipzig ihre Markenrechte nie in Anspruch genommen hat. Stadtsprecher Matthias Hasberg schüttelt sich, wenn er über Kulis, T-Shirts oder Tassen mit "Wir sind das Volk"-Sprüchen nur nachdenken soll:
"Man kann mit diesem Satz keine Geschäfte machen, das ist tiefste Überzeugung der Stadt. Das ist unwürdig und der Sache auch komplett fremd, das geht nicht. Diesen Slogan zu vermarkten und damit Geld zu verdienen, schließt sich aus."
Jedenfalls für die Stadt Leipzig. Jetzt ist eine rechtspopulistische Splittergruppe aus dem schleswig-holsteinischen Norderstedt Markeneigentümer des Spruchs - allerdings als sogenannte Wort-Bild-Marke mit einem Reichsadler als Zusatz. Ob diese Gruppe nun Tassen oder T-Shirts vertreiben will, weiß zurzeit niemand. Matthias Hasberg bleibt deshalb erst mal entspannt:
"Es ist unerfreulich, klar, dass so eine politische Splittergruppe ein Vermarktungsrecht an diesem Satz hat. Auf der anderen Seite sind wir überzeugt, dass dieser Satz so stark ist und so aufs Engste mit Leipzig verbunden ist, dass, glaube ich, kein normaler Mensch 'Wir sind das Volk' mit irgendwelchen politischen Populisten aus Norderstedt assoziieren würde."
Die Leipziger selber schon gar nicht. Die ganze Diskussion halten viele für überzogen. Für den größeren Ärger sorgen vielmehr das für viele völlig unverständliche Markenrecht und das Verhalten des Patentamts:
"Ich finde es überhaupt komisch, dass man für so was irgendwelche Rechte geltend machen muss. Ich halte das für völlig unmöglich, das sind typische Bürokraten, die leider in dem sehr sensiblen Fall einfach nicht drüber nachdenken."
Zumal sich die Bürgerrechtlerin, die den Markenschutz auf den Satz löschen ließ, ihn auf ihren Namen schützen lassen wollte - und damit bei der Außenstelle des Patentamts in Jena scheiterte. Zurzeit werden die rechtlichen Aspekte dieser Posse nun von fast allen Beteiligten geprüft. Tobias Hollitzer vom Bürgerkomitee hat den Gesetzgeber aufgefordert, solchen Auswüchsen des Markenrechts einen Riegel vorzuschieben. Den Spruch "Wir sind das Volk" können seiner Meinung nach aber keine Gesetze schützen, sondern nur die Menschen selbst:
"Die Diskussion ist völlig abwegig, und sie lenkt davon ab, dass einzig und allein ein vernünftiger, offener und ehrlicher und mit Engagement geführter gesellschaftlicher Einsatz und Diskussion für diesen Spruch und für die Werte der friedlichen Revolution sie schützen können. Punkt."