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Wenn der Rohrschwirl ins Feldmikrofon röhrt

Biologie. - Die Vogelgesellschaft eines Ortes lässt sich am besten anhand ihres Gesangs erkunden. Deshalb müssen Ornithologen oft früh aufstehen, denn in den frühen Morgenstunden singen die Vögel am intensivsten. Zwei Bonner Informatiker tüfteln an einem computergestützten Stimmendetektor für Vögel. Bei zwei Arten ist er schon recht zuverlässig: dem Rohrschwirl und dem Buchfink.

Von Volker Mrasek |
    Viele hören Radio am Arbeitsplatz. Manche Musik. Daniel Wolff und Ralf Bardeli bevorzugen Klänge aus der Natur.

    "Da sind verschiedene Vögel drin."

    "Da sind auch ein paar Frösche drauf und der Kuckuck."

    "Ist dann schon ’ne ziemlich komplexe Szene, wo sich viele Stimmen überlagern."

    "Das ist ein typisches Morgenkonzert. Fünf Uhr."

    "Ja, und auch für einen Menschen ist es hier gar nicht mehr so einfach, die einzelnen Tiere auseinanderzuhalten. Und dass so wenige Leute eine gute Stimmenkenntnis von Tieren haben, ist halt gerade eines der Probleme, denen wir uns hier widmen."

    Wolff und Bardeli sind keine Biologen, sondern Informatiker. Der eine ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn, der andere war es und forscht heute am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme im benachbarten Sankt Augustin. Und dennoch: Das Gequake und Tirili hören sich die Forscher quasi dienstlich an. Vor ihnen auf dem Schreibtisch stehen nicht nur Lautsprecher, sondern auch zwei Computermonitore.

    "Auf dem linken Bildschirm haben wir gerade einen Buchfink-Ruf im Spektrogramm. Ungefähr 16 oder 17 von den Buchfink-Strophen. Auf dem anderen Bildschirm können wir Tierstimmen sehen, einmal in Wellenform und einmal im Spektrogramm. Und für jede Frequenz ist farbcodiert die Intensität des Signals in dem Frequenzband dargestellt."

    Das Programm, das da läuft, haben Wolff und Bardeli selbst entwickelt - in Kooperation mit dem Tierstimmen-Archiv an der Berliner Humboldt-Universität. Es ist ein Vogelstimmen-Detektor. Ein automatisches Signalerkennungssystem, das darauf getrimmt wurde, individuelle Gesänge herauszufiltern. Zum Beispiel aus dem vielstimmigen Konzert vom Parsteiner Weiher, einem Naturschutzgebiet in Brandenburg, wo sogar Frösche dazwischenquaken. Doch davon lässt sich der Algorithmus des Programms nicht beirren. Ralf Bardeli:

    "Da stecken Schritte drin, die ihm sagen: Er soll sich ein bestimmtes Frequenzband von einem Audiostück, was er kriegt, angucken. Dann steckt da als Nächstes drin: OK, jetzt, wenn du das Frequenzband hast, dann schau doch mal, ob da Elemente wiederholt werden. Und wie schnell die wiederholt werden."

    Das ist kein Morsegerät mit Kurzschluss. Und auch keine Feldgrille. Sondern ein Rohrschwirl - der Vogel, um den es beim Pilotprojekt am Parsteiner Weiher geht. Wie Daniel Wolff sagt, ist sein Gesang recht gut zu erkennen. Da ist einmal der eigenwillige, knatternde Rhythmus. Aber auch die Tonhöhe verrät den Interpreten. Wolf:

    "Eine mittlere Frequenz von um die vier Kilohertz. Und dann gibt es noch Obertöne bis acht Kilohertz, je nachdem, wie nahe der Vogel ist."

    Ganz anders hört sich das beim Buchfink an. Auch auf diese Vogelart haben die Bonner Informatiker ihren bioakustischen Detektor schon geeicht. Wolff:

    "Beim Buchfink sind das zwei Kilohertz bis sechs Kilohertz ungefähr. Es gibt immer einen großen Tusch am Ende bei dem Buchfink. Und es gibt Phrasen von Tönen sozusagen, die der Buchfink singt. Und die sind charakteristisch."

    Mehrere Jahre Arbeit haben die Bonner in ihr Bioakustik-Projekt gesteckt. Sie hoffen, dass es Zoologen und Naturschützern künftig bei der Inventur bedrohter Arten nutzen kann. Statt sich selbst tage- oder nächtelang ins Unterholz zu schlagen, stellen sie bloß noch einmal wetterfeste Mikrofone auf. Die Geräte fangen dann die Vogel-Kulisse am Ort der Wahl ein, speichern sie auf einem ebenfalls wetterfesten Datenträger - und das Computerprogramm filtert aus dem Stimmen-Wust dann die gesuchte Art heraus. Das Feldmikrofon ersetzt den Ornithologen. Beim Rohrschwirl sei die Trefferquote des Detektors sehr gut, sagen Bardeli und Wolff. Er soll deshalb bald routinemäßig am Parsteiner Weiher eingesetzt werden.

    "Wenn man sich jetzt für ein etwas größeres Spektrum an Tierarten interessiert, dann sollte man da erst noch mal eine gründliche Forschungsphase vorwegschieben. Es ist noch nicht das Verfahren gefunden worden, das jegliche Vogelstimme optimal erkennt und von anderen Vogelrufen trennen lässt."