"Wir gehen jetzt ins Topflager." - Petra Högy betritt einen Kellerraum an der Universität Hohenheim, im Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie. An einer Seite des Raumes stapeln sich runde, Waschtrommel-große Behälter. Es sind Blumentöpfe. Die Professorin für Pflanzenökologie schnappt sich einen von ihnen und schiebt das Teil zur Tür, auf einem Rollbrett mit vier Rädern.
"Die Töpfe wiegen, wenn die Pflanzen gut bewässert sind, 50 Kilogramm. Das macht die Sache ein bisschen leichter! Gerade machen wir Weizen. Das ist ein Sommerweizen, der jetzt hier gerade ausgesät wurde. So in zehn, zwölf Tagen sehen Sie dann die ersten grünen Spitzen sprießen."
CO2 lässt den Weizen sprießen
Der Weizen wächst nicht im Freien, sondern nur zwei Türen weiter, in einem Raum mit lauter Klimaschränken: "Wir können verschiedene Dinge verändern: Erhöhtes CO2 simulieren, veränderte Niederschlagsmuster. Wir können die Temperatur verändern. Also alles das, was so in Zukunft auf uns zukommen wird, versuchen wir jetzt hier zu simulieren und können eben einfach schauen: Was machen die Pflanzen in Zukunft?"
Petra Högys Team untersuchte das an Triso, einer verbreiteten, hochwertigen Weizensorte. In der Klimakammer wuchs sie bei knapp 40 Prozent mehr CO2 in der Luft als heute. Für grüne Pflanzen ist das wie zusätzlicher Dünger. Doch es gibt auch eine Schattenseite des CO2-Anstiegs:
"Der Landwirt freut sich natürlich über höhere Erträge unter erhöhtem CO2. Mehr Erträge heißt mehr Geld in der Kasse. Allerdings: Wenn wir uns über die Inhaltsstoffe unterhalten, sieht das Ganze nicht ganz so schön aus in den CO2-Versuchen."
Mehr Ertrag – weniger Inhaltsstoffe
So enthielten die Weizenkörner aus der Klimakammer am Ende weniger Eiweiß. Die Konzentration seiner Bausteine, der Aminosäuren, war um bis zu elf Prozent reduziert:
"Man weiß mittlerweile, dass unter erhöhtem CO2 die Pflanzen weniger Stickstoff benötigen. Das heißt, es ist weniger Stickstoff in den Blättern eingelagert. Und dieser Stickstoff wird dann während der Kornfüllungsphase aus den Blättern in die Körner transportiert. Das heißt, wenn ich in den Blättern weniger Stickstoff habe, wird auch potenziell weniger Stickstoff dann für die Körner zur Verfügung stehen."
"In Zukunft werden die Brötchen etwas kleiner"
Der bekannteste Eiweißstoff in Getreide ist Gluten. Das sogenannte Kleberprotein macht ein Weizenmehl erst backfähig. Auch sein Gehalt im Korn sinke durch mehr CO2, so die Biologin: "Pi mal Daumen kann man sagen: Weniger Gluten vermindert die Backqualität, das Gebäckvolumen schrumpft, das heißt in Zukunft werden die Brötchen etwas kleiner."
Ein versierter Bäcker könne sicher auch mit Weizenmehl umgehen, das nicht mehr so proteinreich sei, sagt Kurt Möller, Agrarwissenschaftler am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg in Karlsruhe: "Aber wenn wir so Standardmehle haben wollen, die dann im Backautomaten immer nach dem gleichen Vorgang gebacken werden sollen, dann ist das halt schwieriger mit so einem Mehl, das weniger Eiweiß hat."
Höhere Erträge auf Kosten der Qualität
Der CO2-gedopte Versuchsweizen war aber nicht nur proteinärmer. Seine Körner enthielten auch geringere Konzentrationen von Eisen, Zink und Magnesium - wichtigen Spurenelementen. Für Verbraucher in Europa sei das nicht weiter tragisch, sagt Petra Högy. Sie nähmen Eisen und Zink auch mit Fleischprodukten auf: "Das kann die Bevölkerung in Afrika zum Beispiel nicht, weil da hauptsächlich Getreide gegessen wird."
Arbeitsgruppen in anderen Ländern seien zu ganz ähnlichen Ergebnissen in CO2-Anreicherungsversuchen gekommen, sagt die Hohenheimer Forscherin. Mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre führt demnach also zu höheren Erträgen, aber auf Kosten der Qualität der Ernteprodukte. Wahrscheinlich gilt das auch für andere Ackerpflanzen. Nur wurden die bisher noch nicht so intensiv untersucht wie Weizen.