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Weniger Recht für Arme?

Das "Gesetz zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe" soll Unterstützungsleistungen einsparen helfen, die bedürftige Kläger oder Beklagte erhalten, wenn sie Anwaltskosten und Gerichtsgebühren nicht selber bezahlen können. Die Befürworter sprechen von einem Einsparpotenzial von 100 Millionen. Die Gegner nennen das Gesetz einen Paradigmenwechsel in der Rechtspolitik.

Von Albrecht Kieser |
    "Es ist ein Raubrittertum, so muss man sagen. Schlichtweg: Es soll tatsächlich keine Prozessführung mehr möglich sein, tatsächlich für die wirklich Bedürftigen. Denn nur die fallen ja unter diesen Prozesskostenrahmen."
    Wilfried Hamm ist Verwaltungsrichter und neigt eigentlich nicht zu polternden Ausbrüchen. Was ihn in diesem Falle die übliche berufliche Zurückhaltung aufgeben lässt, heißt "Gesetz zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe". Das Gesetz will bei den Unterstützungsleistungen sparen, die bedürftige Kläger oder Beklagte erhalten, wenn sie Anwaltskosten und Gerichtsgebühren nicht von ihrem Einkommen bezahlen können.

    Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf im vergangenen Herbst beschlossen, und nun liegt er dem Bundestag zu Beratung, möglicher Korrektur und Abstimmung vor. Wilfried Hamm ist neben seiner richterlichen Tätigkeit Sprecher und Vorstandsmitglied der Neuen Richtervereinigung, die sich selbst als demokratisch und sozial orientiert bezeichnet.
    Jürgen Gehb, ist rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und befürwortet das neue Gesetz:

    "Grundsätzlich unterstütze ich diesen Gesetzentwurf, ohne freilich damit den Eindruck zu erwecken, wir wollten den armen Rechtssuchenden hindern, sein Recht verfolgen zu können. Das Armenrecht gibt es schon lange - seit 1980 heißt es Prozesskostenhilferecht - und ich finde, dass der Vorschlag der Länder auch unter fiskalpolitischen Gesichtspunkten und zur Vermeidung von Rechtsmissbrauch und Prozesshanselei im Ansatz das richtige Ziel verfolgt. Und nun werden wir, wie das immer bei Gesetzen ist, uns auf das Detail konzentrieren."

    Der finanzielle Nutzen, von dem Jürgen Gehb spricht, steht für die Bundesländer Niedersachsen und Baden-Württemberg, die die Gesetzesänderung initiiert haben, im Vordergrund. Rund 400 Millionen Euro werden nach Berechnungen jährlich für Prozesskostenhilfe, kurz PKH, ausgegeben. 100 Millionen davon könnten eingespart werden, würde das neue Ausgabenbegrenzungsgesetz Realität werden.

    Eine Frage, die die Befürworter werden beantworten müssen, ist, auf wessen Kosten diese Einsparung gehen werden und ob tatsächlich nur bei denjenigen gespart wird, die, wie Jürgen Gehb es formuliert: "Rechtsmissbrauch und Prozesshanselei" betreiben.

    Auch das gültige Gesetz verlangt nämlich schon, dass eine Klage, für die Prozesskostenhilfe beantragt wird, Aussicht auf Erfolg haben muss. Rechtsanwältin Simone Treis, spezialisiert auf Arbeits- und Sozialrecht, muss für ihre Mandanten oft Prozesskostenhilfe beantragen und erläutert in einer Prozesspause, die sie in der Gerichtskantine verbringt:

    "Wenn die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat, dann wird Prozesskostenhilfe auch überhaupt nicht bewilligt. Von daher, wenn es sich wirklich um Prozesshansel handeln sollte, dann wird das Gericht anhand der Klageschrift feststellen können: Ist an der Klage was dran oder nicht? Und wenn die Klage Aussicht auf Erfolg hat, dann kann man auch nicht sagen, dass das Prozesshansel sind, sondern dann haben die Menschen ein Anliegen, was sie gerichtlich durchsetzen wollen. Und dann ist ihnen auch Prozesskostenhilfe zu gewähren."
    Trotz dieser Hürde sind nach Angaben der Gesetzesinitiatoren die Ausgaben für Prozesskostenhilfe in den letzten fünf Jahren "erheblich gestiegen". Dazu Norbert Bauschert vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln:

    "Ich bin jetzt seit 30 Jahren Anwalt. Und ich muss sagen, im Laufe der Jahre hat sich das sehr stark nach oben entwickelt. Sowohl, was Prozesskostenhilfe anbetrifft als auch, was Beratungshilfe anbetrifft. Und in den letzten Jahren erst recht. Nämlich durch die wirtschaftlichen Verhältnisse: Die Leute haben nicht mehr so viel Geld in der Tasche. Die Vielzahl der Prozesse läuft über Prozesskostenhilfe. Es sei denn, die Mandanten wären rechtsschutzversichert. Durch Hartz-IV hat aus unserer Sicht diese ganze Geschichte noch mal einen Schub bekommen."
    Norbert Bauschert beschäftigt seit Jahren, wie Menschen mit niedrigem Einkommen ihren Fall vor Gericht vertreten können. Denn der Rechtsweg ist zwar auch für Arme grundgesetzlich garantiert, aber in der Realität nicht einfach durchzusetzen. Bei den Anträgen auf Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, mit denen Anwalt und Gerichtskosten für Arme bezahlt werden, prüft die Justiz nämlich auch, ob die Antragsteller wirklich bedürftig im Sinne der Vorschriften sind:

    "Die Rechtspfleger, die in der Regel damit beschäftigt sind, das zu prüfen, die sind also sehr genau. Wenn die irgendwo den Ansatz haben, da ist noch Geld im Hintergrund, sei es Sparvermögen, sei es ein Bausparvertrag, was ja im Prozesskostenhilfeantrag angegeben werden muss, dann kommt sofort die Rückmeldung: Geh Du erst mal an Dein Eingemachtes und versuch mal, von Deinem Ersparten den Anwalt zu bezahlen. Aus meiner Sicht ist das sehr restriktiv."

    Als grobe Richtschnur gilt heute: Wer kein verwertbares Vermögen und ein Einkommen hat, das nicht mehr als 50 Prozent über der Sozialhilfe liegt, erhält Beratungs- und Prozesskostenhilfe. Das wären für einen Alleinstehenden etwa 1.000 Euro pro Monat. Wer mehr verdient oder zum Beispiel ein Sparbuch mit mehr als 2000 Euro besitzt, kann innerhalb etwas weiterer Grenzen Prozesskostenhilfe nur als Kredit bekommen. Und den muss er in Raten zurückzahlen. Mit einem Monatsbetrag, der den Bedürftigen nicht unter die genannte Armutsgrenze drückt. Die Rückzahlungspflicht endet bisher nach vier Jahren; Geld, das in diesem Zeitraum nicht zurückgezahlt werden konnte, wird vom Gericht als verlorener Zuschuss verbucht.
    Die Bundesländer finanzieren die Prozesskostenhilfe aus den Etats ihrer Justizministerien. Dieser Posten ist in den vergangenen Jahren gestiegen, nicht nur weil die Anwaltsgebühren 2004 erhöht wurden. Hinzu kommt: Seit Jahren wächst die Zahl der Bedürftigen, die unter die Armutsdefinition des Prozesskostenhilfe-Gesetzes fallen. Außerdem nehmen die Streitigkeiten um das Arbeitslosengeld II ständig zu, von dem seit Anfang 2005 Millionen Menschen betroffen sind. Und weil auch andere Behörden und Versicherungen sparen und ihren Klienten weniger Leistungen zukommen lassen, wehren sich Betroffene vermehrt vor Gericht:

    "Für die Betroffenen sind es teilweise einschneidende Dinge, die gestrichen werden, die ihre Lebensführung stark beeinflussen. In dieser Situation muss der Betroffene sich wehren. Wenn die Beratungshilfe oder die Prozesskostenhilfe hier versagt wird, hat er keine Möglichkeit. Er muss das dann so hinnehmen. Das führt im Ergebnis dazu, dass die Betroffenen keine Möglichkeit mehr haben, ihre Interessen durchzusetzen."
    Astrid von Einem hat sich auf Medizinrecht spezialisiert.

    "Besonders die Rechtsanwälte, die im Sozial- und Arbeitsrecht, im Medizin-, Familien und Mietrecht tätig sind, wissen, wie häufig gerade ärmere Menschen in Deutschland dringend einen Anwalt brauchen, weil sie sich schwer durchschaubaren Entscheidungen aller möglichen Institutionen ausgesetzt sehen."

    Wenn der Staat in diesen Fällen Bedürftige nicht dabei unterstützt, ihr Recht auch vor Gericht zu erstreiten, müssen sie solche amtlichen Entscheidungen hinnehmen. Ähnlich ist es bei privaten Streitigkeiten, etwa mit dem Vermieter. Rechtsanwalt Eberhard Reinecke:

    "Ich selber habe im Mietrecht immer wieder Fälle, in denen die Leute, gerade wenn sie um ihre Wohnung kämpfen oder um ihre Kaution, die sie nach Ende des Mietverhältnisses wiederbekommen wollen, letztlich auch aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse eher davon absehen würden, in vielen Fällen auch berechtigte Forderungen durchzusetzen. Oder auch im Arbeitsrecht, wo die Situation ist, dass man entlassen wurde und man sich dagegen wehren will, und im Grunde auf so etwas wie Prozesskostenhilfe angewiesen ist."

    Der Anwalt betreut gerade eine Mandantin, die ihre Miete kürzt, weil ihr Vermieter die Mängel in ihrer Wohnung nicht beseitigt:

    "Die hat auch Prozesskostenhilfe bekommen. Da wird jetzt ein Sachverständiger, weil es ist relativ kompliziert, es geht um Heizungen und mangelhafte Heizleistungen, da wird jetzt ein Sachverständiger kommen, und da kann sie froh sein, dass sie von den Kosten befreit ist. Weil, wenn sie den Prozess selbst hätte bezahlen müssen, hätte man wahrscheinlich überlegen müssen, den Forderungen des Vermieters doch in einem größeren Umfang nachzugeben, weil das Risiko der Kosten eines solchen Gutachtens doch sehr hoch ist."

    Auch wenn Empfänger von Prozesskostenhilfe teure Gutachten erst einmal nicht selbst zahlen müssen, gehen sie doch ein Risiko ein, wenn sie klagen oder sich als Beklagte vor Gericht wehren. Wer nämlich seinen Prozess verliert, muss den gegnerischen Anwalt bezahlen - dafür kommt die Prozesskostenhilfe nicht auf. Und wer gewinnt, muss von seinem Gewinn die Prozesskostenhilfe zurückzahlen; jedenfalls solange er dadurch nicht unter die festgelegte Armutsgrenze sackt.
    Also sind auch heute schon etliche Hürden zu überwinden, bevor der Staat PKH - womöglich als "verlorenen Zuschuss" - bezahlt. CDU-Rechtsexperte Jürgen Gehb meint, die heutigen Bestimmungen verhinderten aber nicht, dass Menschen aus reiner "Prozesshanselei" oder sogar "rechtsmissbräuchlich" vor Gericht ziehen und den Steuerzahler belasten:

    "Generell ist es so: Derjenige, der von seinem eigenen Geld sich etwas kaufen muss, und auch Kosten zahlen muss für Anwälte oder Ärzte oder auch für sonstige Anschaffungen, geht natürlich damit immer etwas behutsamer um, als derjenige, der ohne Risiko aus Steuerzahlergeld dasselbe machen will. Typisches Beispiel: In der DDR früher wurde geheizt bei offenem Fenster, weil die Kosten ohnehin übernommen worden sind; auch das hat man heute zum Teil bei Hartz-IV-Wohnungen - also von daher ist es auch ein heilsamer Druck, dass man die Prozesskostenhilfe ein bisschen sinnvoller und nicht mehr sozusagen ungeprüft für jedes Rechtsbegehren und für alle Einkommensverhältnisse zahlen will."
    Deshalb also muss in den Augen der Gesetzesbefürworter diese Sozialleistung sinken. Im Wesentlichen sollen das vier neue Bestimmungen bewirken:
    1. Die Bedürftigkeitsgrenze für PKH wird erheblich abgesenkt. Wenn ein Alleinstehender bisher ca. 1.000 Euro verdienen durfte, um PKH als Zuschuss zu bekommen, darf er in Zukunft nur noch ca. 650 Euro an Einkünften haben. Künftig erhalten nur noch Sozialhilfe- und Arbeitslosengeld II Empfänger den Zuschuss.

    2. Wer über mehr Geld verfügt, aber dennoch als bedürftig im Sinne des Gesetzes gilt, erhält PKH nur noch als Kredit. Der zinslose Kredit muss komplett zurückgezahlt werden, auch wenn die Ratenzahlung mehr als die bisher gültigen vier Jahre dauert.

    3. Wer im Prozess einen Sieg in Euro und Cent erstreitet, muss das Geld vorrangig zur Rückzahlung der Prozesskostenhilfe einsetzen, auch wenn sein Einkommen durch die Ratenzahlung auf Arbeitslosengeld II Niveau sackt.

    4. Für so genannte Bagatelleverfahren, das können zum Beispiel Zivilrechtsstreitigkeiten von unter 100 Euro sein, soll keine Prozesskostenhilfe mehr gewährt werden.
    Zwei weitere Punkte, die im Gesetzentwurf noch enthalten sind, wurden in den bisherigen Verhandlungen der großen Koalition offensichtlich schon gekippt. Und zwar eine einmalige Gebühr für jeden Prozesskostenhilfe-Empfänger von 50 Euro und eine zweite Gebühr für diejenigen, die Prozesskostenhilfe als zinslosen Kredit erhalten, von noch einmal 50 Euro.

    Die Gebühr für alle Empfänger war unter anderem von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi heftig kritisiert worden: 50 Euro entsprächen bei Arbeitslosengeld-II-Beziehern zehn Tagessätzen für Essen und Trinken. Wer diese Gebühr verlange, hebele entgegen aller hehren Bekenntnissen, die Rechtswegegarantie für Arme aus. Bernhard Jirku aus der Bundesverwaltung von Verdi:

    "Man muss sich natürlich fragen, ob es nicht Leute gibt in diesem Staat, die für die armen Schichten dieser Bevölkerung den Rechtsstaat nicht mehr vollständig zur Verfügung stellen wollen. Und das wäre ein handfester Skandal."
    Auch das sozialdemokratisch geführte Bundesjustizministerium hatte sich gegen die Gebühr gewandt. Ebenso sei die Zinsersatzgebühr für die Bezieher eines Prozesskostenhilfe -Kredits bedenklich. Die CDU/CSU-Fraktion hingegen unterstützt die Gebührenidee bis heute. Rechtspolitiker Jürgen Gehb meint zur Kritik:

    "Das halte ich beim ersten Ansehen für nachdenkenswert. Auch hier muss man gucken: Wer wirklich mit dem Cent rechnen muss, für den sind 50 Euro natürlich auch schon eine Größe. Auf der anderen Seite werden 50 Euro auch von Hartz-IV Empfängern durchaus für Güter ausgegeben, wo man sich auch überlegen kann, ob das sinnvoll ist oder nicht sinnvoll ist."
    Der Widerstand des sozialdemokratischen Koalitionspartners scheint jedoch die Initiatoren des Gesetzes tatsächlich zum Verzicht auf die Gebühren geführt zu haben.

    Die niedersächsische Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann, CDU, "Berichterstatterin" des Bundesrates in Sachen PKH-Begrenzungsgesetz:

    "Diese 50 Euro Eigenbeteiligung ist aus der aktuellen Diskussion herausgenommen worden, die ist eigentlich gar nicht mehr das Thema. Auch vom Volumen her ist das nicht ein maßgeblicher Betrag, muss ich ganz klar sagen."
    Tatsächlich ertragreicher als diese Gebühr, die nach Berechnungen der Länder 5,4 Millionen Euro einbringen sollte, sind die anderen Vorhaben des Bundesrates. Nämlich die Einführung so genannter Bagatellefälle, für die es keine Prozesskostenhilfe mehr geben soll, die Senkung der Armutsgrenze für die Prozesskostenhilfe und die Verpflichtung, alles Geld, was man in einem Prozess Erstritten hat, für die Prozesskostenhilfe zurückzuzahlen. Elisabeth Heister-Neumann:

    "Wenn jetzt das Gericht hingeht oder der Rechtspfleger und stellt fest, erstens, die finanziellen Gegebenheiten sind so, dass diese Unterstützung notwendig ist, zweitens, der Prozess ist nicht mutwillig, drittens, der hat auch noch Aussicht auf Erfolg: dann soll er das Darlehen erhalten, um diesen Rechtsanspruch auch geltend zu machen. So, jetzt macht er den geltend und jetzt ist er auch erfolgreich. Und bekommt beispielsweise durch diesen erfolgreichen Rechtsstreit einen Betrag von, gegriffen, 50.000 Euro wieder. Oder 100.000 Euro. Wie auch immer, irgendeinen Betrag bekommt er wieder. Warum soll der Staat, also die Allgemeinheit, die anderen, dann diesen Prozess bezahlen, wenn er Mittel hat, diesen Prozess auch zu finanzieren?"
    100.000 Euro müsste ein PKH-Empfänger allerdings auch jetzt schon zur Rückzahlung der PKH einsetzen. Und erst recht solche Beträge, von denen der CDU-Rechtsexperte Jürgen Gehb ausgeht:

    "Stellen Sie sich vor, sie führen einen Prozess in Millionenhöhe, gibt es ja. Den könnte auch ich nicht führen, weil ich im Verhältnis zu den Kosten arm bin. Und nun gewinne ich den Prozess, nachdem ich vorher Prozesskostenhilfe bekommen hab. Und dann soll ich aus diesem Millionengewinn nicht die Kosten, die vielleicht doch noch auf mich entfallen, obwohl ich überwiegend gewonnen hab, zahlen müssen?! Ist das so unbotmäßig? Das verstößt gegen keinen Artikel des Grundgesetzes, das hat weder was mit Artikel 3 zu tun noch mit Artikel 19, das hat was damit zu tun, dass auf diesem Gebiet, wie auch vielen anderen Gebieten, Leute meinen, sich regen zu müssen, die wirklich wie der Blinde von der Farbe sprechen."
    Allerdings erstreiten Bedürftige vor Gericht solche Beträge eher selten. 2.200 Euro, so heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, haben PKH-Empfänger bei einem Sieg vor den Arbeitsgerichten durchschnittlich erhalten.
    Der sozialdemokratische Koalitionspartner unterstützt, bei aller Kritik an den Gebührenzahlungen, die anderen Vorschläge des CDU-geführten Bundesrates im Prinzip: man unterstütze, so die Stellungnahme des Justizministeriums, Zitat, "grundsätzlich die vorgesehene Korrektur der Bewilligungsvoraussetzungen". Der parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium Alfred Hartenbach, SPD:

    "Wir wollen ja, dass weiterhin die Menschen ihr Recht verfolgen können. Nur wir möchten, dass dies nicht auf Teufel komm raus geschieht. Sondern dass man sich überlegt, macht das überhaupt einen Sinn, hier einen Prozess zu führen und würde ich diesen Prozess führen, wenn ich die Prozesskosten selbst bezahlen muss. Das kann nicht so sein, dass man sagt, der Staat zahlt ja alles, also kann mir es egal sein."

    "Die Bedürftigen sind ja in Deutschland in der letzten Zeit sowieso immer ins Gerede gekommen, sie werden als Schmarotzer und die Prozesskostenhilfeanträge als mutwillig und rechtsmissbräuchliche Streithansel angesehen."

    Der Sprecher der Neuen Richtervereinigung, Wilfried Hamm, vermutet, dass das neue Gesetz, auch wenn es etwas gemildert den Bundestag passieren sollte, ärmeren Bevölkerungskreisen künftig den freien Zugang zum Gericht verstellt. Es sei mittlerweile üblicher Sprachgebrauch in der Politik, erst recht unter Justizpolitikern und -beamten, Menschen, die sich wegen so genannter Bagatellebeträge ans Gericht wenden, als Prozesshansel zu bezeichnen. Wer sich künftig mit seinem Vermieter um 100 Euro streite oder sich gegen 100 Euro unberechtigten Bußgelds wehre, könne das nur noch, wenn er nicht zu den Armen gehöre. Denen werde für solche Prozesse keine Hilfe mehr zuteil - obwohl gerade sie die 100 Euro am nötigsten hätten.

    "Das ist die Denkungsart, die in Deutschland in allen Bereichen im Augenblick herrscht: Kosten-Nutzen-, Kosten-Leistungsrechnung, Leistungsbezahlung. Die wahren Macher hinter all diesen Bereichen sind dann die Finanzminister.
    Das ist eine Entsolidarisierung, auch Privatisierung, das ist ein schönes Wort eigentlich in diesem Bereich.
    Und wenn ich dann auch zu der Anhörung geladen bin, müsste ich eigentlich sagen: zu diesem Machwerk gibt es keine Stellungnahme, weil es einfach offensichtlich gegen das Sozialstaatsprinzip verstößt."

    Die Gewerkschaft Verdi sammelt zurzeit Unterschriften gegen das Gesetz. Sie hofft unter anderem dadurch mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu wecken für den anstehenden Paradigmenwechsel in der Rechtspolitik. So nennt sie selbst jedenfalls das, was mit dem "Gesetz zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe" in die Wege geleitet wird.