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Weniger Sitzenbleiber - weniger Probleme zuhause

Eine Studie der Bertelsmannstiftung kommt zu dem Ergebnis, dass ein ganztägiger Schulbetrieb rundherum positive Effekte zeige. Eine bundesweite Umwandlung allgemeinbildender Schulen in Ganztagsschulen käme jedoch teuer.

Claudia van Laak |
    Ganztagsschule ist nicht gleich Ganztagsschule – und viele Bildungsministerien kleben gerne das entsprechende Etikett an eine Schule, ohne dass der Inhalt stimmt – so die Quintessenz der Bildungsforscher in der heute vorgelegten Studie für die Bertelsmannstiftung.

    Der Direktor des Deutschen Jugendinstituts Thomas Rauschenbach nennt vier Bedingungen für eine wirklich gute Ganztagsschule: Erstens muss sie Kinder individuell fördern, zweitens muss sie den Wechsel von Unterricht und Freizeit anders gestalten – weg von der 45-Minuten-Stunde, drittens sollte sie ein attraktives Freizeitangebot anbieten, das auch das soziale Lernen betont.

    "Und schlussendlich soll sie die Kooperation innerhalb der Schule zwischen den Lehrern fördern, aber auch die Kooperation mit den nichtschulbezogenen Akteuren wie Sport, kulturelle Jugendbildung und anderen, sodass möglicherweise in der Lebenswelt der Kinder eine bessere Verbindung von schulischen und nichtschulischen gelingt, das wären vier Komponenten, die eine gute Ganztagsschule ausmachen."

    Nur wenn all diese Bedingungen erfüllt sind und wenn die gesamte Klasse regelmäßig das Ganztagsangebot nutzt, erst dann zeigt diese Schulform rundherum positive Effekte. Die Kinder verhalten sich sozialer, die Lernmotivation steigt, sagt Jörg Dräger, Bildungsvorstand der Bertelsmannstiftung:

    "Die ersten Untersuchungen zeigen, dass die Zahl der Sitzenbleiber in den Ganztagsschulen deutlich geringer ist als in den Halbtagsschulen. Hier haben wir eine Gruppe von Schülern, die deutlich profitiert, und es zeigt sich auch, dass das Verhältnis von Schülern und Eltern deutlich entlastet wird."

    Denn die Schüler haben ihre Hausaufgaben bereits erledigt, wenn sie nach Hause kommen. In den letzten Jahren hat sich eine bunte Ganztagsschullandschaft entwickelt. Das geht von Schulen, die normalen Halbtagsunterricht machen und nachmittags Arbeitsgemeinschaften anbieten bis zu den gebundenen Ganztagsschulen, in denen sich Unterricht und Freizeit abwechseln und wo der Besuch bis zum Nachmittag Pflicht für alle ist. Jörg Dräger geht davon aus, "dass die verbindliche gebundene Ganztagsschule, dass dieses verbindliche Modell das Bessere ist und dies sollte als Zielbild für die Entwicklung der deutschen Ganztagsschulen formuliert werden."

    Doch nur 13 Prozent der Kinder besuchen momentan eine gebundene Ganztagsschule, die Plätze sind rar, denn sie ist die teuerste Schulform. Der Bildungsforscher Klaus Klemm hat ausgerechnet, was es kosten würde, alle Schulen in Deutschland entsprechend umzuwandeln:

    "Wenn man alle allgemeinbildenden Schulen Deutschlands ganztägig in dieser Weise betreiben würde an fünf Tagen, dann würde das bei insgesamt neun Milliarden Euro landen bis 2020."
    Sinnvoll investierte Milliarden seien das, meint der Bildungsforscher Klaus Klemm. Die Bertelsmannstiftung schlägt nun vor, dass der Bund die Länder und Kommunen langfristig finanziell besser ausstattet, damit diese flächendeckend Ganztagsschulen einrichten können. Die benötigten neun Milliarden Euro könnten durch Umschichtungen im Bundeshaushalt aufgebracht werden – auf das Betreuungsgeld könne verzichtet werden, das Kindergeld gekürzt, gut Verdienende bräuchten außerdem kein Elterngeld. Die Bertelsmannstiftung fordert in letzter Konsequenz einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsschule für alle Schüler.

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