Susanne Kuhlmann: In Brasilien beginnt in Kürze die Internationale Klimakonferenz, 20 Jahre nach dem ersten Ereignis dieser Art dort. Und bevor in Rio viele darüber reden, wie unser Planet ein bewohnbarer bleiben kann, tun andere das heute und hier, denn heute ist deutscher Aktionstag Nachhaltigkeit mit Projekten wie "Handys bergen und Gutes tun" oder "Erlebniswanderung vom Korn zum Brötchen". Am Telefon in Berlin begrüße ich Professor Harald Welzer, Sozialpsychologe und Direktor der Stiftung Zukunftsfähigkeit Futur Zwei. Guten Tag, Herr Professor Welzer.
Harald Welzer: Guten Tag!
Kuhlmann: Nachhaltigkeit, das ist einer dieser Begriffe, die wir ständig hören, die aber eigentlich konkreter Beispiele bedürfen, um sie verständlich zu machen. Wo in unserem Dasein mangelt es an Nachhaltigkeit?
Welzer: Na ja, eigentlich fast überall, weil wir ja mit unserer Lebensweise erheblich mehr Ressourcen verbrauchen als eben nachgehalten werden, das heißt also nachwachsen können oder erneuerbar sind. Und solange wir einen solchen Konsum betreiben, wie das gegenwärtig der Fall ist, und das auch noch im globalen Maßstab immer mehr wird, solange wird man nicht nachhaltig leben und wirtschaften.
Kuhlmann: Was sollten wir denn ändern?
Welzer: Ja, da wird die Frage ganz brisant, weil wenn man über solche Änderungen spricht, dann werden die total konkret, und deshalb möchte eigentlich niemand so recht darüber sprechen. Denn die Wahrheit wäre: Wenn wir eine nachhaltige Gesellschaft haben wollen und sein wollen, dann können wir das auf dem Wohlstandsniveau, wie wir das jetzt haben, überhaupt nicht realisieren. Solche Dinge wie die viermal Kurzurlaub im Jahr mit dem Flieger, die immer größer werdenden Autos, die Vollausstattung von Wohnungen mit vielen Flatscreens und elektrischen Helfern und so weiter, das sind alles Dinge, die sind nicht nachhaltig und die können auch niemals nachhaltig werden. Insofern wenn wir ernsthaft darüber sprechen, müssen wir ernsthaft darüber sprechen, wie bewegen wir uns, wie ernähren wir uns, wie wohnen wir, und dann werden wir ganz schnell feststellen: auf viel zu hohem Niveau.
Kuhlmann: Heißt Nachhaltigkeit dann Verzicht, oder lässt sich dem ganzen auch was durchaus Positives abgewinnen, was die Leute dazu bringen könnte, ihren Lebensstil zu ändern?
Welzer: Das erste Positive, was überhaupt in die Diskussion eingeführt werden müsste, ist eigentlich die Frage, wollen wir eigentlich so leben, wie wir jetzt leben, oder wollen wir besser leben, denn dieses Mehr an Konsum erzeugt ja permanent mehr Stress, mehr Aufwand. Man kann das ja an den Wohnungen sehen: mittlerweile müssen die Leute eigentlich auf den Balkon gehen, um die Größe ihrer Flatscreen-Fernseher richtig ausnutzen zu können. Die stehen ja viel zu dicht und die Wohnungen sind halt vollgestellt und die Straßen sind voll mit diesen Riesenautos. Das heißt, wenn wir anfangen, darüber zu reden, wie kann man eigentlich anders leben, dann sollte man darüber reden, wie man besser leben kann. Zum Beispiel in einer autofreien Stadt lässt es sich sicher besser leben als in den Städten, wie sie jetzt sind. Insofern müssen wir einfach mal auflösen, diese Reizreaktionsverbindung: Veränderung bedeutet weniger, weniger bedeutet schlechter. Weniger ist wahrscheinlich mehr und Veränderung kann positiv sein, aber dann müssen wir erst mal fragen, wie wollen wir überhaupt leben.
Kuhlmann: Sind Großveranstaltungen wie die bevorstehende UN-Konferenz in Rio eine geeignete Plattform?
Welzer: Ich halte das für völlig schwachsinnig – Entschuldigung! -, so was zu machen, und das zeigt sich auch daran, dass es eben Rio plus 20 ist. In den vergangenen 20 Jahren seit der ersten Rio-Konferenz hat sich die Lage hinsichtlich der Übernutzung von Ressourcen und der Vermüllung der Welt wesentlich verschlechtert. Insofern glaube ich nicht an die Wirksamkeit solcher Konferenzen.
Kuhlmann: Zum Deutschen Aktionstag Nachhaltigkeit war das ein Gespräch mit Professor Harald Welzer von der Stiftung Futur Zwei. Ihnen vielen Dank.
Welzer: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Harald Welzer: Guten Tag!
Kuhlmann: Nachhaltigkeit, das ist einer dieser Begriffe, die wir ständig hören, die aber eigentlich konkreter Beispiele bedürfen, um sie verständlich zu machen. Wo in unserem Dasein mangelt es an Nachhaltigkeit?
Welzer: Na ja, eigentlich fast überall, weil wir ja mit unserer Lebensweise erheblich mehr Ressourcen verbrauchen als eben nachgehalten werden, das heißt also nachwachsen können oder erneuerbar sind. Und solange wir einen solchen Konsum betreiben, wie das gegenwärtig der Fall ist, und das auch noch im globalen Maßstab immer mehr wird, solange wird man nicht nachhaltig leben und wirtschaften.
Kuhlmann: Was sollten wir denn ändern?
Welzer: Ja, da wird die Frage ganz brisant, weil wenn man über solche Änderungen spricht, dann werden die total konkret, und deshalb möchte eigentlich niemand so recht darüber sprechen. Denn die Wahrheit wäre: Wenn wir eine nachhaltige Gesellschaft haben wollen und sein wollen, dann können wir das auf dem Wohlstandsniveau, wie wir das jetzt haben, überhaupt nicht realisieren. Solche Dinge wie die viermal Kurzurlaub im Jahr mit dem Flieger, die immer größer werdenden Autos, die Vollausstattung von Wohnungen mit vielen Flatscreens und elektrischen Helfern und so weiter, das sind alles Dinge, die sind nicht nachhaltig und die können auch niemals nachhaltig werden. Insofern wenn wir ernsthaft darüber sprechen, müssen wir ernsthaft darüber sprechen, wie bewegen wir uns, wie ernähren wir uns, wie wohnen wir, und dann werden wir ganz schnell feststellen: auf viel zu hohem Niveau.
Kuhlmann: Heißt Nachhaltigkeit dann Verzicht, oder lässt sich dem ganzen auch was durchaus Positives abgewinnen, was die Leute dazu bringen könnte, ihren Lebensstil zu ändern?
Welzer: Das erste Positive, was überhaupt in die Diskussion eingeführt werden müsste, ist eigentlich die Frage, wollen wir eigentlich so leben, wie wir jetzt leben, oder wollen wir besser leben, denn dieses Mehr an Konsum erzeugt ja permanent mehr Stress, mehr Aufwand. Man kann das ja an den Wohnungen sehen: mittlerweile müssen die Leute eigentlich auf den Balkon gehen, um die Größe ihrer Flatscreen-Fernseher richtig ausnutzen zu können. Die stehen ja viel zu dicht und die Wohnungen sind halt vollgestellt und die Straßen sind voll mit diesen Riesenautos. Das heißt, wenn wir anfangen, darüber zu reden, wie kann man eigentlich anders leben, dann sollte man darüber reden, wie man besser leben kann. Zum Beispiel in einer autofreien Stadt lässt es sich sicher besser leben als in den Städten, wie sie jetzt sind. Insofern müssen wir einfach mal auflösen, diese Reizreaktionsverbindung: Veränderung bedeutet weniger, weniger bedeutet schlechter. Weniger ist wahrscheinlich mehr und Veränderung kann positiv sein, aber dann müssen wir erst mal fragen, wie wollen wir überhaupt leben.
Kuhlmann: Sind Großveranstaltungen wie die bevorstehende UN-Konferenz in Rio eine geeignete Plattform?
Welzer: Ich halte das für völlig schwachsinnig – Entschuldigung! -, so was zu machen, und das zeigt sich auch daran, dass es eben Rio plus 20 ist. In den vergangenen 20 Jahren seit der ersten Rio-Konferenz hat sich die Lage hinsichtlich der Übernutzung von Ressourcen und der Vermüllung der Welt wesentlich verschlechtert. Insofern glaube ich nicht an die Wirksamkeit solcher Konferenzen.
Kuhlmann: Zum Deutschen Aktionstag Nachhaltigkeit war das ein Gespräch mit Professor Harald Welzer von der Stiftung Futur Zwei. Ihnen vielen Dank.
Welzer: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.