Zum Beispiel deshalb, weil es der vernünftigen Welt der Erwachsenen kompromisslos gegenübertritt: mit seinen ganz eigenen Bedürfnissen, seiner unfreiwilligen Komik und seinen entlarvenden Fragen. Spätestens in der Pubertät auch mit großer Skepsis. Und trotz Volljährigkeit und eigenständigem Leben bleibt ein Kind für seine Eltern immer Kind.
Die Lange Nacht betrachtet die verschiedensten Facetten der Liebe zum Kind: den Zauber und das große Glück; die Trauer, wenn ein Kind geht, und die Verzweiflung, wenn nie eines kommt; den Stolz; die Enttäuschung, wenn es sich nicht so entwickelt, wie die Eltern es sich vorgestellt haben. Die Sendung fühlt der Gesellschaft auf den Zahn, die Kinder für so wertvoll erklärt und dringend für die Rentenkasse braucht. Kurzum, sie geht der Frage nach: Was ist eigentlich dran an unserer Liebe zum Kind?
Die Studiogäste:
Dr. Susanne Mayer
Susanne Mayer arbeitet als Redakteurin für die Wochenzeitung DIE ZEIT und lebt mit ihren zwei Kindern in Hamburg. Viele Veröffentlichungen zum Thema Familienpolitik, Kindheit, Frauenpolitik und Bildung. Für ihre Arbeit wurde sie mit dem Theodor-Wolff-Preis für Nachwuchsjournalisten und zweimal mit dem Emma- Journalistinnenpreis ausgezeichnet.
Buchtipp:
Susanne Mayer
Deutschland, armes Kinderland.
Wie die Ego-Gesellschaft unsere Zukunft verspielt.
Plädoyer für eine neue Familienkultur
Eichborn, 2002
Massive Privilegien für Familien!
Kinder in ihre vollen Bürgerrechte
einsetzen!
Radikaler Umbau des Sozialsystems!
Elternteilzeit bei 90 Prozent Lohn!
Das sind nur einige der grundstürzenden Forderungen, mit denen Susanne Mayer den Kollaps der deutschen Gesellschaft vermeiden will. Ihre Analyse ist aufrüttelnd: In vielen deutschen Großstädten scheint es, als gäbe es keine Familien mehr. Über 50 Prozent der Menschen leben in Single-Haushalten und müssen ihr Einkommen mit niemandem teilen. Wer hingegen ein Kind großzieht oder gar mehrere Kinder hat, gerät schnell in die Armutsfalle. Zwar predigt die Politik, wie bereichernd Kinder seien, zwar wissen alle, dass unsere Sozialsysteme ohne die nachwachsende Generation zusammenbrechen werden, doch in der gesellschaftlichen Realität sorgen die krassen Benachteiligungen von Eltern dafür, dass sich besonders junge gebildete Frauen immer seltener für das Risiko Kind entscheiden. So geht ein Riss durch das arme reiche Deutschland, die Kluft zwischen Kinderlosen und Eltern wird immer tiefer, eine neue Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht. Susanne Mayers aufrüttelnder Bericht kommt von der Bestandsaufnahme und Analyse des gesellschaftsbedrohenden Skandals zu möglichen Auswegen aus der Krise.
Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler
Sozialwissenschaftlerin an der FH Köln
Mutter von fünf Pflege- und Adoptivkindern, sechsfache Großmutter
2. Vorsitzende der Janusz-Korczak.de
Buchtipp:
Sigrid Tschöpe-Scheffler
Kinder brauchen Wurzeln und Flügel.
Erziehung zwischen Bindung und Autonomie.
Edition Psychologie und Pädagogik.
2. Aufl. 2002. -MATTHIAS-GRÜNEWALD-VERLAG-
Die Laisser-faire-Erziehung der siebziger Jahre hat nicht nur befreit, sondern auch verunsichert und entwurzelt. Mittlerweile setzt sich in der Praxis die Erkenntnis durch, dass Kinder auch Grenzen brauchen, um eine sichere Identität entwickeln zu können. Sigrid Tschöpe-Scheffler zeigt, wie Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen das Gleichgewicht zwischen Verankerung und Freiheit, Grenzensetzen und Loslassen finden können, ohne in autoritäre Erziehungsstile zurückzufallen. Dabei müssen die Erwachsenen auch über ihr eigenes Leben nachdenken. Denn Erziehung wird sehr viel weniger von Methoden und Rezepten bestimmt, als von unserer grundsätzlichen Haltung dem Leben, den Mitmenschen und dem eigenen Sein gegenüber. Der Balanceakt zwischen Bindung und Autonomie ist eine lebenslange Aufgabe.
Prof. Siegfried Willutzki
2001 wurde der langjährige Vorsitzenden des Deutschen Familiengerichtstages e.V., Professor Willutzki, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. In der Laudatio sagte die damalige Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin:
"Professor Willutzki hat den Deutschen Familiengerichtstag nicht nur mitbegründet, sondern er hat diese kompetente und allgemein anerkannte Institution über viele Jahre durch seine herausragende Persönlichkeit wesentlich mitgeprägt", so die Bundesjustizministerin. "Seine besondere Fachkompetenz und diplomatisches Geschick hat er gerade in jüngster Zeit zur Bewältigung von binationalen Sorgerechtskonflikten einbringen können. Er hat maßgeblich an der Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung und bei der Klärung problematischer Sorgerechtskonflikte mitgewirkt. Prof. Willutzki hat das Familienrecht jahrzehntelang wesentlich mitgestaltet. Dafür danke ich ihm persönlich und freue mich, dass ich die Ehre habe, ihm auch im Namen der Bundesrepublik durch die Verleihung des Verdienstordens zu danken." Weiterlesen:
Siegfried Willutzki
Biografie:
Kompetenz-Netzwerk für Manager und Nachwuchskräfte!
Peter Handke:
Kinderlied
Als das Kind Kind war,
wusste es nicht,
dass es Kind war,
alles war ihm beseelt
Als das Kind Kind war,
ging es mit hängenden Armen,
wollte, der Bach sei ein Fluss,
der Fluss sei ein Strom
und diese Pfütze das Meer.
Als das Kind Kind war,
wusste es nicht, dass es Kind war,
alles war ihm beseelt,
und alle Seelen eins.
Als das Kind Kind war,
hatte es von nichts eine Meinung,
hatte keine Gewohnheit,
saß oft im Schneidersitz,
lief aus dem Stand,
hatte einen Wirbel im Haar
und machte kein Gesicht beim Fotografieren.
Als das Kind Kind war,
war das die Zeit der folgenden Fragen:
Warum bin ich Ich und
warum nicht Du?
Warum bin ich hier und
Warum nicht dort?
Wann begann die Zeit
und wo endet der Raum?
Ist das Leben unter der Sonne
nicht bloß ein Traum?
Ist, was ich sehe und höre und rieche,
nicht bloß der Schein
einer Welt vor der Welt?
Gibt es tatsächlich das Böse
und Leute, die wirklich die Bösen sind?
Wie kann es sein, dass ich, der Ich bin,
bevor ich wurde, nicht war,
und dass einmal ich,
der Ich bin, nicht mehr der,
der Ich bin, sein werde.
Als das Kind Kind war,
würgte es am Spinat, an den Erbsen, am Milchreis und
am gedünsteten Blumenkohl,
und isst jetzt alles,
...und nicht nur zur Not.
Als das Kind Kind war,
erwachte es einmal in einem fremden Bett,
und jetzt immer wieder,
erschienen ihm viele Menschen schön, und jetzt nur
noch im Glücksfall,
stellte sich klar ein Paradies vor,
und kann es jetzt höchstens ahnen,
konnte es sich einNichts nicht denken,
und schaudert heute davor.
Als das Kind Kind war,
spielte es mit Begeisterung,
und ist jetzt,
so ganz bei der Sache wie damals nur noch, wenn diese
Sache seine Arbeit ist.
Als das Kind Kind war,
war das die Zeit der
folgenden Fragen:
Warum bin ich Ich
und warum nicht Du?
Warum bin ich hier
und warum nicht dort?
Wann begann die Zeit
und wo endet der Raum?
Ist das Leben unter der Sonne
nicht bloß ein Traum?
Als das Kind Kind war,
genügten ihm als Nahrung Apfel und Brot,
und so ist es immer noch.
Als das Kind Kind war,
fielen ihm die Beeren wie nur Beeren in die Hand,
und jetzt immer noch,
machten ihm die frischen Walnüsse eine raue Zunge,
und jetzt immer noch,
hatte es auf jedem Berg die Sehnsucht
nach dem immer höheren Berg
und in jeder Stadt die Sehnsucht
nach der noch größeren Stadt,
und das ist immer noch so,
griff im Wipfel eines Baumes
nach den Kirschen in einem Hochgefühl
wie auch heute noch,
hatte Scheu vor jedem Fremden und hat sie immer noch,
wartete es auf den ersten Schnee und wartet so immer noch.
Als das Kind Kind war,
warf es einen Stock als Lanze gegen den Baum
und sie zittert da heute noch.
aus: Wim Wenders und Peter Handke: Der Himmel über Berlin.
Ein Filmbuch.
1987, Suhrkamp Verlag Frankfurt an Main
Link(s) für Eltern, deren Kind gestorben ist:
Jährlich sterben bei uns in Deutschland etwa 20.000 Kinder. Der Tod eines Kindes bedeutet eine Familienkrise in einer kaum zu überblickenden Vielschichtigkeit und Dramatik und zwar langfristig. Der Tod zerreißt das Geflecht von Rollen, Funktionen und Beziehungsstrukturen und verändert tiefgreifend die Dynamik und das seelische Gleichgewicht einer Familie im Ganzen sowie bei den einzelnen Betroffenen - bei Vater, Mutter und Geschwistern. Das Gefüge unzähliger Familien gerät ins Wanken. Beziehungen und Kontakte nach außen werden abgebrochen. Viele Ehen zerbrechen und der Satz, dass "geteiltes Leid halbes Leid" sei, wird durch die Realität in dramatischer Weise infrage gestellt. Den hinterbliebenen Geschwistern und ihrer stummen, oft verzweifelten Trauer, können die Eltern nicht gerecht werden.
Bundesverband Verwaiste Eltern
Für die Verwaisten Eltern in Deutschland e.V. haben inzwischen viele betroffene Mütter und Väter ehrenamtlich verschiedene Aufgaben übernommen. Sie haben selbst Hilfe erfahren und helfen nun ihrerseits, vor allem da, wo ihre Erfahrungen und Kompetenz durch "Fachleute" nicht ersetzt werden kann.
Gedanken einer Mutter, die ihr Kind nicht - wie der "Mythos" es sagt, von Anfang an liebt, und natürlich Probleme damit hat
Jaden Gil ist da. Die Mutter guckt mich mit einem strahlenden Lächeln an. Steffi Graf ist überglücklich. Ich bin neidisch, denn ich bin noch kugelrund, kann mich kaum mehr bewegen, habe rote Flecken im Gesicht und verbringe das langweiligste Silvester meines Lebens. Ein Zeichen? Egal, jetzt soll das Baby erst mal endlich, endlich da sein. Bei uns ist es nicht wie bei Agassi-Grafs: Wir haben keinen eigenen Kindertrakt in unserer Mietwohnung, keine Nanny, die sich um das Kind kümmern wird. Bei uns ist das Kinderzimmer gleichzeitig Arbeitszimmer, die Grüntöne von Vorhang, Wickelkommode und Teppich passen überhaupt nicht zueinander und ich habe keine Ahnung, wie und womit ich denn nun ein Baby wickeln soll. Stoff ist besser für die Haut, Papier ist aber praktischer. Mhhh. Und überhaupt was zieht man so einem Baby in welcher Reihenfolge an? Fragen, die man niemandem zu stellen wagt.
Es kommt der Moment, da sind solche Dinge absolut egal. Ich liege da, den Wehenschreiber auf den Bauch gepappt und jedesmal, wenn der angeschlossene kleine Stift eine steile Kurve zeichnet, ziehen sich die Muskeln der Gebärmutter zusammen, drücken das Baby nach unten und ich denke, nein, ich weiß: ich werde sterben. Bestimmt, jetzt wird es passieren. Oder bei der nächsten Wehe. Dann kommen noch grauenhafte Kopfschmerzen und furchtbare Magenschmerzen hinzu. Und dann kommt Linus. Er liegt auf meinem Bauch, blutverschmiert und schaut um sich. Sein Vater liegt erschöpft neben uns und streichelt ihn. Ich fühle nichts. Bin einfach nur vollkommen fertig. Ich kann nicht schlafen, liege in meinem Krankenhausbett, mein Söhnchen im Arm und kann es einfach nicht verstehen: dieses kleine, wirklich winzige Wesen ist mein Kind. Es geht nicht, irgendwie ist die Verbindung zwischen Kopf und Herz gestört. Irgendwann schlafe ich doch ein, verschiebe das Problem auf morgen.
Auch am nächsten und übernächsten Tag ändert sich nichts: Ich erhole mich langsam. Aber ich fühle nichts. Die ersten Gratulanten kommen, alle Bekannten und Verwandten sind begeistert: ohhhhhh, wie süß, wie wunderbar. Ja, er ist süß, er ist auch wunderbar, aber wie soll ich denn jemanden lieben können, den ich gar nicht kenne? Natürlich war er schon monatelang in mir, ja klar, aber dieses "Schwangerschaftsgefühl", das Bedürfnis, das Leben in mir zu schützen und nur noch gesunde Sachen zu essen, hat nichts mit dem Baby zu tun, das nun auf der Welt ist. Ich versuche ihn kennen zu lernen, aber es gibt nicht viel kennen zu lernen: Ein Baby isst und schläft und isst und schläft. Wie soll man zu so jemandem eine Beziehung aufbauen?
Steffi Graf lächelt beseelt mit einem perfekt gekleideten Baby auf dem Arm. Sicher, sie macht alles richtig, liebt ihr Kind über alles. Ich bin wieder neidisch, irgendwie scheint sie mir immer einen Schritt voraus. Wie macht sie das? Natürlich liebe ich mein Kind auch. Nein nein, das stimmt nicht. Ich liebe meinen Sohn nicht. Ich versorge ihn, stille ihn, wiege ihn, aber lieben? Für mich ist er ein Mensch, den ich nicht kenne und der ständig etwas von mir will. Aber muss ich ihn lieben, weil er hilfsbedürftig ist? Weil er klein ist? Er ist mein Kind, ja klar, aber wer sagt eigentlich, dass eine Mutter ihr Kind lieben muss? Eine Art Naturgesetz? Warum muss das so sein?
Unsere bisherigen gemeinsamen Erlebnissen waren nicht schön: eine stressige Schwangerschaft und eine grauenhafte Geburt. Und da ist auch schon wieder Steffi: Schwangerschaft und Geburt hat sie als sehr intensiv empfunden. Ein wunderbarer Moment in ihrem Leben. Intensiv ja natürlich, aber schön? Die Intensität, die ich erlebt habe, war nicht schön. Intensität muss nicht gleich positiv sein.
Wie kann ich jemanden lieben, mit dem mich eher unangenehme Ereignisse verbinden? Unglaublich: Ich habe ein gesundes, wunderbares Baby und liebe es nicht. Wie soll man das jemandem erzählen, und wer soll es glauben? Mich gibt es nicht mehr. Ich schlurfe den lieben langen Tag in ausgeleierten Jogginghosen durch die Wohnung, wasche meine Haare nicht, habe keine Zeit zu telefonieren. Meine Verbindung zur Welt ist gekappt. Ich lebe in einem ganz eigenen Kosmos: die Tageszeit spielt keine Rolle, gegessen wird irgendwann irgendwas, egal, Hauptsache es ist gesund und bläht nicht. Meine Welt ist jetzt unsere Dreizimmerwohnung. Es kommt Besuch, aber niemand dringt wirklich zu mir durch. Das Leben außerhalb dieser Zimmer ist unwirklich, es spielt keine Rolle mehr. Ich trage Linus herum und kämpfe verzweifelt gegen die ständige Müdigkeit an. Ich will wieder ich sein! Wenigstens mal eine Stunde, nur eine Stunde für mich haben. Mein Körper ist auch nicht mehr meiner, alles ist weich und schwabbelig. Riesige tropfende Brüste, breite Hüften. Es ist grauenhaft. Die Welt stürzt in mir zusammen und mit niemandem kann ich darüber sprechen. Ich habe den Fehler meines Lebens begangen, kann ihn nicht rückgängig machen. Hin und wieder platzt es aus mir heraus. Mein Freund versucht nach Kräften mir zu helfen, er kann das Problem aber nicht wirklich verstehen. Er rettet Linus. In Nächten, in denen ich das Kind schreien lassen würde, weil ich einfach nicht mehr kann, nimmt er ihn auf den Arm, läuft den Flur entlang, auf und ab, stundenlang durch die Dunkelheit, bis der Morgen graut. Immer wieder erwärmt er das Kirschkernsäckchen, singt leise Schlaflieder vor sich hin. Und irgendwann, irgendwann wird aus dem verzweifelten Gebrüll ein leises Wimmern. Dann schlafen beide ein.
Tja und dann ist es einfach geschehen: das glucksende Lachen, seine kleinen Händchen, die meinen Finger festhalten. Ich weiß es nicht mehr. Irgendwann begann sie zu wachsen, die Liebe zu meinem Sohn. Er gab mich mir zurück und sich dazu. Wir machten einen Ausflug zum Ententeich, ich ging mal wieder zum Friseur, er begann Möhren zu essen, ich trank nach anderthalb Jahren mal wieder ein Glas Wein und genoss die Trunkenheit. Er schob seinen Badeeimer durch die Wohnung, ich verbrachte ein Wochenende allein in Berlin. Linus ist mutig, klettert alleine Leitern hoch, streichelt große Hunde und lacht alle Menschen freundlich an. Gewürzgurken und Naturjoghurt liebt er, in den Schlaf muss man ihn singen, seinen Opa zieht er gerne am Bart und wenn er einen Stock findet, lässt er alles andere Spielzeug dafür liegen.
Vielleicht muss man sich wirklich erst kennenlernen, braucht Zeit füreinander. Dann kommt sie, die Liebe, unmerklich. Schleicht sich an, ganz leise und zart. Vielleicht kam sie in einer der vielen Nächte, in denen ich sein Gesicht anschaute, vielleicht während er warm auf meinem Bauch lag und einschlief. Vielleicht, als er hochkonzentriert und mit ernster Miene am Tisch saß und eine Nudel auf seinen Kopf legte. Vielleicht auch, weil er einfach er ist.
Die Geschichte der Kindheit
Es gibt sie nicht, die Kindheit. Es gab sie nicht im Mittelalter, und es gibt sie nicht im Europa des 21. Jahrhunderts. Zu sehr hängt das tatsächlich gelebte Leben auch von Kindern an den materiellen Dingen. Und an der Bildung und dem Menschenbild natürlich. Lange galten Kinder als nicht beachtenswerte Wesen. Das wird auch daran deutlich, dass sich Historiker erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts mit dem Leben von Kindern beschäftigen. Es gibt kaum Aufzeichnungen über Kinder. Was sie empfunden haben, kann man aber vielleicht erahnen, wenn man von ihren Lebensbedingungen erfährt:
Die Geschichte der Kindheit ist eine Geschichte voller Brutalität und Missachtung. Auch wenn noch immer viele Kinder geschlagen, missbraucht und vernachlässigt werden, auch wenn weltweit noch immer rund 250 Millionen Kinder arbeiten müssen: Zumindest in der westlichen Welt gibt es den gesellschaftlichen Konsens, dass ein Kind ein besonders schützenswertes Wesen ist. Viele Jahrtausende lang hatte das Kind als Mensch keinen Wert. Sein Wert lag im Nutzen für seine Eltern - als Arbeitskraft und Altersversorgung. Oder für den Staat, der Krieger brauchte. So wurden in der Antike Jungen, manchmal auch Mädchen, im Alter von nur sieben Jahren in Kasernen gesteckt. Ein Kinderleben voller Hunger und Härte, mit Übungen an den Waffen und Ausdauertraining. Schmerzen ertragen zu lernen - das war eines der obersten Ziele.
Gleichgültig sah man zu, wenn Kinder nach der Geburt getötet wurden: Mädchen, wenn es schon eine Tochter im Hause gab. Jungen, wenn sie körperlich nicht so geraten waren, wie sie sollten. Sie wurden erwürgt und erschlagen - oder einfach auf den Misthaufen geworfen. Daran änderte sich erst im Mittelalter etwas. Die Kirche verbreitete eine neue Auffassung vom Kind: Es habe eine unsterblichen Seele, hieß es, und müsse deshalb am Leben erhalten werden. Doch auch wenn die Kinder nach ihrer Geburt nun nicht mehr umgebracht wurden - was ihnen als Säugling bevorstand, kam einem Martyrium gleich. Wie schon in der Antike wurden sie am ganzen Körper eingewickelt wie eine Mumie. Völlig bewegungslos verbrachten sie die ersten Monate ihres Lebens. Häufig dauerte diese Qual sogar anderthalb Jahre lang. Man glaubte, sonst würden Arme und Beine der Kinder deformiert. Außerdem sollte das Wickeln gut für die Verdauung sein. Bis ins 18. Jahrhundert hinein konnte sich diese Auffassung halten.
Bis zur Renaissance zählte ein Mensch nur, wenn er erwachsen war, einen Hausstand gegründet hatte und selbst Kinder bekam. Das änderte sich erst um 1500. In der Folge erschienen in Europa erste Handbücher über Geburts- und Säuglingspflege. Auch Schriften zur Kinderheilkunde wurden verbreitet. Resultat einer neuen Weltsicht: Die Faszination für das Jenseits ließ nach. Man wandte sich mehr dem Hier und Jetzt und seinen Menschen zu - und somit auch Kindern und sogar Säuglingen. Doch die Gleichgültigkeit ihnen gegenüber blieb: In Florenz zum Beispiel wurden Kinder direkt nach der Geburt zu einer Amme aufs Land gegeben. Zwei bis drei Jahre lang blieben sie dort. Besuch von ihren Eltern bekamen sie nur selten. Viele der Kinder starben bei der Amme - weil sie verhungerten oder misshandelt wurden. In die Schulen, die es mittlerweile gab, gingen nur die Söhne gehobener Schichten. Die Mädchen blieben bei den Müttern und Dienstmädchen. Einen Haushalt gut zu führen - das war alles, was sie lernen sollten.
Auch wenn die folgenden Jahrhunderte mehr Bildung brachten: Die Sterblichkeit der Kinder war auch im 17. Jahrhundert katastrophal hoch. In London starben von 1000 Kindern ungefähr 150 bei der Geburt - vorher viele schon im Mutterleib. Und nur jedes zweite Kind überlebte sein zweites Lebensjahr, als Folge verheerender hygienischer Umstände. Auch die Kinder aus besseren, bürgerlichen Familien, die zu einer Amme auf's Land gegeben wurden, hatten unter schlechte Hygiene zu leiden: Wegen des Geldes nahmen die Frauen gleichzeitig zwei oder drei Säuglinge ins Haus. Dazu kam noch das eigene Kind. Natürlich hatte die Amme nicht genug Milch für alle, und so bekamen die Kinder Wasserbrei. Das Stroh, auf dem sie - eng gewickelt - lagen, wurde nicht gewechselt und faulte. Sie bekamen Würmer und Infektionskrankheiten. Also starben auch bei der Amme viele Kinder. Die Vorstellung von der großen Kinderschar in den Familien ist demnach nicht realistisch. Meist gab es nur wenige Kinder mit einem großen Altersunterschied zwischen einander. Schließlich waren viele Geschwister gestorben. Häufig auch die leibliche Mutter, so dass der Vater mehrmals heiratete und die Kinder verschiedene Mütter hatten.
Die damals vorherrschende Gefühlskälte der Mütter gegenüber ihren Kindern ist aus heutiger Sicht unvorstellbar. Doch wozu sollte sie ihr Herz an ein Kind hängen, wenn sie es mit großer Wahrscheinlichkeit doch wieder verlieren würde?
Hatte das Kind die ersten Jahre überlebt, wurde es bald in die Kleidung von Erwachsenen gesteckt. So schnell wie möglich und reibungslos sollte es sich in die Welt der Erwachsenen einfügen. Es sollte funktionieren und arbeiten. Und ein gottesfürchtiger Mensch werden. Ein Kind galt als bösartiges und sündhaftes Wesen. Durch Erziehung sollte es gebessert werden. Das hieß vor allem: durch Prügel. Und die wurde häufig wie ein Gottesdienst zelebriert: Dazu musste sich das Kind zunächst sauber anziehen. Dann holte es selbst die Rute. Und während der Vater oder Lehrer heftig auf das Kind einschlug, musste es im Takt der Schläge das Vaterunser beten.
Mit John Locke, dem englischen Philosophen und Arzt der Aufklärung, brachen geradezu revolutionäre Zeiten an: Er verurteilte das Wickeln der Kinder und forderte kindgerechte Kleidung. Außerdem sollten sich die Kinder viel schlafen und sich bewegen. Und mit Jean Jacques Rousseaus Erziehungsroman "Emile", der 1762 erschien, wurde endlich der Blick dafür geschärft, dass ein Kind ein Kind ist - und kein kleiner Erwachsener: Dass es anders fühlt und denkt und handelt als ein Erwachsener - nicht, weil es krank oder böse ist, sondern weil es zu seinem Kindsein dazu gehört. Das Buch eines Mannes bewegte also die Mütter dazu, ihre Kinder nicht mehr in der jahrhundertealten Tradition zu wickeln. Auch dazu, ihre Kinder nicht mehr zu einer Amme zu geben, sondern sie selbst zu stillen: Beides hatte den Effekt, dass die Mütter sich ihren Kindern mehr zuwandten. Daraufhin sank die Sterblichkeit der Kinder rapide. Ein eindringlicher Beweis für den Zusammenhang zwischen Liebe und Leben. Die Bewertung des kindlichen Lebens wandelte sich. Hatte man sich viele Jahrhunderte lang nicht um den Kindsmord gekümmert, stand nun, am Ende des 18. Jahrhunderts, sogar die Abtreibung unter Todesstrafe - zumindest in Preußen. Allerdings nicht aus ethischen Gründen, sondern weil das Land die Soldaten aus der bäuerlichen Schicht brauchte. Weiterhin war das Kind also in erster Linie Staatsdiener. Heinrich Pestalozzi, ein Verehrer von Rousseau, verbreitete die Ansicht von der kindgerechten und fürsorglichen Erziehung weiter. Die Kinder sollten lernen - Lesen, Rechnen und Benimm. In Deutschland wurden Erziehungsanstalten gegründet. Die Kinderstube wurde eingeführt. Während bisher alle Generationen zusammen auf engem Raum gelebt hatten, wuchsen die Kinder nun fernab der Welt der Erwachsenen auf.
Doch die neuen Erziehungstheorien erreichten damals nur die gehobenen Schichten. Gesetze zum Schutz der Kinder gab es nicht. Deshalb führten arme Kinder weiterhin ein elendes Leben. Kinder hatten immer arbeiten müssen, in der Familie oder Nachbarschaft. Mit der Industriellen Revolution kam aber eine ganz neue Ausbeutung der Kinder auf. Von 1750 an standen Kinder in Fabriken, vor allem in England. Solange die Maschinen nicht voll automatisiert waren, wurden Jungen und Mädchen sozusagen als Maschinenzubehör eingesetzt, manchmal 14 bis 16 Stunden am Tag. In der Regel im Alter von neun Jahren, häufig schon mit sechs. Ihre kleinen Finger waren geschickter an den Spindeln in den englischen Textilfabriken als die von Erwachsenen. Doch immerhin: Mit der Zeit wurde der Protest gegen die Kinderarbeit in englischen Fabriken so groß, dass er schließlich im 19. Jahrhundert die Sozialreformer in Europa und Amerika auf den Plan rief. Trotzdem dauerte es noch einige Jahrzehnte, bis die Kinderarbeit aus den Fabriken verschwand. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts machten in amerikanischen Konservenfabriken sechsjährige Kinder Nachtschicht. Und in Deutschland arbeiteten Kinder in den dreißiger Jahren in der erzgebirgischen Spielzeugindustrie. Die Arbeit schädigte die Kinder auf vielfältige Weise: es gab viele kranke und verkrüppelte Kinder. Außerdem lernten sie nicht lesen und schreiben, schließlich waren sie während des Unterrichts arbeiten. Keine Bildung bedeutete, wie auch heute, keine Perspektive, und so wurden arme Familien noch ärmer. Selbst in hoch entwickelten Ländern wurde die Kinderarbeit erst weit im 20. Jahrhundert abgeschafft. In Deutschland z.B. 1976.
Verschiedene Psychologen und Pädagogen haben das Bild vom Kind seit der Aufklärung verändert. Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieb Sigmund Freud das Triebleben der Mädchen und Jungen. Maria Montessori versuchte, die Kinder ohne Zwang und mit viel Kreativität zu selbstständigen und selbstbewussten Menschen zu erziehen. Ein Trend, der sich zunächst nicht durchsetzen konnte. Was die europäischen Monarchien und Diktaturen brauchten, das waren gehorsame und berechenbare Staatsdiener. Doch zumindest von ihren Müttern wurden die Kinder im Allgemeinen liebevoll umsorgt. Und nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges rückte die Familie für die Menschen in Deutschland in den Mittelpunkt. Die Geburtenrate schoss in die Höhe, wurde dann allerdings vom Pillenknick gestoppt.
1968 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein Kind ein Wesen mit Menschenwürde ist und das Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne der Verfassung hat.
Die rechtliche Situation von Kindern ist heute also ganz gut. Es gibt die allgemeine Schulpflicht. Der Staat zahlt Kindergeld. Kinder sollen an Stadtplanungen beteiligt werden. Und mittlerweile kümmern sich auch die Väter um ihre Töchter und Söhne. Doch weltweit klaffen die Bedingungen, unter denen Kinder leben, noch immer weit auseinander: In Thailand vergehen sich Sex-Touristen an zwölfjährigen Mädchen und Jungen. In Indien arbeiten kleine Kinder in der Textilindustrie. Und in Afrika sterben sie an Hunger und Krankheit - wie bei uns in Europa vor einigen hundert Jahren.
Kinder gelten heute in der westlichen Welt als emotionale Bereicherung und Selbstverwirklichung. Die Kindheit wird als ganz eigener, vor allem als bedeutender Lebensabschnitt gesehen. Trotz aller Unterschiede in den verschiedenen Ländern - in einem ist man sich einig: Die ersten Jahren eines Menschen sind die Grundlage für sein späteres Leben.
Literaturtipps und Links:
Philippe Ariès
Geschichte der Kindheit
München, Wien, Carl Hanser, 1978
In zwanzigjähriger Forschungsarbeit hat Aries eine Fülle archäologischer, literarischer und liturgischer Quellen gesichtet, Sterberiten und Bestattungsbräuche untersucht, die Geschichte der großen städtischen Friedhöfe studiert und zahlreiche Testamente durchforscht. Entstanden ist eine Geschichte der Einstellungen des Menschen zum Tod und zum Sterben.
Marie-Louise Plessen, Peter von Zahn
Zwei Jahrtausende Kindheit
Köln: Verlagsgesellschaft Schulfernsehen, 1979
Imke Behnken , Jürgen Zinnecker (Hg.)
Kinder. Kindheit. Lebensgeschichte.
Ein Handbuch.
Kallmeyersche Verlagsanstalt, 2001
Aktuelle Fakten zum Kinderleben in Deutschland
Deutsches Kinderhilfswerk e.V. (Hg.):
Kinderreport Deutschland.
Daten, Fakten, Hintergründe, München, 2002
Das Deutsche Kinderhilfswerk setzt sich seit mehr als 30 Jahren für die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Kindern ein, um ihre aktive Teilhabe an allen sie betreffenden Fragen zu sichern.
In ganz Deutschland gibt es eine Vielzahl kinderpolitischer Aktivitäten. Das Spektrum reicht von einmaligen Initiativen bis zu festen Institutionen. Vielerorts entwickeln Menschen den Willen, sich für Kinder und Jugendliche zu engagieren. Dabei sind es nicht nur Erwachsene, die Politik für oder gemeinsam mit Kindern machen. Häufig setzen sich auch Kinder und Jugendliche aus eigener Initiative für ihre Interessen ein. Allen gemeinsam ist das Ziel, etwas für eine kinderfreundliche Umwelt zu tun und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei den sie betreffenden Entscheidungen zu verbessern. Diese Ziele sind sowohl in der UN-Kinderrechtskonvention als auch im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert und sind letztendlich Prinzipien demokratischen Zusammenlebens. Politik für und mit Kindern zu betreiben bedeutet, sich in viele Bereiche einzumischen und diese im Sinne der Kinder zu beeinflussen. Viele Aktive kämpfen jedoch mit finanziellen, methodischen und strukturellen Problemen. Die "Informationsstelle Kinderpolitik" bietet eine breite Palette von Arbeitshilfen für interessierte.
Infostelle Kinderpolitik
Sehr gut lesbares Buch über ungewollte Kinderlosigkeit und Fortpflanzungsmedizin
Martin Spiewak
Wie weit gehen wir für ein Kind?
Im Labyrinth der Fortpflanzungsmedizin,
Eichborn AG, Frankfurt/M., 2002
Jedes sechste Paar in Deutschland wartet vergeblich auf Nachwuchs. Kinderkriegen ist zu einem Problem geworden. Zunehmend mehr Männer und Frauen versuchen ihre Hoffnung auf ein Wunschkind mit Hilfe der modernen Fortpflanzungsmedizin einzulösen. So geht die Zahl der Kinder, die im Reagenzglas gezeugt wurden, bereits in die Hunderttausende. Neue Methoden, wie die Spermainjektion ins Ei (ICSI), finden rasant Verbreitung, obwohl die Spätfolgen heute noch nicht absehbar sind. In einer Mischung aus Reportage und Faktenwissen lässt Martin Spiewak jene zu Wort kommen, die in den Debatten der Öffentlichkeit wenig Gehör finden: die Betroffenen. Wie ergeht es Kinderlosen, die sich einer künstlicher Befruchtung unterziehen? Was versprechen sich Frauen, die für eine fremde Eizelle bis nach Spanien reisen? Wie wurde aus der "guten Hoffnung" einer Schwangerschaft ein neun Monate dauerndes Risiko? 20 Jahre nach dem ersten deutschen Retortenbaby bietet Martin Spiewak den längst fälligen Überblick über den aktuellen Stand der Fortpflanzungsmedizin und informiert über die Möglichkeiten der Zukunft.
Kinderwunsch als Konflikt gerade für Frauen:
Elisabeth Beck-Gernsheim
Die Kinderfrage.
Frauen zwischen Kinderwunsch und Unabhängigkeit
München, Beck'sche Verlagsbuchhandlung, 1997
Elisabeth Beck-Gernsheim
Was kommt nach der Familie?
Einblicke in neue Lebensformen.
2., durchges. Aufl. 2000. -BECK-
Die Autorin zeigt, dass die traditionelle Familie nicht unbedingt verschwindet, sich auflöst. Aber offensichtlich wird sie das Monopol, das sie lange Zeit besaß, endgültig verlieren. Ihre quantitative Bedeutung nimmt ab, neue Beziehungsmuster kommen auf und breiten sich aus, die nicht auf Alleinleben zielen, eher auf Verbindungen anderer Art. Es entstehen Zwischen- und Nebenformen, Vorformen und Nachformen - die Konturen der "postfamilialen Familie".
Die Kindernothilfe wurde 1959 von Christinnen und Christen in Duisburg mit dem Ziel gegründet, notleidenden indischen Kindern zu helfen. Im Laufe der Jahre ist sie zu einem der größten christlichen Kinderhilfswerke in Europa gewachsen.
Web-Site der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe
National Coalition - für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland
Die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe ist ein Zusammenschluss der bundeszentralen Jugendverbände, der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, zentraler Fachorganisationen der Jugendhilfe, der Obersten Jugendbehörden der Länder (Ministerien), der Vereinigungen, die auf Bundesebene für den Bereich Personal und Qualifikation in der Jugendhilfe tätig sind, und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, die in der Verwaltung und den Praxisfeldern der Jugendhilfe überregional wirken und bzw. oder deren Arbeit für die Kinder- und Jugendhilfe von bundesweiter Bedeutung ist.
Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ)
Der Kinderschutzbund - eine Lobby für Kinder
Wer etwas erreichen will, muss gemeinsam mit Anderen handeln. Deshalb haben sich 50.000 Menschen in Deutschland im Kinderschutzbund zusammengetan. An 420 Orten setzen sie sich für Kinder ein, spüren Missstände auf, drängen Politiker und Verwaltung zum Handeln und packen selber an. Der Kinderschutzbund will Kinder stark machen, ihre Fähigkeiten fördern, sie ernst nehmen und ihre Stimme hören. So werden Kinder fit für die verantwortliche Gestaltung ihres eigenen Lebens und unserer Welt - also für die Zukunft. aller Kinder! Es geht dem Kinderschutzbund um alle Kinder in Deutschland. Er macht keinen Unterschied zwischen Religionen, Jungen und Mädchen, Herkunft, Behinderten und Nichtbehinderten. Aktiv wendet er sich gegen jede Form von Benachteiligung, Diskriminierung und Ausgrenzung nicht nur von Kindern, sondern aller Menschen. Denn nur in einer Gesellschaft, die durch Offenheit, Toleranz, ein friedliches Miteinander, Gerechtigkeit, Verständnis und Solidarität gekennzeichnet ist, werden Kinder eine gute Zukunft haben.
Kinder haben Rechte
Jedes Kind hat das Recht auf - Vieles. Dieses ist in dem Menschenrechtsabkommen für Kinder - der UN-Konvention über die Rechte des Kindes - festgelegt. Seit 1989 gibt es die Kinderrechtskonvention und nur zwei Länder der Welt haben bisher nicht unterschrieben, dass sie Kinderrechte durchsetzen wollen. In Deutschland gilt die Konvention seit 1992. Die Kinderrechtskonvention sagt:
Alle Kinder müssen gleich behandelt werden - Mädchen und Jungen, arme und reiche, weiße und schwarze, behinderte und nicht behinderte.
Politiker und Verwaltungen müssen bei allen Entscheidungen prüfen, ob diese gut für Kinder sind - in ihrem eigenen Land und weltweit.
Kinder müssen bei allen Angelegenheiten, die sie betreffen, mitbestimmen können. Das gilt für neue Spielplätze, in der Familie und in der Schule. Klar ist, dass alle Rechte genau da aufhören, wo die Rechte von anderen anfangen. Weiterlesen:
Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) wurde 1967 im schwäbischen Herrenberg von Luise Schöffel als "Verband lediger Mütter" gegründet. Er vertritt heute mit rund 9000 Mitgliedern bundesweit die Interessen von über 2 Millionen Einelternfamilien, von Familien also, in welchen ledige, getrennte, geschiedene oder verwitwete Eltern mit ihren Kindern leben. Er kümmert sich auch um die Ansprüche von Kindern in neu zusammengesetzten Familien, solange sie unterhaltsberechtigt gegenüber ihren Vätern bzw. Müttern sind.
Im VAMV organisieren sich aktive und unabhängige Menschen, die ihre Kinder alleine erziehen. Er ist ein Familien- und Frauenverband. Seine politische Arbeit ist auf Förderung und Gleichberechtigung von Einelternfamilien und Frauen gerichtet. Alleinerziehende haben wie andere Mütter und Väter die schwierige Aufgabe, Kinderbetreuung und Familienleben zu organisieren und die materielle Existenz zu sichern.
Der VAMV arbeitet auf der Basis "Hilfe zur Selbsthilfe". Das bedeutet, dass alle Mitglieder im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeiten selbst aktiv werden und sich für die Anerkennung und die Verbesserung der Situation von Einelternfamilien einsetzen.
Verband alleinerziehender Mütter und Väter Bundesverband e.V.
Kinder ohne Kindheit.
Gebunden
Ein Lesebuch über Kinderrechte. Mit e. Vorw. v. Wolfgang Niedecken. Herausgeber: Engelmann u. Urs M. Fiechtner 210 S. 24,5 cm 680g
2006 Sauerländer
ISBN 3-7941-8045-3 | KNV-Titelnr.: 15375160
Ein Buch für alle, denen es nicht egal ist, wenn Unrecht in der Welt passiert.
- Internationales Lesebuch zu Themen wie Kindersoldaten, Ernährungs- und Gesundheitsnotstand von Kindern, Sexueller Missbrauch u.v.m. "Wie ich mich kenne, wird vieles von dem, was ich in Uganda gesehen habe, immer wieder in meinen Gedanken nach oben gespült werden. Ich denke seitdem fast täglich daran." Wolfgang Niedecken steht mit seinen Eindrücken aus Uganda nicht alleine da: Rund 25 weitere sehr persönliche Texte und Erfahrungsberichte von Lutz van Dijk, Marie-Thérèse Schins, Karlheinz Dürr u.v.a. geben Einblick in die Notlage vieler Kinder z.B. in USA, Guatemala, Brasilien, Südafrika, Rumänien, Tschechien, Deutschland und anderen Ländern. Es beginnt mit dem ursprünglichsten aller Menschenrechte, dem Recht auf Leben, aber auch andere Rechte wie das auf körperliche und seelische Entwicklung, oder auf Bildung, Ernährung und Gesundheit, werden viel zu oft eklatant missachtet.
Das Buch zeigt jedoch nicht nur Missstände auf. Anhand der Aktionen und Initiativen, die hier beispielhaft vorgestellt werden, wird klar: Engagement lohnt sich!
Mit Kontaktadressen und vollständigem Abdruck der UN-Kinderrechtskonvention.
Die Lange Nacht betrachtet die verschiedensten Facetten der Liebe zum Kind: den Zauber und das große Glück; die Trauer, wenn ein Kind geht, und die Verzweiflung, wenn nie eines kommt; den Stolz; die Enttäuschung, wenn es sich nicht so entwickelt, wie die Eltern es sich vorgestellt haben. Die Sendung fühlt der Gesellschaft auf den Zahn, die Kinder für so wertvoll erklärt und dringend für die Rentenkasse braucht. Kurzum, sie geht der Frage nach: Was ist eigentlich dran an unserer Liebe zum Kind?
Die Studiogäste:
Dr. Susanne Mayer
Susanne Mayer arbeitet als Redakteurin für die Wochenzeitung DIE ZEIT und lebt mit ihren zwei Kindern in Hamburg. Viele Veröffentlichungen zum Thema Familienpolitik, Kindheit, Frauenpolitik und Bildung. Für ihre Arbeit wurde sie mit dem Theodor-Wolff-Preis für Nachwuchsjournalisten und zweimal mit dem Emma- Journalistinnenpreis ausgezeichnet.
Buchtipp:
Susanne Mayer
Deutschland, armes Kinderland.
Wie die Ego-Gesellschaft unsere Zukunft verspielt.
Plädoyer für eine neue Familienkultur
Eichborn, 2002
Massive Privilegien für Familien!
Kinder in ihre vollen Bürgerrechte
einsetzen!
Radikaler Umbau des Sozialsystems!
Elternteilzeit bei 90 Prozent Lohn!
Das sind nur einige der grundstürzenden Forderungen, mit denen Susanne Mayer den Kollaps der deutschen Gesellschaft vermeiden will. Ihre Analyse ist aufrüttelnd: In vielen deutschen Großstädten scheint es, als gäbe es keine Familien mehr. Über 50 Prozent der Menschen leben in Single-Haushalten und müssen ihr Einkommen mit niemandem teilen. Wer hingegen ein Kind großzieht oder gar mehrere Kinder hat, gerät schnell in die Armutsfalle. Zwar predigt die Politik, wie bereichernd Kinder seien, zwar wissen alle, dass unsere Sozialsysteme ohne die nachwachsende Generation zusammenbrechen werden, doch in der gesellschaftlichen Realität sorgen die krassen Benachteiligungen von Eltern dafür, dass sich besonders junge gebildete Frauen immer seltener für das Risiko Kind entscheiden. So geht ein Riss durch das arme reiche Deutschland, die Kluft zwischen Kinderlosen und Eltern wird immer tiefer, eine neue Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht. Susanne Mayers aufrüttelnder Bericht kommt von der Bestandsaufnahme und Analyse des gesellschaftsbedrohenden Skandals zu möglichen Auswegen aus der Krise.
Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler
Sozialwissenschaftlerin an der FH Köln
Mutter von fünf Pflege- und Adoptivkindern, sechsfache Großmutter
2. Vorsitzende der Janusz-Korczak.de
Buchtipp:
Sigrid Tschöpe-Scheffler
Kinder brauchen Wurzeln und Flügel.
Erziehung zwischen Bindung und Autonomie.
Edition Psychologie und Pädagogik.
2. Aufl. 2002. -MATTHIAS-GRÜNEWALD-VERLAG-
Die Laisser-faire-Erziehung der siebziger Jahre hat nicht nur befreit, sondern auch verunsichert und entwurzelt. Mittlerweile setzt sich in der Praxis die Erkenntnis durch, dass Kinder auch Grenzen brauchen, um eine sichere Identität entwickeln zu können. Sigrid Tschöpe-Scheffler zeigt, wie Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen das Gleichgewicht zwischen Verankerung und Freiheit, Grenzensetzen und Loslassen finden können, ohne in autoritäre Erziehungsstile zurückzufallen. Dabei müssen die Erwachsenen auch über ihr eigenes Leben nachdenken. Denn Erziehung wird sehr viel weniger von Methoden und Rezepten bestimmt, als von unserer grundsätzlichen Haltung dem Leben, den Mitmenschen und dem eigenen Sein gegenüber. Der Balanceakt zwischen Bindung und Autonomie ist eine lebenslange Aufgabe.
Prof. Siegfried Willutzki
2001 wurde der langjährige Vorsitzenden des Deutschen Familiengerichtstages e.V., Professor Willutzki, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. In der Laudatio sagte die damalige Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin:
"Professor Willutzki hat den Deutschen Familiengerichtstag nicht nur mitbegründet, sondern er hat diese kompetente und allgemein anerkannte Institution über viele Jahre durch seine herausragende Persönlichkeit wesentlich mitgeprägt", so die Bundesjustizministerin. "Seine besondere Fachkompetenz und diplomatisches Geschick hat er gerade in jüngster Zeit zur Bewältigung von binationalen Sorgerechtskonflikten einbringen können. Er hat maßgeblich an der Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung und bei der Klärung problematischer Sorgerechtskonflikte mitgewirkt. Prof. Willutzki hat das Familienrecht jahrzehntelang wesentlich mitgestaltet. Dafür danke ich ihm persönlich und freue mich, dass ich die Ehre habe, ihm auch im Namen der Bundesrepublik durch die Verleihung des Verdienstordens zu danken." Weiterlesen:
Siegfried Willutzki
Biografie:
Kompetenz-Netzwerk für Manager und Nachwuchskräfte!
Peter Handke:
Kinderlied
Als das Kind Kind war,
wusste es nicht,
dass es Kind war,
alles war ihm beseelt
Als das Kind Kind war,
ging es mit hängenden Armen,
wollte, der Bach sei ein Fluss,
der Fluss sei ein Strom
und diese Pfütze das Meer.
Als das Kind Kind war,
wusste es nicht, dass es Kind war,
alles war ihm beseelt,
und alle Seelen eins.
Als das Kind Kind war,
hatte es von nichts eine Meinung,
hatte keine Gewohnheit,
saß oft im Schneidersitz,
lief aus dem Stand,
hatte einen Wirbel im Haar
und machte kein Gesicht beim Fotografieren.
Als das Kind Kind war,
war das die Zeit der folgenden Fragen:
Warum bin ich Ich und
warum nicht Du?
Warum bin ich hier und
Warum nicht dort?
Wann begann die Zeit
und wo endet der Raum?
Ist das Leben unter der Sonne
nicht bloß ein Traum?
Ist, was ich sehe und höre und rieche,
nicht bloß der Schein
einer Welt vor der Welt?
Gibt es tatsächlich das Böse
und Leute, die wirklich die Bösen sind?
Wie kann es sein, dass ich, der Ich bin,
bevor ich wurde, nicht war,
und dass einmal ich,
der Ich bin, nicht mehr der,
der Ich bin, sein werde.
Als das Kind Kind war,
würgte es am Spinat, an den Erbsen, am Milchreis und
am gedünsteten Blumenkohl,
und isst jetzt alles,
...und nicht nur zur Not.
Als das Kind Kind war,
erwachte es einmal in einem fremden Bett,
und jetzt immer wieder,
erschienen ihm viele Menschen schön, und jetzt nur
noch im Glücksfall,
stellte sich klar ein Paradies vor,
und kann es jetzt höchstens ahnen,
konnte es sich einNichts nicht denken,
und schaudert heute davor.
Als das Kind Kind war,
spielte es mit Begeisterung,
und ist jetzt,
so ganz bei der Sache wie damals nur noch, wenn diese
Sache seine Arbeit ist.
Als das Kind Kind war,
war das die Zeit der
folgenden Fragen:
Warum bin ich Ich
und warum nicht Du?
Warum bin ich hier
und warum nicht dort?
Wann begann die Zeit
und wo endet der Raum?
Ist das Leben unter der Sonne
nicht bloß ein Traum?
Als das Kind Kind war,
genügten ihm als Nahrung Apfel und Brot,
und so ist es immer noch.
Als das Kind Kind war,
fielen ihm die Beeren wie nur Beeren in die Hand,
und jetzt immer noch,
machten ihm die frischen Walnüsse eine raue Zunge,
und jetzt immer noch,
hatte es auf jedem Berg die Sehnsucht
nach dem immer höheren Berg
und in jeder Stadt die Sehnsucht
nach der noch größeren Stadt,
und das ist immer noch so,
griff im Wipfel eines Baumes
nach den Kirschen in einem Hochgefühl
wie auch heute noch,
hatte Scheu vor jedem Fremden und hat sie immer noch,
wartete es auf den ersten Schnee und wartet so immer noch.
Als das Kind Kind war,
warf es einen Stock als Lanze gegen den Baum
und sie zittert da heute noch.
aus: Wim Wenders und Peter Handke: Der Himmel über Berlin.
Ein Filmbuch.
1987, Suhrkamp Verlag Frankfurt an Main
Link(s) für Eltern, deren Kind gestorben ist:
Jährlich sterben bei uns in Deutschland etwa 20.000 Kinder. Der Tod eines Kindes bedeutet eine Familienkrise in einer kaum zu überblickenden Vielschichtigkeit und Dramatik und zwar langfristig. Der Tod zerreißt das Geflecht von Rollen, Funktionen und Beziehungsstrukturen und verändert tiefgreifend die Dynamik und das seelische Gleichgewicht einer Familie im Ganzen sowie bei den einzelnen Betroffenen - bei Vater, Mutter und Geschwistern. Das Gefüge unzähliger Familien gerät ins Wanken. Beziehungen und Kontakte nach außen werden abgebrochen. Viele Ehen zerbrechen und der Satz, dass "geteiltes Leid halbes Leid" sei, wird durch die Realität in dramatischer Weise infrage gestellt. Den hinterbliebenen Geschwistern und ihrer stummen, oft verzweifelten Trauer, können die Eltern nicht gerecht werden.
Bundesverband Verwaiste Eltern
Für die Verwaisten Eltern in Deutschland e.V. haben inzwischen viele betroffene Mütter und Väter ehrenamtlich verschiedene Aufgaben übernommen. Sie haben selbst Hilfe erfahren und helfen nun ihrerseits, vor allem da, wo ihre Erfahrungen und Kompetenz durch "Fachleute" nicht ersetzt werden kann.
Gedanken einer Mutter, die ihr Kind nicht - wie der "Mythos" es sagt, von Anfang an liebt, und natürlich Probleme damit hat
Jaden Gil ist da. Die Mutter guckt mich mit einem strahlenden Lächeln an. Steffi Graf ist überglücklich. Ich bin neidisch, denn ich bin noch kugelrund, kann mich kaum mehr bewegen, habe rote Flecken im Gesicht und verbringe das langweiligste Silvester meines Lebens. Ein Zeichen? Egal, jetzt soll das Baby erst mal endlich, endlich da sein. Bei uns ist es nicht wie bei Agassi-Grafs: Wir haben keinen eigenen Kindertrakt in unserer Mietwohnung, keine Nanny, die sich um das Kind kümmern wird. Bei uns ist das Kinderzimmer gleichzeitig Arbeitszimmer, die Grüntöne von Vorhang, Wickelkommode und Teppich passen überhaupt nicht zueinander und ich habe keine Ahnung, wie und womit ich denn nun ein Baby wickeln soll. Stoff ist besser für die Haut, Papier ist aber praktischer. Mhhh. Und überhaupt was zieht man so einem Baby in welcher Reihenfolge an? Fragen, die man niemandem zu stellen wagt.
Es kommt der Moment, da sind solche Dinge absolut egal. Ich liege da, den Wehenschreiber auf den Bauch gepappt und jedesmal, wenn der angeschlossene kleine Stift eine steile Kurve zeichnet, ziehen sich die Muskeln der Gebärmutter zusammen, drücken das Baby nach unten und ich denke, nein, ich weiß: ich werde sterben. Bestimmt, jetzt wird es passieren. Oder bei der nächsten Wehe. Dann kommen noch grauenhafte Kopfschmerzen und furchtbare Magenschmerzen hinzu. Und dann kommt Linus. Er liegt auf meinem Bauch, blutverschmiert und schaut um sich. Sein Vater liegt erschöpft neben uns und streichelt ihn. Ich fühle nichts. Bin einfach nur vollkommen fertig. Ich kann nicht schlafen, liege in meinem Krankenhausbett, mein Söhnchen im Arm und kann es einfach nicht verstehen: dieses kleine, wirklich winzige Wesen ist mein Kind. Es geht nicht, irgendwie ist die Verbindung zwischen Kopf und Herz gestört. Irgendwann schlafe ich doch ein, verschiebe das Problem auf morgen.
Auch am nächsten und übernächsten Tag ändert sich nichts: Ich erhole mich langsam. Aber ich fühle nichts. Die ersten Gratulanten kommen, alle Bekannten und Verwandten sind begeistert: ohhhhhh, wie süß, wie wunderbar. Ja, er ist süß, er ist auch wunderbar, aber wie soll ich denn jemanden lieben können, den ich gar nicht kenne? Natürlich war er schon monatelang in mir, ja klar, aber dieses "Schwangerschaftsgefühl", das Bedürfnis, das Leben in mir zu schützen und nur noch gesunde Sachen zu essen, hat nichts mit dem Baby zu tun, das nun auf der Welt ist. Ich versuche ihn kennen zu lernen, aber es gibt nicht viel kennen zu lernen: Ein Baby isst und schläft und isst und schläft. Wie soll man zu so jemandem eine Beziehung aufbauen?
Steffi Graf lächelt beseelt mit einem perfekt gekleideten Baby auf dem Arm. Sicher, sie macht alles richtig, liebt ihr Kind über alles. Ich bin wieder neidisch, irgendwie scheint sie mir immer einen Schritt voraus. Wie macht sie das? Natürlich liebe ich mein Kind auch. Nein nein, das stimmt nicht. Ich liebe meinen Sohn nicht. Ich versorge ihn, stille ihn, wiege ihn, aber lieben? Für mich ist er ein Mensch, den ich nicht kenne und der ständig etwas von mir will. Aber muss ich ihn lieben, weil er hilfsbedürftig ist? Weil er klein ist? Er ist mein Kind, ja klar, aber wer sagt eigentlich, dass eine Mutter ihr Kind lieben muss? Eine Art Naturgesetz? Warum muss das so sein?
Unsere bisherigen gemeinsamen Erlebnissen waren nicht schön: eine stressige Schwangerschaft und eine grauenhafte Geburt. Und da ist auch schon wieder Steffi: Schwangerschaft und Geburt hat sie als sehr intensiv empfunden. Ein wunderbarer Moment in ihrem Leben. Intensiv ja natürlich, aber schön? Die Intensität, die ich erlebt habe, war nicht schön. Intensität muss nicht gleich positiv sein.
Wie kann ich jemanden lieben, mit dem mich eher unangenehme Ereignisse verbinden? Unglaublich: Ich habe ein gesundes, wunderbares Baby und liebe es nicht. Wie soll man das jemandem erzählen, und wer soll es glauben? Mich gibt es nicht mehr. Ich schlurfe den lieben langen Tag in ausgeleierten Jogginghosen durch die Wohnung, wasche meine Haare nicht, habe keine Zeit zu telefonieren. Meine Verbindung zur Welt ist gekappt. Ich lebe in einem ganz eigenen Kosmos: die Tageszeit spielt keine Rolle, gegessen wird irgendwann irgendwas, egal, Hauptsache es ist gesund und bläht nicht. Meine Welt ist jetzt unsere Dreizimmerwohnung. Es kommt Besuch, aber niemand dringt wirklich zu mir durch. Das Leben außerhalb dieser Zimmer ist unwirklich, es spielt keine Rolle mehr. Ich trage Linus herum und kämpfe verzweifelt gegen die ständige Müdigkeit an. Ich will wieder ich sein! Wenigstens mal eine Stunde, nur eine Stunde für mich haben. Mein Körper ist auch nicht mehr meiner, alles ist weich und schwabbelig. Riesige tropfende Brüste, breite Hüften. Es ist grauenhaft. Die Welt stürzt in mir zusammen und mit niemandem kann ich darüber sprechen. Ich habe den Fehler meines Lebens begangen, kann ihn nicht rückgängig machen. Hin und wieder platzt es aus mir heraus. Mein Freund versucht nach Kräften mir zu helfen, er kann das Problem aber nicht wirklich verstehen. Er rettet Linus. In Nächten, in denen ich das Kind schreien lassen würde, weil ich einfach nicht mehr kann, nimmt er ihn auf den Arm, läuft den Flur entlang, auf und ab, stundenlang durch die Dunkelheit, bis der Morgen graut. Immer wieder erwärmt er das Kirschkernsäckchen, singt leise Schlaflieder vor sich hin. Und irgendwann, irgendwann wird aus dem verzweifelten Gebrüll ein leises Wimmern. Dann schlafen beide ein.
Tja und dann ist es einfach geschehen: das glucksende Lachen, seine kleinen Händchen, die meinen Finger festhalten. Ich weiß es nicht mehr. Irgendwann begann sie zu wachsen, die Liebe zu meinem Sohn. Er gab mich mir zurück und sich dazu. Wir machten einen Ausflug zum Ententeich, ich ging mal wieder zum Friseur, er begann Möhren zu essen, ich trank nach anderthalb Jahren mal wieder ein Glas Wein und genoss die Trunkenheit. Er schob seinen Badeeimer durch die Wohnung, ich verbrachte ein Wochenende allein in Berlin. Linus ist mutig, klettert alleine Leitern hoch, streichelt große Hunde und lacht alle Menschen freundlich an. Gewürzgurken und Naturjoghurt liebt er, in den Schlaf muss man ihn singen, seinen Opa zieht er gerne am Bart und wenn er einen Stock findet, lässt er alles andere Spielzeug dafür liegen.
Vielleicht muss man sich wirklich erst kennenlernen, braucht Zeit füreinander. Dann kommt sie, die Liebe, unmerklich. Schleicht sich an, ganz leise und zart. Vielleicht kam sie in einer der vielen Nächte, in denen ich sein Gesicht anschaute, vielleicht während er warm auf meinem Bauch lag und einschlief. Vielleicht, als er hochkonzentriert und mit ernster Miene am Tisch saß und eine Nudel auf seinen Kopf legte. Vielleicht auch, weil er einfach er ist.
Die Geschichte der Kindheit
Es gibt sie nicht, die Kindheit. Es gab sie nicht im Mittelalter, und es gibt sie nicht im Europa des 21. Jahrhunderts. Zu sehr hängt das tatsächlich gelebte Leben auch von Kindern an den materiellen Dingen. Und an der Bildung und dem Menschenbild natürlich. Lange galten Kinder als nicht beachtenswerte Wesen. Das wird auch daran deutlich, dass sich Historiker erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts mit dem Leben von Kindern beschäftigen. Es gibt kaum Aufzeichnungen über Kinder. Was sie empfunden haben, kann man aber vielleicht erahnen, wenn man von ihren Lebensbedingungen erfährt:
Die Geschichte der Kindheit ist eine Geschichte voller Brutalität und Missachtung. Auch wenn noch immer viele Kinder geschlagen, missbraucht und vernachlässigt werden, auch wenn weltweit noch immer rund 250 Millionen Kinder arbeiten müssen: Zumindest in der westlichen Welt gibt es den gesellschaftlichen Konsens, dass ein Kind ein besonders schützenswertes Wesen ist. Viele Jahrtausende lang hatte das Kind als Mensch keinen Wert. Sein Wert lag im Nutzen für seine Eltern - als Arbeitskraft und Altersversorgung. Oder für den Staat, der Krieger brauchte. So wurden in der Antike Jungen, manchmal auch Mädchen, im Alter von nur sieben Jahren in Kasernen gesteckt. Ein Kinderleben voller Hunger und Härte, mit Übungen an den Waffen und Ausdauertraining. Schmerzen ertragen zu lernen - das war eines der obersten Ziele.
Gleichgültig sah man zu, wenn Kinder nach der Geburt getötet wurden: Mädchen, wenn es schon eine Tochter im Hause gab. Jungen, wenn sie körperlich nicht so geraten waren, wie sie sollten. Sie wurden erwürgt und erschlagen - oder einfach auf den Misthaufen geworfen. Daran änderte sich erst im Mittelalter etwas. Die Kirche verbreitete eine neue Auffassung vom Kind: Es habe eine unsterblichen Seele, hieß es, und müsse deshalb am Leben erhalten werden. Doch auch wenn die Kinder nach ihrer Geburt nun nicht mehr umgebracht wurden - was ihnen als Säugling bevorstand, kam einem Martyrium gleich. Wie schon in der Antike wurden sie am ganzen Körper eingewickelt wie eine Mumie. Völlig bewegungslos verbrachten sie die ersten Monate ihres Lebens. Häufig dauerte diese Qual sogar anderthalb Jahre lang. Man glaubte, sonst würden Arme und Beine der Kinder deformiert. Außerdem sollte das Wickeln gut für die Verdauung sein. Bis ins 18. Jahrhundert hinein konnte sich diese Auffassung halten.
Bis zur Renaissance zählte ein Mensch nur, wenn er erwachsen war, einen Hausstand gegründet hatte und selbst Kinder bekam. Das änderte sich erst um 1500. In der Folge erschienen in Europa erste Handbücher über Geburts- und Säuglingspflege. Auch Schriften zur Kinderheilkunde wurden verbreitet. Resultat einer neuen Weltsicht: Die Faszination für das Jenseits ließ nach. Man wandte sich mehr dem Hier und Jetzt und seinen Menschen zu - und somit auch Kindern und sogar Säuglingen. Doch die Gleichgültigkeit ihnen gegenüber blieb: In Florenz zum Beispiel wurden Kinder direkt nach der Geburt zu einer Amme aufs Land gegeben. Zwei bis drei Jahre lang blieben sie dort. Besuch von ihren Eltern bekamen sie nur selten. Viele der Kinder starben bei der Amme - weil sie verhungerten oder misshandelt wurden. In die Schulen, die es mittlerweile gab, gingen nur die Söhne gehobener Schichten. Die Mädchen blieben bei den Müttern und Dienstmädchen. Einen Haushalt gut zu führen - das war alles, was sie lernen sollten.
Auch wenn die folgenden Jahrhunderte mehr Bildung brachten: Die Sterblichkeit der Kinder war auch im 17. Jahrhundert katastrophal hoch. In London starben von 1000 Kindern ungefähr 150 bei der Geburt - vorher viele schon im Mutterleib. Und nur jedes zweite Kind überlebte sein zweites Lebensjahr, als Folge verheerender hygienischer Umstände. Auch die Kinder aus besseren, bürgerlichen Familien, die zu einer Amme auf's Land gegeben wurden, hatten unter schlechte Hygiene zu leiden: Wegen des Geldes nahmen die Frauen gleichzeitig zwei oder drei Säuglinge ins Haus. Dazu kam noch das eigene Kind. Natürlich hatte die Amme nicht genug Milch für alle, und so bekamen die Kinder Wasserbrei. Das Stroh, auf dem sie - eng gewickelt - lagen, wurde nicht gewechselt und faulte. Sie bekamen Würmer und Infektionskrankheiten. Also starben auch bei der Amme viele Kinder. Die Vorstellung von der großen Kinderschar in den Familien ist demnach nicht realistisch. Meist gab es nur wenige Kinder mit einem großen Altersunterschied zwischen einander. Schließlich waren viele Geschwister gestorben. Häufig auch die leibliche Mutter, so dass der Vater mehrmals heiratete und die Kinder verschiedene Mütter hatten.
Die damals vorherrschende Gefühlskälte der Mütter gegenüber ihren Kindern ist aus heutiger Sicht unvorstellbar. Doch wozu sollte sie ihr Herz an ein Kind hängen, wenn sie es mit großer Wahrscheinlichkeit doch wieder verlieren würde?
Hatte das Kind die ersten Jahre überlebt, wurde es bald in die Kleidung von Erwachsenen gesteckt. So schnell wie möglich und reibungslos sollte es sich in die Welt der Erwachsenen einfügen. Es sollte funktionieren und arbeiten. Und ein gottesfürchtiger Mensch werden. Ein Kind galt als bösartiges und sündhaftes Wesen. Durch Erziehung sollte es gebessert werden. Das hieß vor allem: durch Prügel. Und die wurde häufig wie ein Gottesdienst zelebriert: Dazu musste sich das Kind zunächst sauber anziehen. Dann holte es selbst die Rute. Und während der Vater oder Lehrer heftig auf das Kind einschlug, musste es im Takt der Schläge das Vaterunser beten.
Mit John Locke, dem englischen Philosophen und Arzt der Aufklärung, brachen geradezu revolutionäre Zeiten an: Er verurteilte das Wickeln der Kinder und forderte kindgerechte Kleidung. Außerdem sollten sich die Kinder viel schlafen und sich bewegen. Und mit Jean Jacques Rousseaus Erziehungsroman "Emile", der 1762 erschien, wurde endlich der Blick dafür geschärft, dass ein Kind ein Kind ist - und kein kleiner Erwachsener: Dass es anders fühlt und denkt und handelt als ein Erwachsener - nicht, weil es krank oder böse ist, sondern weil es zu seinem Kindsein dazu gehört. Das Buch eines Mannes bewegte also die Mütter dazu, ihre Kinder nicht mehr in der jahrhundertealten Tradition zu wickeln. Auch dazu, ihre Kinder nicht mehr zu einer Amme zu geben, sondern sie selbst zu stillen: Beides hatte den Effekt, dass die Mütter sich ihren Kindern mehr zuwandten. Daraufhin sank die Sterblichkeit der Kinder rapide. Ein eindringlicher Beweis für den Zusammenhang zwischen Liebe und Leben. Die Bewertung des kindlichen Lebens wandelte sich. Hatte man sich viele Jahrhunderte lang nicht um den Kindsmord gekümmert, stand nun, am Ende des 18. Jahrhunderts, sogar die Abtreibung unter Todesstrafe - zumindest in Preußen. Allerdings nicht aus ethischen Gründen, sondern weil das Land die Soldaten aus der bäuerlichen Schicht brauchte. Weiterhin war das Kind also in erster Linie Staatsdiener. Heinrich Pestalozzi, ein Verehrer von Rousseau, verbreitete die Ansicht von der kindgerechten und fürsorglichen Erziehung weiter. Die Kinder sollten lernen - Lesen, Rechnen und Benimm. In Deutschland wurden Erziehungsanstalten gegründet. Die Kinderstube wurde eingeführt. Während bisher alle Generationen zusammen auf engem Raum gelebt hatten, wuchsen die Kinder nun fernab der Welt der Erwachsenen auf.
Doch die neuen Erziehungstheorien erreichten damals nur die gehobenen Schichten. Gesetze zum Schutz der Kinder gab es nicht. Deshalb führten arme Kinder weiterhin ein elendes Leben. Kinder hatten immer arbeiten müssen, in der Familie oder Nachbarschaft. Mit der Industriellen Revolution kam aber eine ganz neue Ausbeutung der Kinder auf. Von 1750 an standen Kinder in Fabriken, vor allem in England. Solange die Maschinen nicht voll automatisiert waren, wurden Jungen und Mädchen sozusagen als Maschinenzubehör eingesetzt, manchmal 14 bis 16 Stunden am Tag. In der Regel im Alter von neun Jahren, häufig schon mit sechs. Ihre kleinen Finger waren geschickter an den Spindeln in den englischen Textilfabriken als die von Erwachsenen. Doch immerhin: Mit der Zeit wurde der Protest gegen die Kinderarbeit in englischen Fabriken so groß, dass er schließlich im 19. Jahrhundert die Sozialreformer in Europa und Amerika auf den Plan rief. Trotzdem dauerte es noch einige Jahrzehnte, bis die Kinderarbeit aus den Fabriken verschwand. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts machten in amerikanischen Konservenfabriken sechsjährige Kinder Nachtschicht. Und in Deutschland arbeiteten Kinder in den dreißiger Jahren in der erzgebirgischen Spielzeugindustrie. Die Arbeit schädigte die Kinder auf vielfältige Weise: es gab viele kranke und verkrüppelte Kinder. Außerdem lernten sie nicht lesen und schreiben, schließlich waren sie während des Unterrichts arbeiten. Keine Bildung bedeutete, wie auch heute, keine Perspektive, und so wurden arme Familien noch ärmer. Selbst in hoch entwickelten Ländern wurde die Kinderarbeit erst weit im 20. Jahrhundert abgeschafft. In Deutschland z.B. 1976.
Verschiedene Psychologen und Pädagogen haben das Bild vom Kind seit der Aufklärung verändert. Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieb Sigmund Freud das Triebleben der Mädchen und Jungen. Maria Montessori versuchte, die Kinder ohne Zwang und mit viel Kreativität zu selbstständigen und selbstbewussten Menschen zu erziehen. Ein Trend, der sich zunächst nicht durchsetzen konnte. Was die europäischen Monarchien und Diktaturen brauchten, das waren gehorsame und berechenbare Staatsdiener. Doch zumindest von ihren Müttern wurden die Kinder im Allgemeinen liebevoll umsorgt. Und nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges rückte die Familie für die Menschen in Deutschland in den Mittelpunkt. Die Geburtenrate schoss in die Höhe, wurde dann allerdings vom Pillenknick gestoppt.
1968 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein Kind ein Wesen mit Menschenwürde ist und das Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne der Verfassung hat.
Die rechtliche Situation von Kindern ist heute also ganz gut. Es gibt die allgemeine Schulpflicht. Der Staat zahlt Kindergeld. Kinder sollen an Stadtplanungen beteiligt werden. Und mittlerweile kümmern sich auch die Väter um ihre Töchter und Söhne. Doch weltweit klaffen die Bedingungen, unter denen Kinder leben, noch immer weit auseinander: In Thailand vergehen sich Sex-Touristen an zwölfjährigen Mädchen und Jungen. In Indien arbeiten kleine Kinder in der Textilindustrie. Und in Afrika sterben sie an Hunger und Krankheit - wie bei uns in Europa vor einigen hundert Jahren.
Kinder gelten heute in der westlichen Welt als emotionale Bereicherung und Selbstverwirklichung. Die Kindheit wird als ganz eigener, vor allem als bedeutender Lebensabschnitt gesehen. Trotz aller Unterschiede in den verschiedenen Ländern - in einem ist man sich einig: Die ersten Jahren eines Menschen sind die Grundlage für sein späteres Leben.
Literaturtipps und Links:
Philippe Ariès
Geschichte der Kindheit
München, Wien, Carl Hanser, 1978
In zwanzigjähriger Forschungsarbeit hat Aries eine Fülle archäologischer, literarischer und liturgischer Quellen gesichtet, Sterberiten und Bestattungsbräuche untersucht, die Geschichte der großen städtischen Friedhöfe studiert und zahlreiche Testamente durchforscht. Entstanden ist eine Geschichte der Einstellungen des Menschen zum Tod und zum Sterben.
Marie-Louise Plessen, Peter von Zahn
Zwei Jahrtausende Kindheit
Köln: Verlagsgesellschaft Schulfernsehen, 1979
Imke Behnken , Jürgen Zinnecker (Hg.)
Kinder. Kindheit. Lebensgeschichte.
Ein Handbuch.
Kallmeyersche Verlagsanstalt, 2001
Aktuelle Fakten zum Kinderleben in Deutschland
Deutsches Kinderhilfswerk e.V. (Hg.):
Kinderreport Deutschland.
Daten, Fakten, Hintergründe, München, 2002
Das Deutsche Kinderhilfswerk setzt sich seit mehr als 30 Jahren für die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Kindern ein, um ihre aktive Teilhabe an allen sie betreffenden Fragen zu sichern.
In ganz Deutschland gibt es eine Vielzahl kinderpolitischer Aktivitäten. Das Spektrum reicht von einmaligen Initiativen bis zu festen Institutionen. Vielerorts entwickeln Menschen den Willen, sich für Kinder und Jugendliche zu engagieren. Dabei sind es nicht nur Erwachsene, die Politik für oder gemeinsam mit Kindern machen. Häufig setzen sich auch Kinder und Jugendliche aus eigener Initiative für ihre Interessen ein. Allen gemeinsam ist das Ziel, etwas für eine kinderfreundliche Umwelt zu tun und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei den sie betreffenden Entscheidungen zu verbessern. Diese Ziele sind sowohl in der UN-Kinderrechtskonvention als auch im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert und sind letztendlich Prinzipien demokratischen Zusammenlebens. Politik für und mit Kindern zu betreiben bedeutet, sich in viele Bereiche einzumischen und diese im Sinne der Kinder zu beeinflussen. Viele Aktive kämpfen jedoch mit finanziellen, methodischen und strukturellen Problemen. Die "Informationsstelle Kinderpolitik" bietet eine breite Palette von Arbeitshilfen für interessierte.
Infostelle Kinderpolitik
Sehr gut lesbares Buch über ungewollte Kinderlosigkeit und Fortpflanzungsmedizin
Martin Spiewak
Wie weit gehen wir für ein Kind?
Im Labyrinth der Fortpflanzungsmedizin,
Eichborn AG, Frankfurt/M., 2002
Jedes sechste Paar in Deutschland wartet vergeblich auf Nachwuchs. Kinderkriegen ist zu einem Problem geworden. Zunehmend mehr Männer und Frauen versuchen ihre Hoffnung auf ein Wunschkind mit Hilfe der modernen Fortpflanzungsmedizin einzulösen. So geht die Zahl der Kinder, die im Reagenzglas gezeugt wurden, bereits in die Hunderttausende. Neue Methoden, wie die Spermainjektion ins Ei (ICSI), finden rasant Verbreitung, obwohl die Spätfolgen heute noch nicht absehbar sind. In einer Mischung aus Reportage und Faktenwissen lässt Martin Spiewak jene zu Wort kommen, die in den Debatten der Öffentlichkeit wenig Gehör finden: die Betroffenen. Wie ergeht es Kinderlosen, die sich einer künstlicher Befruchtung unterziehen? Was versprechen sich Frauen, die für eine fremde Eizelle bis nach Spanien reisen? Wie wurde aus der "guten Hoffnung" einer Schwangerschaft ein neun Monate dauerndes Risiko? 20 Jahre nach dem ersten deutschen Retortenbaby bietet Martin Spiewak den längst fälligen Überblick über den aktuellen Stand der Fortpflanzungsmedizin und informiert über die Möglichkeiten der Zukunft.
Kinderwunsch als Konflikt gerade für Frauen:
Elisabeth Beck-Gernsheim
Die Kinderfrage.
Frauen zwischen Kinderwunsch und Unabhängigkeit
München, Beck'sche Verlagsbuchhandlung, 1997
Elisabeth Beck-Gernsheim
Was kommt nach der Familie?
Einblicke in neue Lebensformen.
2., durchges. Aufl. 2000. -BECK-
Die Autorin zeigt, dass die traditionelle Familie nicht unbedingt verschwindet, sich auflöst. Aber offensichtlich wird sie das Monopol, das sie lange Zeit besaß, endgültig verlieren. Ihre quantitative Bedeutung nimmt ab, neue Beziehungsmuster kommen auf und breiten sich aus, die nicht auf Alleinleben zielen, eher auf Verbindungen anderer Art. Es entstehen Zwischen- und Nebenformen, Vorformen und Nachformen - die Konturen der "postfamilialen Familie".
Die Kindernothilfe wurde 1959 von Christinnen und Christen in Duisburg mit dem Ziel gegründet, notleidenden indischen Kindern zu helfen. Im Laufe der Jahre ist sie zu einem der größten christlichen Kinderhilfswerke in Europa gewachsen.
Web-Site der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe
National Coalition - für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland
Die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe ist ein Zusammenschluss der bundeszentralen Jugendverbände, der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, zentraler Fachorganisationen der Jugendhilfe, der Obersten Jugendbehörden der Länder (Ministerien), der Vereinigungen, die auf Bundesebene für den Bereich Personal und Qualifikation in der Jugendhilfe tätig sind, und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, die in der Verwaltung und den Praxisfeldern der Jugendhilfe überregional wirken und bzw. oder deren Arbeit für die Kinder- und Jugendhilfe von bundesweiter Bedeutung ist.
Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ)
Der Kinderschutzbund - eine Lobby für Kinder
Wer etwas erreichen will, muss gemeinsam mit Anderen handeln. Deshalb haben sich 50.000 Menschen in Deutschland im Kinderschutzbund zusammengetan. An 420 Orten setzen sie sich für Kinder ein, spüren Missstände auf, drängen Politiker und Verwaltung zum Handeln und packen selber an. Der Kinderschutzbund will Kinder stark machen, ihre Fähigkeiten fördern, sie ernst nehmen und ihre Stimme hören. So werden Kinder fit für die verantwortliche Gestaltung ihres eigenen Lebens und unserer Welt - also für die Zukunft. aller Kinder! Es geht dem Kinderschutzbund um alle Kinder in Deutschland. Er macht keinen Unterschied zwischen Religionen, Jungen und Mädchen, Herkunft, Behinderten und Nichtbehinderten. Aktiv wendet er sich gegen jede Form von Benachteiligung, Diskriminierung und Ausgrenzung nicht nur von Kindern, sondern aller Menschen. Denn nur in einer Gesellschaft, die durch Offenheit, Toleranz, ein friedliches Miteinander, Gerechtigkeit, Verständnis und Solidarität gekennzeichnet ist, werden Kinder eine gute Zukunft haben.
Kinder haben Rechte
Jedes Kind hat das Recht auf - Vieles. Dieses ist in dem Menschenrechtsabkommen für Kinder - der UN-Konvention über die Rechte des Kindes - festgelegt. Seit 1989 gibt es die Kinderrechtskonvention und nur zwei Länder der Welt haben bisher nicht unterschrieben, dass sie Kinderrechte durchsetzen wollen. In Deutschland gilt die Konvention seit 1992. Die Kinderrechtskonvention sagt:
Alle Kinder müssen gleich behandelt werden - Mädchen und Jungen, arme und reiche, weiße und schwarze, behinderte und nicht behinderte.
Politiker und Verwaltungen müssen bei allen Entscheidungen prüfen, ob diese gut für Kinder sind - in ihrem eigenen Land und weltweit.
Kinder müssen bei allen Angelegenheiten, die sie betreffen, mitbestimmen können. Das gilt für neue Spielplätze, in der Familie und in der Schule. Klar ist, dass alle Rechte genau da aufhören, wo die Rechte von anderen anfangen. Weiterlesen:
Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) wurde 1967 im schwäbischen Herrenberg von Luise Schöffel als "Verband lediger Mütter" gegründet. Er vertritt heute mit rund 9000 Mitgliedern bundesweit die Interessen von über 2 Millionen Einelternfamilien, von Familien also, in welchen ledige, getrennte, geschiedene oder verwitwete Eltern mit ihren Kindern leben. Er kümmert sich auch um die Ansprüche von Kindern in neu zusammengesetzten Familien, solange sie unterhaltsberechtigt gegenüber ihren Vätern bzw. Müttern sind.
Im VAMV organisieren sich aktive und unabhängige Menschen, die ihre Kinder alleine erziehen. Er ist ein Familien- und Frauenverband. Seine politische Arbeit ist auf Förderung und Gleichberechtigung von Einelternfamilien und Frauen gerichtet. Alleinerziehende haben wie andere Mütter und Väter die schwierige Aufgabe, Kinderbetreuung und Familienleben zu organisieren und die materielle Existenz zu sichern.
Der VAMV arbeitet auf der Basis "Hilfe zur Selbsthilfe". Das bedeutet, dass alle Mitglieder im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeiten selbst aktiv werden und sich für die Anerkennung und die Verbesserung der Situation von Einelternfamilien einsetzen.
Verband alleinerziehender Mütter und Väter Bundesverband e.V.
Kinder ohne Kindheit.
Gebunden
Ein Lesebuch über Kinderrechte. Mit e. Vorw. v. Wolfgang Niedecken. Herausgeber: Engelmann u. Urs M. Fiechtner 210 S. 24,5 cm 680g
2006 Sauerländer
ISBN 3-7941-8045-3 | KNV-Titelnr.: 15375160
Ein Buch für alle, denen es nicht egal ist, wenn Unrecht in der Welt passiert.
- Internationales Lesebuch zu Themen wie Kindersoldaten, Ernährungs- und Gesundheitsnotstand von Kindern, Sexueller Missbrauch u.v.m. "Wie ich mich kenne, wird vieles von dem, was ich in Uganda gesehen habe, immer wieder in meinen Gedanken nach oben gespült werden. Ich denke seitdem fast täglich daran." Wolfgang Niedecken steht mit seinen Eindrücken aus Uganda nicht alleine da: Rund 25 weitere sehr persönliche Texte und Erfahrungsberichte von Lutz van Dijk, Marie-Thérèse Schins, Karlheinz Dürr u.v.a. geben Einblick in die Notlage vieler Kinder z.B. in USA, Guatemala, Brasilien, Südafrika, Rumänien, Tschechien, Deutschland und anderen Ländern. Es beginnt mit dem ursprünglichsten aller Menschenrechte, dem Recht auf Leben, aber auch andere Rechte wie das auf körperliche und seelische Entwicklung, oder auf Bildung, Ernährung und Gesundheit, werden viel zu oft eklatant missachtet.
Das Buch zeigt jedoch nicht nur Missstände auf. Anhand der Aktionen und Initiativen, die hier beispielhaft vorgestellt werden, wird klar: Engagement lohnt sich!
Mit Kontaktadressen und vollständigem Abdruck der UN-Kinderrechtskonvention.