Durchschnittlich 226 Kilo Abfall pro Person und Jahr: das sei zu viel findet Barbara Metz, stellvertretende Bundesgeschäftsführerin bei der Deutschen Umwelthilfe DUH. Deshalb hat ihre Organisation heute zur Online-Konferenz geladen. Mit Vertretern der Politik. Und mit Akteuren, die Ideen für mehr Mehrweg entwickelt haben. Barbara Metz: "Es besteht ja der Irrglaube, dass wir in Deutschland besonders gut dastehen, anscheinend Recycling-Weltmeister sind, das ist nicht der Fall. Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wir haben hier ein Problem, und es wird immer größer, und wir können das natürlich nutzen, dieses große Bewusstsein, was es im Moment auch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern gibt, dass das viel zu viel Müll ist, dass man es reduzieren möchte, hier auch gesellschaftlich so viel Druck aufzubauen, dass sich politische Entscheider da auch bewegen und sagen: Wir haben das erkannt. Vielleicht anders als viele andere komplexere Probleme ist das etwas, wo wir die Lösung kennen."
Viel Bedarf für Mehrweg-Lösungen
Lösungen präsentiert die Konferenz gleich mehrere aus den verschiedensten Bereichen: "Tiffin Loop" etwa will das Problem mit dem vielen Abfall beim Take-Away-Essen lösen. Mit Edelstahlbehältern, die die Kunden gegen eine Pfandgebühr bekommen und später in den Partner-Restaurants wieder zurückgeben können, wo sie dann auch gereinigt werden. Vermeintlich genau der richtige Ansatz in Pandemie-Zeiten, wo der Bedarf für solche Lösungen steigt. Doch Gründer Mustafa Demirtas hat da zwiespältige Erfahrungen gemacht.
"Also wir haben auf der einen Seite eine erhöhte Nachfrage, aber auf der anderen Seite auch - wenn wir aktiv auf Gastronomien zugehen - auch oft die Antwort: Wir haben andere Sorgen, wir kämpfen hier gerade ums Überleben, die haben keine Kopf für dieses Thema. Aber auf der anderen Seite: Gastronomien, die in der Corona-Phase auch stark dann auf Take-Away gesetzt haben, und dadurch auch ihr Überleben gesichert haben, die haben natürlich weiterhin auch großes Interesse für dieses Thema."
Weniger Müll bei Kaffeekapseln
Einer ganz alltäglichen Situation widmet sich die Mehrweg-Idee von Jürgen Müller. Es geht ums Kaffeekochen zuhause. Stichwort Kaffeekapseln. Nach Einschätzung des Mechanik-Unternehmers aus Lichtenfels stehen fast in jedem vierten Haushalt Kaffeemaschinen, die mit solchen Alu-Kapseln arbeiten. Daraus resultiert ein beachtlicher Müllberg. Jürgen Müller hat für solche Geräte deshalb eine recycelbare Kunststoffkapsel entwickelt und das Produkt "capseco" getauft: "Das ist eine spezielle wiederverwendbare Kaffeekapsel für das Nespresso-System, die Kapsel lässt sich 100-150 Mal problemlos wiederverwenden."
Seine Lösung ist patentiert und schon auf dem Markt, bislang allerdings nur über den eigenen Online-Shop. Erst ab Mitte November bietet auch eine Drogeriekette sein Produkt an. Durch die Möglichkeit zum erneuten Befüllen der Kapseln mit beliebigem Kaffeepulver werden sowohl die Umwelt als auch die Geldbeutel der Verbraucher geschont. Diese Informationen zur Zielgruppe zu bringen, gehört derzeit zu den größten Herausforderungen, vor denen Jürgen Müller steht.
"Der Markteintritt ist die größte Hürde, wir sind ein kleines Unternehmen und eben noch relativ unbekannt, nur wer uns kennt, kann natürlich auch unser Produkt benutzen."
Etwa an derselben Schwelle steht auch "Sea Me". Ein Hamburger Unternehmen, das Kosmetik- und Desinfektionsprodukte in recyclebaren Glasflaschen anbieten will. Dazu Unternehmensgründer Lars Buck.
"Das funktioniert genauso wie bei den Getränken, d.h. es ist für Kosmetik und für Desinfektion sind das Produkte, die in Mehrwegglasflaschen kommen, die können dann später genauso im Pfandautomaten oder an der Kasse zurückgegeben werden. Die Produkte sollen jetzt zum 1.12. in ausgewählten Märkten in Hamburg kommen, aktuell sind wir im Gespräch mit verschiedenen großen Ketten, dass wir dann im Januar/Februar dann auch in anderen Märkten die Produkte verfügbar haben."
Der Handel zögert
Die "Sea Me" - Glasflaschen können an den normalen Pfandautomaten zurückgegeben werden, in die man auch Limonadenflaschen und dergleichen steckt. Es sind also keine zusätzlichen Rücknahmegeräte nötig. Trotzdem war der Handel nicht leicht zu überzeugen, sagt Buck.
An der Unterstützung für Mehrweg seitens der Politik hapert es aber noch, bilanziert Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe.
"Das, was faktisch passiert, um Mehrweg zu schützen und zu fördern, reicht definitiv nicht aus."
Sinnvoll fände sie zum Beispiel Abgaben auf Einwegprodukte, Mehrweggebote für öffentliche Veranstaltungen und Institutionen und verbindlichere Mehrwegquoten für Getränkeverpackungen.