"In dieser Nacht war das Wetter außergewöhnlich. Blitze erleuchteten den Himmel, Donner erschütterte die Berge, und dann fing es an, heftig zu regnen. Es regnete nicht lange, aber so stark, wie ich es noch nie erlebt hatte."
In der kleinen Stadt Leh, der Hauptstadt von Indiens nördlichster Provinz Ladakh, schildert der Bauer Karma Jamyang die Ereignisse der Nacht zum 6. August diesen Jahres. Karma Jamyang und seine Familie konnten damals nur knapp dem Tode entrinnen.
"Plötzlich barst die Haustür, Wasser und Schlamm schossen herein. Wir gerieten in Panik. Wir wollten weg, aber wohin? Rechts und links reißendes Wasser, Schlamm und Steine. Wir kletterten aufs Dach, wo wir einstweilen sicher waren. Aber wir hatten Todesangst und flehten die Götter an, uns zu retten. Später, als es hell wurde und die Flut nachließ, nahm ich meine Kinder auf die Schultern und suchte einen Weg durch den Schlamm zur Straße."
Karma Jamyang verlor sein ganzes Hab und Gut, begraben unter meterhohen Schlammmassen. Der Wolkenbruch am 6. August forderte in Leh und Umgebung fast 200 Menschenleben. Die Stromversorgung und sämtliche Telefonnetze brachen zusammen. Viele Brücken wurden fortgerissen, die beiden einzigen Straßenverbindungen waren mehr als eine Woche lang unpassierbar. Es drohten Versorgungsengpässe.
Ladakh ist eine Hochwüste, 3500 Meter über dem Meer im Regenschatten des Himalaya-Gebirges gelegen. Hier regnet es normalerweise nicht mehr als in der Sahara. Der Oberlauf des Indus und seine Zuflüsse, gespeist von Schneefeldern und Gletschern auf den bis zu 7500 Metern hohen Bergen, bieten die einzige ganzjährig verfügbare Wasserquelle. Der Sturzregen im vergangenen August war also ein außergewöhnliches Wetterereignis. Vielleicht auch eine Folge des weltweiten Klimawandels? Nach Angaben des internationalen Forschungsinstituts für die Himalaya-Hindukhush-Region ICIMOD in Kathmandu, Nepal erwärmt sich das Klima in der Hochgebirgsregion stärker als im Weltdurchschnitt. Die französische Entwicklungsagentur GERES, die in Ladakh Sonnenkollektoren und Solarhäuser fördert, hat im vergangenen Jahr eine umfangreiche Studie zum Klimawandel veröffentlicht. GERES-Mitarbeiter Samten Choephel fasst die Ergebnisse zusammen:
"Die Messdaten der Wetterstation in Leh belegen, dass sich die Tiefsttemperatur im Winter um ein ganzes Grad erhöht hat. Die Tageshöchsttemperaturen im Sommer sind um fast ein halbes Grad gestiegen."
Die überwiegende Mehrheit der befragten Dorfbewohner bestätigte diese Trends, meint Samten Choephel. Die Befragung habe auch gezeigt, dass im Winter weniger Schnee falle und das Wetter wärmer werde. Viele Bauern beobachteten, dass ihre Obstbäume früher blühen, dass Zugvögel länger bleiben, dass man heute selbst in hochgelegenen Lagen Weizen ernten kann, wo früher nur die genügsamere Gerste wuchs. Im Wüstenklima von Ladakh ist die Landwirtschaft vollständig auf künstliche Bewässerung angewiesen. Früher konnten die Bauern Schmelzwasser der tieferen Lagen nutzen, um ihre Saat im April zu bewässern. Weil jetzt in den Tälern erheblich weniger Schnee fällt, müssen sie auf das Schmelzwasser aus den Hochlagen warten, das erst ab Juni in die Täler fließt.
"Die Mehrzahl der Dorfbewohner, ich würde sagen rund 80 Prozent, sind auf das Schmelzwasser der Gletscher angewiesen, zum Trinken und Kochen, aber auch zur Bewässerung der Felder. Einerseits fällt weniger Schnee, andererseits werden die Sommer wärmer. Das Resultat: Die Gletscher schmelzen rasant ab. Aber deren Schmelzwasser trifft zu spät in den Tälern ein. Für die Aussaat im April steht nicht genug Wasser zur Verfügung. Viele Bauern erleiden Ernteverluste."
Die Gletscherforschung im Himalaya steckt noch in den Kinderschuhen. Erst im vergangenen Jahr richtete die indische Regierung im Himalaya-Städtchen Dehra Dun ein Zentrum für Gletscherforschung ein. Dort beschäftigt sich Dr. Dwarijka Dhobal mit dem Klimawandel.
"Nach meiner Erfahrung befinden sich fast alle Gletscher im Himalaya auf dem Rückzug. Natürlich gibt es große Unterschiede, aber die meisten Gletschertore, durch die das Schmelzwasser austritt, bewegen sich zwischen fünf und zwanzig Meter pro Jahr zurück. Auch das Volumen sinkt, die Eisschichten werden um durchschnittlich 30 cm pro Jahr dünner. Das ist ein Riesenproblem, denn Millionen Menschen sind von dem Schmelzwasser der Gletscher abhängig."
Weitere Teile der Sendereihe:
Holland in Not Teil 1 der Sendereihe: "Was passiert, wenn in Cancun nichts passiert" (22.11.2010)
In der kleinen Stadt Leh, der Hauptstadt von Indiens nördlichster Provinz Ladakh, schildert der Bauer Karma Jamyang die Ereignisse der Nacht zum 6. August diesen Jahres. Karma Jamyang und seine Familie konnten damals nur knapp dem Tode entrinnen.
"Plötzlich barst die Haustür, Wasser und Schlamm schossen herein. Wir gerieten in Panik. Wir wollten weg, aber wohin? Rechts und links reißendes Wasser, Schlamm und Steine. Wir kletterten aufs Dach, wo wir einstweilen sicher waren. Aber wir hatten Todesangst und flehten die Götter an, uns zu retten. Später, als es hell wurde und die Flut nachließ, nahm ich meine Kinder auf die Schultern und suchte einen Weg durch den Schlamm zur Straße."
Karma Jamyang verlor sein ganzes Hab und Gut, begraben unter meterhohen Schlammmassen. Der Wolkenbruch am 6. August forderte in Leh und Umgebung fast 200 Menschenleben. Die Stromversorgung und sämtliche Telefonnetze brachen zusammen. Viele Brücken wurden fortgerissen, die beiden einzigen Straßenverbindungen waren mehr als eine Woche lang unpassierbar. Es drohten Versorgungsengpässe.
Ladakh ist eine Hochwüste, 3500 Meter über dem Meer im Regenschatten des Himalaya-Gebirges gelegen. Hier regnet es normalerweise nicht mehr als in der Sahara. Der Oberlauf des Indus und seine Zuflüsse, gespeist von Schneefeldern und Gletschern auf den bis zu 7500 Metern hohen Bergen, bieten die einzige ganzjährig verfügbare Wasserquelle. Der Sturzregen im vergangenen August war also ein außergewöhnliches Wetterereignis. Vielleicht auch eine Folge des weltweiten Klimawandels? Nach Angaben des internationalen Forschungsinstituts für die Himalaya-Hindukhush-Region ICIMOD in Kathmandu, Nepal erwärmt sich das Klima in der Hochgebirgsregion stärker als im Weltdurchschnitt. Die französische Entwicklungsagentur GERES, die in Ladakh Sonnenkollektoren und Solarhäuser fördert, hat im vergangenen Jahr eine umfangreiche Studie zum Klimawandel veröffentlicht. GERES-Mitarbeiter Samten Choephel fasst die Ergebnisse zusammen:
"Die Messdaten der Wetterstation in Leh belegen, dass sich die Tiefsttemperatur im Winter um ein ganzes Grad erhöht hat. Die Tageshöchsttemperaturen im Sommer sind um fast ein halbes Grad gestiegen."
Die überwiegende Mehrheit der befragten Dorfbewohner bestätigte diese Trends, meint Samten Choephel. Die Befragung habe auch gezeigt, dass im Winter weniger Schnee falle und das Wetter wärmer werde. Viele Bauern beobachteten, dass ihre Obstbäume früher blühen, dass Zugvögel länger bleiben, dass man heute selbst in hochgelegenen Lagen Weizen ernten kann, wo früher nur die genügsamere Gerste wuchs. Im Wüstenklima von Ladakh ist die Landwirtschaft vollständig auf künstliche Bewässerung angewiesen. Früher konnten die Bauern Schmelzwasser der tieferen Lagen nutzen, um ihre Saat im April zu bewässern. Weil jetzt in den Tälern erheblich weniger Schnee fällt, müssen sie auf das Schmelzwasser aus den Hochlagen warten, das erst ab Juni in die Täler fließt.
"Die Mehrzahl der Dorfbewohner, ich würde sagen rund 80 Prozent, sind auf das Schmelzwasser der Gletscher angewiesen, zum Trinken und Kochen, aber auch zur Bewässerung der Felder. Einerseits fällt weniger Schnee, andererseits werden die Sommer wärmer. Das Resultat: Die Gletscher schmelzen rasant ab. Aber deren Schmelzwasser trifft zu spät in den Tälern ein. Für die Aussaat im April steht nicht genug Wasser zur Verfügung. Viele Bauern erleiden Ernteverluste."
Die Gletscherforschung im Himalaya steckt noch in den Kinderschuhen. Erst im vergangenen Jahr richtete die indische Regierung im Himalaya-Städtchen Dehra Dun ein Zentrum für Gletscherforschung ein. Dort beschäftigt sich Dr. Dwarijka Dhobal mit dem Klimawandel.
"Nach meiner Erfahrung befinden sich fast alle Gletscher im Himalaya auf dem Rückzug. Natürlich gibt es große Unterschiede, aber die meisten Gletschertore, durch die das Schmelzwasser austritt, bewegen sich zwischen fünf und zwanzig Meter pro Jahr zurück. Auch das Volumen sinkt, die Eisschichten werden um durchschnittlich 30 cm pro Jahr dünner. Das ist ein Riesenproblem, denn Millionen Menschen sind von dem Schmelzwasser der Gletscher abhängig."
Weitere Teile der Sendereihe:
Holland in Not Teil 1 der Sendereihe: "Was passiert, wenn in Cancun nichts passiert" (22.11.2010)