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Wenn das Wasser kommt

Klima.- In dieser Woche trafen sich internationale Wetter- und Klimaexperten zum Sturmflutkongress in Hamburg. Auf dem Programm stand vor allem die Zukunft der großen Hafenstädte, die in Zeiten des Klimawandels mit einem steigenden Meeresspiegel zu kämpfen haben.

Von Tomma Schröder |
    Es weht eine ordentliche Brise an den Hamburger Landungsbrücken, als die Barkasse ablegt. Wissenschaftler aus vielen verschiedenen Ländern sind an Bord und kennen nur ein Thema: Sturmfluten gestern, heute, morgen. Beate Ratter, Geografieprofessorin an der Universität Hamburg, ist auf der Konferenz für den Blick zurück verantwortlich. Sie zeigt vom Schiff aus auf die großen Gebiete, die 1962 überschwemmt waren. Damals, als die unerwartet große Flut kam.

    "In der Nacht vom 16. zum 17. Februar – kalt, stürmisch – war im Abendprogramm in der ARD die Hesselbachs. Das war damals ein Straßenfeger. Und alle Menschen saßen Samstagabend im Prinzip vor der Glotze. Und als vom Seewetteramt Cuxhaven die Sturmwarnung durchgesagt worden ist nach Hamburg: Ihr habt in vier bis fünf Stunden eine Sturmflutwelle bei euch, da haben die bei der ARD gesagt: Wir können das Programm nicht unterbrechen. Es laufen hier gerade die Hesselbachs."

    Sowohl in Sachen Alarmierung als auch bei den Deichen herrschen heute längst ganz andere Standards. Sturmfluten in der Größenordnung von 1962 sind längst kein Problem mehr in der Hansestadt. Doch lässt es sich auch in Zeiten des Klimawandels noch sicher in Hamburg und anderen europäischen Hafenstädten leben?

    "In Europa ist das Risiko, denke ich, momentan ziemlich gering. Viel wichtiger ist: Dieses Risiko wird wachsen. Und deswegen müssen wir darüber nachdenken, wie wir damit umgehen. Aber so lange wir voraus denken, haben wir kein Problem."

    Robert Nicholls von der Universität Southampton hat im Auftrag der OECD die 136 größten Hafenstädte der Welt auf ihre Gefährdung durch Sturmfluten analysiert. Dabei untersuchte der Küsteningenieur, wie viele Menschen dem Risiko ausgesetzt sind, einmal in 100 Jahren überflutet zu werden. Heute und im Jahr 2070.

    "Im Moment, so schätzen wir, leben in den 136 größten Hafenstädten 40 Millionen Menschen in einem Gebiet, das mindestens einmal im Jahrhundert überflutet wird. Und diese Zahl wird im schlimmsten Fall auf 150 Millionen ansteigen. Sie wird sich also vervierfachen bis 2070."

    Ursachen dafür sind unter anderem der Anstieg des Meeresspiegels, eine stark wachsenden Bevölkerung und ein oft dramatisches Absinken des Landes. Vor allem Flussmündungen können bis zu zehn Zentimeter pro Jahr sinken, weil durch Öl- und Gasförderung sowie Grundwasserentnahme an den Deltas das Land quasi immer stärker zusammensackt.

    In asiatischen Megacitys macht sich das besonders stark bemerkbar. Sie gehören zu den am meisten gefährdeten Städten: In Kalkutta, Mumbai, dem chinesischen Guangzhou und in Ho Chi Mingh Stadt sind bereits heute zwei Millionen Menschen durch Sturmfluten gefährdet. Bis 2070 steigt diese Zahl den Modellen nach um das Fünffache: Denn das Meer und die aufstrebenden Hafenstädte ziehen trotz aller Risiken weiter die Menschen an.

    "Es ist schon interessant: Obwohl der Meeresspiegel ansteigt, müssen wir feststellen, dass sich die Menschen immer noch weiter auf das Meer zu bewegen."

    Und so lange das der Fall ist, werden Küsteningenieure wie Robert Nicholls viel zu tun haben. Im Gegensatz zu einigen Kollegen, die gerade für die Entwicklungsländer große Migrationsbewegungen ins Landesinnere voraussagen, bleibt der Brite optimistisch. Er ist sicher, dass sich in den meisten Gegenden Meeresspiegelanstieg und absinkendes Land in den Griff bekommen lassen. Alles eine Frage der Anpassung, so Nicholls.

    "Wir können über Gebäude nachdenken, die trotz Überflutung nicht beschädigt werden. In Großbritannien nennen wir das "flutgerecht" oder "flutsicher". Also, wenn sie überflutet werden. Gut, dann geht man ins Innere des Hauses und nach einem oder zwei Tagen ist alles wie gehabt."

    In der neu gebauten Hafencity von Hamburg gibt es solche Gebäude bereits. Ob Dritte-Welt-Länder bei dieser Art Sturmflutschutz mithalten können, ist aber mehr als fraglich.