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Weniger Zugvögel im Wattenmeer

Das Wattenmeer ist eine Hauptdrehschreibe des Vogelzuges: Viele Vögel legen hier auf ihrem Weg nach Norden oder Süden eine Rast ein. Doch in den vergangenen zehn Jahren sind es immer weniger geworden. Und weniger Vögel im Watt heißt auch, weniger Tiere dieser Arten überall, zum Beispiel in den Brutgebieten.

Von Regina Bartel |
    Millionen von Zugvögeln ziehen im Frühjahr und Herbst durch das Wattenmeer: Auf ihrer Reise von Süd nach Nord und Nord nach Süd ist das Watt und seine Küste eines der wichtigsten Rastgebiete. Doch die Wasser- und Watvögel werden weniger. Dem einzelnen Spaziergänger auf dem Deich fällt das noch nicht auf. Doch für Wissenschaftler wie Thorsten Krüger, Biologe am Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz ist der Trend deutlich:

    "Es sind nicht alle Vögel weniger geworden aber besorgniserregende 65 Prozent der 34 wichtigsten Vogelarten im Wattenmeer, das sind nämlich all jene, für die das Wattenmeer ein so genannter Trittstein ist, entweder als Überwinterungsgebiet oder aber als Durchzugsgebiet, auf dem Weg zu einem weiter entfernt liegenden Rast- oder Überwinterungsgebiet. 65 Prozent dieser 34 Wat- und Wasservogelarten sind im Bestand rückläufig und nur 4 Arten haben im gleichen Zeitraum im Bestand in der selben Zeit zugenommen."

    Der Untersuchungszeitraum umfasst eine Spanne von fast dreißig Jahren, in denen in Dänemark, den Niederlanden und Deutschland, regelmäßige Zählungen durchgeführt wurden. Mehrere hundert zumeist ehrenamtliche Mitarbeiter beteiligen sich an der Datenerfassung. Regelmäßig zählen sie - alle gleichzeitig - von Herbst bis Frühjahr die Rastvögel im Watt.

    Seit zehn Jahren zählen sie immer weniger Tiere. Zum Beispiel bei der Ringelgans fehlt ein Drittel der früheren Bestände. Das Watt ist eine Hauptdrehscheibe des Vogelzuges. Weniger Vögel im Watt, das heißt somit: Weniger Tiere dieser Arten überall, zum Beispiel in den Brutgebieten, wie sich auf einer Expedition des Europäischen Blessgansforschungsprojektes bestätigt hat, Expeditionsleiter Dr. Helmut Kruckenberg:

    "Wir waren jetzt diesen Sommer 2006 auf der russischen Insel Kolgujev, die liegt im Eismeer und haben dort Untersuchungen zu den Brutvögeln, also Wildgänsen aber auch Watvögeln durchgeführt und kommen da zu dem Schluss dass die Ergebnisse ziemlich ähnlich sind wie die Ergebnisse der Gastvögel im Wattenmeer.

    Bestimmte Arten haben sehr deutlich abgenommen: Alpenstrandläufer zum Beispiel, Goldregenpfeiffer, einige Arten, die im Binnenland rasten auch, Zwergschwan zum Beispiel. Und das zeigt eben, dass das Wattenmeer nicht isoliert da steht, sondern das es ganz klar Verbindungen in die Brutgebiete in der Arktis gibt und sicherlich auch in die afrikanischen Wintergebiete."

    Weniger Zugvögel im Watt, weniger Individuen derselben Arten in den Brutgebieten, weniger Tiere der Art im Überwinterungsgebiet. Einzelne negative Faktoren sind bekannt, so ist zum Beispiel im Watt die mancherorts in den Niederlanden noch erlaubte und betriebene Herzmuschelfischerei schlecht für die Bestände des Knutts, nimmt sie dieser Strandläuferart doch ihr Futter. Generell sind die Gründe für den Vogelrückgang aber weitgehend unklar:

    "Wahrscheinlich dürfen wir auch alle nicht nach dem einen Faktor suchen sondern es ist eine Kombination aus all diesen Faktoren, sprich: möglicherweise Beeinträchtigung im Brutgebiet, eventuell Beeinträchtigung im Überwinterungsgebiet, Beeinträchtigung entlang des Zugweges, das alles spielt zusammen, und was wir noch gar nicht in diesem Zusammenhang diskutiert haben ist das, was wir unter Global Warming zusammenfassen unter Klimaveränderung auf der Erde. Und da kann es eben so sein, dass die Vögel damit zu kämpfen haben, dass sich ihr Brutgebiet drastisch verkleinert."

    Anstieg des Meeresspiegels und Verschiebung der Baumgrenze nach Norden - die Tundra schrumpft. In der Arktis wirkt sich der Klimawandel drastischer aus, als in Mitteleuropa. Internationale Projekte sind nötig, allein vor der eigenen Haustür zu forschen ist nicht genug:

    "Es reicht nicht, nur im Wattenmeer zu gucken und zu sehen, was da passiert, sondern wir haben es hier mit einem Zugweg von der Arktis nach Afrika zu tun. Die Rückgänge können durch Probleme irgendwo auf diesem Zugweg verursacht werden und diesen Flaschenhals muss man jetzt erst mal finden, um Lösungen dafür entwickeln zu können.

    Man kann sich natürlich auch hinstellen und einfach sagen: Gut, es ist nicht unsere Schuld und wir tun da nix gegen - nur gerade der Naturschutz hat doch in den achtziger Jahren hart daran gearbeitet, dieses Wattenmeer, dieses einzigartige Gebiet für die Vögel, als Nationalpark sicher zu stellen, da kann man nun nicht einfach sagen, weil das vielleicht ein bisschen Geld kostet, ist uns das dann irgendwie egal."