Es ist kein klassischer Kompromiss zwischen Ländern und Parlament geworden. Denn in vielerlei Hinsicht blieb das Ergebnis hinter den Forderungen einer Mehrheit von Abgeordneten zurück. Im Mittelpunkt war die Frage, wie stark das Treibhausgas-Reduktionsziel 2030 angehoben werden soll: Mindestens 55 Prozent statt wie bisher 40 Prozent im Vergleich zu 1990. So viel steht jetzt fest.
Das Parlament hatte ursprünglich noch mehr, 60 Prozent gefordert, sich damit gegen die Länder aber nicht durchgesetzt.
Die zweite große Frage: Sind 55 Prozent auch tatsächlich 55 Prozent? Das Parlament setzte sich dafür ein, den Effekt von Wäldern, Mooren, Pflanzen oder Böden, die C02 wieder speichern, nicht gegenzurechnen. Herausgekommen ist: Die Wirkung dieser sogenannten Senken darf zwar einkalkuliert werden, aber nur bis zu einer Höhe von 225 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Für manche im Parlament ist das ein Rechentrick.
Grüne enttäuscht
Außerdem soll die EU-Kommission durch Aufforstung dafür sorgen, dass Wälder noch mehr C02 binden. Ob die Ziele eingehalten werden, wird ein Klima-Rat überwachen. Nach der Verhandlungsnacht fallen die Reaktionen gemischt aus: Ernüchterung bei Umweltschützern und den Grünen im Europaparlament.
"Wir haben es nicht geschafft, ambitionierten Klimaschutz umzusetzen, der dem Pariser Klimaschutzabkommen gerecht wird. Und das ist richtig bitter", sagte der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss. Ein Schritt, in die richtige Richtung, aber noch nicht genug, findet die SPD-Abgeordnete Delara Burkhardt: Sie hebt die Schaffung eines Klimabeirates positiv hervor.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums, bei Liberalen und Christdemokraten überwiegt Zufriedenheit. Zufriedenheit auch darüber, dass der Effekt von Senken berücksichtigt wird. Der CDU-Abgeordnete Peter Liese: "Das Ziel für 2030 ist sehr ambitioniert." Alle müssten sich anstrengen.
Klimaneutral bis 2050
Bei dem neuen Ziel bis 2030 handelt es sich dabei nur um ein Etappenziel. Bis 2050 will die Europäische Union Klimaneutralität erreichen. Das heißt, dass kaum mehr C02 in die Atmosphäre gestoßen wird, als durch natürliche und technische Möglichkeiten wieder gebunden werden kann. Dabei handelt es sich um ein Ziel für die EU als Ganzes, nicht für die Mitgliedstaaten einzeln.
Die EU-Kommission zeigte sich zufrieden, dass mit der Einigung auch weltweit ein starkes Signal gesendet worden sei, mit Blick auf den anstehenden internationalen Klimagipfel mit US-Präsident Biden. Formal müssen das Parlament und der Rat der EU-Staaten dem Verhandlungsergebnis noch zustimmen. Die Klimagesetzgebung ist damit aber noch nicht erledigt.
Im Sommer dieses Jahres will die EU-Kommission ein Gesetzespaket vorstellen, mit dem das neue Klimaziel in praktische Politik gegossen werden soll, was die einzelnen Sektoren dafür tun müssen. Dazu zählen zum Beispiel neue C02-Grenzwerte für die Autoindustrie. Oder mehr Ambitionen bei den Energie-Effizienz. Schon jetzt zeichnen sich schwierige Verhandlungen mit der Wirtschaft ab. Der Verband der Chemischen Industrie mahnte etwa eine faire Lastenteilung an. Auch solle berücksichtigt werden, dass Industrie und Energiewirtschaft bereits überproportional zur Emissionsminderung beigetragen hätten.