In den frühen Neunzigern, ich war endlich klar im Kopf und runter von Alkohol und Koks, habe ich die Bücher meines Vaters noch einmal gelesen. Die Wirkung war wie ein Schwall Eiswasser, der mich ins Gesicht traf. Ein Buch war besser als das andere. Das Zeug war großartig. Dann wurde mir klar: ER IST TOT. UND NIEMANDEN INTERESSIERT ES. NIEMAND WIRD JE DAS WERK JOHN FANTES ZU WÜRDIGEN WISSEN. Es war ein leerer grässlicher Gedanke.
John Fante starb 1983 in Kalifornien. Der literarische Erfolg blieb ihm Zeit seines Lebens versagt. Deshalb begab er sich dorthin, wo Autoren "getötet" werden – wie er es einmal in einem Brief an seinen Lektor ausdrückte -, in die Hölle Hollywoods. Seit 1959 litt er an einer Zuckerkrankheit, in deren Folge er 1978 erblindete. Seinen letzten Roman musste er seiner Frau in die Schreibmaschine diktieren.
Das Buch seines Sohnes Dan heißt "Chump Change – aus einem verschütteten Leben" und ist eine aufrichtige Hommage an seinen Vater, eine Auseinandersetzung mit dem Tod, der Vergangenheit und dem ruinösen Einfluss der Gegenwart, die nur mit billigen Betäubungsmitteln zu ertragen ist. Doch zum Schluss gibt es sogar so etwas wie einen Hoffnungsschimmer. Vielleicht ist diese Welt ja doch nicht nur eine moderne Version von Dantes Inferno. Es gibt Trost. Und es gibt Poesie. Es gibt die Bücher von John Fante. In einer der berührendsten Szenen des Romans versucht Bruno Dante einen schnöseligen Buchhändler davon zu überzeugen, dass sein soeben verstorbener Vater ein wunderbarer Schriftsteller war:
"Es wird Sie umhauen. Mich haut es immer noch um."
Er sah mich skeptisch an. Er war der Experte. Er kannte seinen Bestand. Ich vergeudete seine Zeit.
Das Buch, um das es in dem Dialog geht, heißt "Frag den Wind" – sein bestes, findet Bruno Dante. "Ask the Dust" heißt es in Wirklichkeit und ist John Fantes frühes Meisterwerk. 1939 erschien der Roman zum ersten Mal. Der Autor war gerade dreißig Jahre alt. Jetzt ist die Geschichte eines Jungdichters und italo-amerikanischen Nachfahren des jungen Werthers unter dem Titel "Ich – Arturo Bandini" neu auf Deutsch erschienen.
Bandini, ein von seinem Dichtertalent überzeugter Sohn italienischer Einwanderer, hat gerade seine erste Story in einer Zeitschrift untergebracht, haust in einem billigen Hotel und will vor allem eines:
Eine Liebesgeschichte schreiben, das Leben kennen lernen."
Und genau das tut er im Laufe des Romans. Er verliebt sich, natürlich unglücklich, in die mexikanische Kellnerin Camilla und schreibt, stets schwankend zwischen Größenwahn und Selbstzerstörung, einen Roman. Übersetzt hat diese Geschichte der Schweizer Schriftsteller Alex Capus.
Was man aber sagen muss, dass John Fante nicht nur den Blick aufs Individuum hat, sondern er hat auch einen sehr klaren Blick für die sozialen Realitäten, für dieses vielfältige menschliche Strandgut, das sich da im Westen der USA an der Küste, wo es einfach nicht mehr weiter nach Westen geht, ansammelt. Alle diese entwurzelten Menschen, die glauben, jetzt seien sie im Paradies angekommen nur weil an 365 Tagen die Sonne scheint, aber in Tat und Wahrheit sind sie völlig verloren und werden allmählich zugedeckt vom Wüstenstaub, der stetig herüberweht.
Insgesamt hat John Fante neben etlichen Erzählungen und Drehbüchern acht Romane geschrieben. Vier davon handeln von der italienischen Einwandererfamilie Bandini. Wie die Bandinis stammten auch John Fantes Eltern aus Süditalien und lebten in Colorado. Sein Vater arbeitete wie Svevo Bandini, das Oberhaupt der Familie, als Maurer. Und wie dieser hasste er gewiss auch den Winter, weil in der Kälte der Zement gefror und er kein Geld verdienen konnte.
Und der Lebensmittelhändler schaut ihn schon ganz schief an, weil er dauernd anschreiben lassen muss, den ganzen Winter über usw. Und die Mutter war ein bildhübsches Mädchen, bevor sie geheiratet haben, und jetzt ist sie klein und mager und leer gesogen von ihren drei Söhnen, die sie hat. Und die Jungs sind natürlich auch Italiener, aber wollen alle Amerikaner werden und wollen alle große, blonde Freundinnen haben, das sind die Ideale, nicht die Italienermädchen. Aber wenn’s dann wirklich um die Liebe geht, dann lieben sie dann trotzdem Mädchen, die Rosanna und Josephina heißen. Das ist der Zwiespalt, in dem sie leben. Sie wollen nichts als nur weg von ihrem popeligen Itakerzuhause, beschimpfen einander selbst auch als Spaghettifresser und Itaker usw. Und sie wollen weiß und groß und blond werden und in Los Angeles leben. So, das ist die Sehnsucht, die sie haben.
"Italienische Frauen bekommen in einem bestimmten Alter dünne Beine, dicke Bäuche und Hängebrüste. Ob Rosa Pinelli mit vierzig Jahren ebenso dünne Beine und einen ebenso dicken Bauch haben würde wie Mamma? Das konnte er sich nicht vorstellen. Zauberhafte Rosa! Da wäre es besser, wenn sie vorher starb. Sie sollte an einer schweren Krankheit sterben, das wäre schön. Jahre später würde ihm dieses Mädchen wieder einfallen – vielleicht gerade in dem Augenblick, da er im Yankee-Stadion den tosenden Applaus der Menschenmenge entgegennahm. Aber dann würde er sich wieder dem Publikum zuwenden und würde den Frauen zunicken, seinen Frauen, die übrigens alle groß und blond und schlank waren. Keine einzige Italienerin unter ihnen.
In dem letzten auf Deutsch erschienenen Roman von John Fante "Warte auf den Frühling Bandini" geraten die Bandinis in der winterlichen Eiseskälte von Colorado in eine tiefe Krise. Der durch seine saisonbedingte Arbeitslosigkeit tief deprimierte Svevo Bandini beginnt kurz vor Weihnachten ein Verhältnis mit einer reichen amerikanischen Witwe. Seine Frau verfällt in eine Art Starrkrampf und die drei Söhne sind sich für ein paar Tage selbst überlassen. Wie in dieser Situation jeder versucht, seinen Anstand zu bewahren, das beschreibt John Fante mit großer Anteilnahme am Schicksal seiner Figuren. Und Alex Capus gelingt es mit einem großartigen Gespür für die feine Ironie und bildhafte Poesie John Fantes dessen Geschichten ins Deutsche zu übertragen. Die vorherigen Übersetzer haben seiner Meinung nach einen entscheidenden Fehler gemacht.
Ich glaube, durchgängig alle, soweit ich’s überblicke, haben John Fantes Sprache als Slang übersetzt, zuweilen sogar zotig. Und das ist John Fante nie. Im Gegenteil, der hat sogar dieses Gestelzte, was ein Einwanderer haben kann, wenn er herzeigen will, dass er die Sprache dann schon gut beherrscht, dass er auch so schön reden kann wie die richtigen Amerikaner, dann ist er ein bisschen gestelzt und zeigt ein bisschen her, wie schön er’s kann. Und das habe ich versucht zu übertragen, aber auf alle Fälle ist es falsch, ihm eine zotige Sprache unterzuschieben. Das gibt’s nie. Man darf nicht vergessen, dass Fante sehr katholisch war und dass er bestimmt sehr gefürchtet hat, dass seine Mamma die Bücher liest, die er schreibt, und dass sie ihn dann ausschimpfen würde, wenn er unanständige Ausdrücke verwenden würde.
Eine weitere Fante-Übersetzung von Alex Capus ist bereits geplant. Capus reiht sich damit ein in die Riege der bekennenden John-Fante-Bewunderer, deren größter wohl Charles Bukowski war, der die wahren Worte über John Fante und seine Bücher geschrieben hat, sie seien "stark und gut und warm."
Buchtitel
Dan Fante: "Chump Change – aus einem verschütteten Leben", aus dem Amerikanischen von Ralf Chudoba, German Publishing, 206 Seiten, 13,80 €
John Fante: "Ich – Arturo Bandini", Goldmann Verlag, 223 Seiten, 8,90 €
John Fante: "Warte auf den Frühling, Bandini", Goldmann Verlag 220 Seiten, 8,95 €
Die beiden Bücher von John Fante wurden aus dem Amerikanischen übersetzt von Alex Capus
John Fante starb 1983 in Kalifornien. Der literarische Erfolg blieb ihm Zeit seines Lebens versagt. Deshalb begab er sich dorthin, wo Autoren "getötet" werden – wie er es einmal in einem Brief an seinen Lektor ausdrückte -, in die Hölle Hollywoods. Seit 1959 litt er an einer Zuckerkrankheit, in deren Folge er 1978 erblindete. Seinen letzten Roman musste er seiner Frau in die Schreibmaschine diktieren.
Das Buch seines Sohnes Dan heißt "Chump Change – aus einem verschütteten Leben" und ist eine aufrichtige Hommage an seinen Vater, eine Auseinandersetzung mit dem Tod, der Vergangenheit und dem ruinösen Einfluss der Gegenwart, die nur mit billigen Betäubungsmitteln zu ertragen ist. Doch zum Schluss gibt es sogar so etwas wie einen Hoffnungsschimmer. Vielleicht ist diese Welt ja doch nicht nur eine moderne Version von Dantes Inferno. Es gibt Trost. Und es gibt Poesie. Es gibt die Bücher von John Fante. In einer der berührendsten Szenen des Romans versucht Bruno Dante einen schnöseligen Buchhändler davon zu überzeugen, dass sein soeben verstorbener Vater ein wunderbarer Schriftsteller war:
"Es wird Sie umhauen. Mich haut es immer noch um."
Er sah mich skeptisch an. Er war der Experte. Er kannte seinen Bestand. Ich vergeudete seine Zeit.
Das Buch, um das es in dem Dialog geht, heißt "Frag den Wind" – sein bestes, findet Bruno Dante. "Ask the Dust" heißt es in Wirklichkeit und ist John Fantes frühes Meisterwerk. 1939 erschien der Roman zum ersten Mal. Der Autor war gerade dreißig Jahre alt. Jetzt ist die Geschichte eines Jungdichters und italo-amerikanischen Nachfahren des jungen Werthers unter dem Titel "Ich – Arturo Bandini" neu auf Deutsch erschienen.
Bandini, ein von seinem Dichtertalent überzeugter Sohn italienischer Einwanderer, hat gerade seine erste Story in einer Zeitschrift untergebracht, haust in einem billigen Hotel und will vor allem eines:
Eine Liebesgeschichte schreiben, das Leben kennen lernen."
Und genau das tut er im Laufe des Romans. Er verliebt sich, natürlich unglücklich, in die mexikanische Kellnerin Camilla und schreibt, stets schwankend zwischen Größenwahn und Selbstzerstörung, einen Roman. Übersetzt hat diese Geschichte der Schweizer Schriftsteller Alex Capus.
Was man aber sagen muss, dass John Fante nicht nur den Blick aufs Individuum hat, sondern er hat auch einen sehr klaren Blick für die sozialen Realitäten, für dieses vielfältige menschliche Strandgut, das sich da im Westen der USA an der Küste, wo es einfach nicht mehr weiter nach Westen geht, ansammelt. Alle diese entwurzelten Menschen, die glauben, jetzt seien sie im Paradies angekommen nur weil an 365 Tagen die Sonne scheint, aber in Tat und Wahrheit sind sie völlig verloren und werden allmählich zugedeckt vom Wüstenstaub, der stetig herüberweht.
Insgesamt hat John Fante neben etlichen Erzählungen und Drehbüchern acht Romane geschrieben. Vier davon handeln von der italienischen Einwandererfamilie Bandini. Wie die Bandinis stammten auch John Fantes Eltern aus Süditalien und lebten in Colorado. Sein Vater arbeitete wie Svevo Bandini, das Oberhaupt der Familie, als Maurer. Und wie dieser hasste er gewiss auch den Winter, weil in der Kälte der Zement gefror und er kein Geld verdienen konnte.
Und der Lebensmittelhändler schaut ihn schon ganz schief an, weil er dauernd anschreiben lassen muss, den ganzen Winter über usw. Und die Mutter war ein bildhübsches Mädchen, bevor sie geheiratet haben, und jetzt ist sie klein und mager und leer gesogen von ihren drei Söhnen, die sie hat. Und die Jungs sind natürlich auch Italiener, aber wollen alle Amerikaner werden und wollen alle große, blonde Freundinnen haben, das sind die Ideale, nicht die Italienermädchen. Aber wenn’s dann wirklich um die Liebe geht, dann lieben sie dann trotzdem Mädchen, die Rosanna und Josephina heißen. Das ist der Zwiespalt, in dem sie leben. Sie wollen nichts als nur weg von ihrem popeligen Itakerzuhause, beschimpfen einander selbst auch als Spaghettifresser und Itaker usw. Und sie wollen weiß und groß und blond werden und in Los Angeles leben. So, das ist die Sehnsucht, die sie haben.
"Italienische Frauen bekommen in einem bestimmten Alter dünne Beine, dicke Bäuche und Hängebrüste. Ob Rosa Pinelli mit vierzig Jahren ebenso dünne Beine und einen ebenso dicken Bauch haben würde wie Mamma? Das konnte er sich nicht vorstellen. Zauberhafte Rosa! Da wäre es besser, wenn sie vorher starb. Sie sollte an einer schweren Krankheit sterben, das wäre schön. Jahre später würde ihm dieses Mädchen wieder einfallen – vielleicht gerade in dem Augenblick, da er im Yankee-Stadion den tosenden Applaus der Menschenmenge entgegennahm. Aber dann würde er sich wieder dem Publikum zuwenden und würde den Frauen zunicken, seinen Frauen, die übrigens alle groß und blond und schlank waren. Keine einzige Italienerin unter ihnen.
In dem letzten auf Deutsch erschienenen Roman von John Fante "Warte auf den Frühling Bandini" geraten die Bandinis in der winterlichen Eiseskälte von Colorado in eine tiefe Krise. Der durch seine saisonbedingte Arbeitslosigkeit tief deprimierte Svevo Bandini beginnt kurz vor Weihnachten ein Verhältnis mit einer reichen amerikanischen Witwe. Seine Frau verfällt in eine Art Starrkrampf und die drei Söhne sind sich für ein paar Tage selbst überlassen. Wie in dieser Situation jeder versucht, seinen Anstand zu bewahren, das beschreibt John Fante mit großer Anteilnahme am Schicksal seiner Figuren. Und Alex Capus gelingt es mit einem großartigen Gespür für die feine Ironie und bildhafte Poesie John Fantes dessen Geschichten ins Deutsche zu übertragen. Die vorherigen Übersetzer haben seiner Meinung nach einen entscheidenden Fehler gemacht.
Ich glaube, durchgängig alle, soweit ich’s überblicke, haben John Fantes Sprache als Slang übersetzt, zuweilen sogar zotig. Und das ist John Fante nie. Im Gegenteil, der hat sogar dieses Gestelzte, was ein Einwanderer haben kann, wenn er herzeigen will, dass er die Sprache dann schon gut beherrscht, dass er auch so schön reden kann wie die richtigen Amerikaner, dann ist er ein bisschen gestelzt und zeigt ein bisschen her, wie schön er’s kann. Und das habe ich versucht zu übertragen, aber auf alle Fälle ist es falsch, ihm eine zotige Sprache unterzuschieben. Das gibt’s nie. Man darf nicht vergessen, dass Fante sehr katholisch war und dass er bestimmt sehr gefürchtet hat, dass seine Mamma die Bücher liest, die er schreibt, und dass sie ihn dann ausschimpfen würde, wenn er unanständige Ausdrücke verwenden würde.
Eine weitere Fante-Übersetzung von Alex Capus ist bereits geplant. Capus reiht sich damit ein in die Riege der bekennenden John-Fante-Bewunderer, deren größter wohl Charles Bukowski war, der die wahren Worte über John Fante und seine Bücher geschrieben hat, sie seien "stark und gut und warm."
Buchtitel
Dan Fante: "Chump Change – aus einem verschütteten Leben", aus dem Amerikanischen von Ralf Chudoba, German Publishing, 206 Seiten, 13,80 €
John Fante: "Ich – Arturo Bandini", Goldmann Verlag, 223 Seiten, 8,90 €
John Fante: "Warte auf den Frühling, Bandini", Goldmann Verlag 220 Seiten, 8,95 €
Die beiden Bücher von John Fante wurden aus dem Amerikanischen übersetzt von Alex Capus