Im Teenageralter können Freundinnen und Freunde Halt und Orientierung geben und sind oft wichtiger als die Eltern. So geht es dem 15-jährigen Joshua mit seiner Freundin Zivan. Sie ist der wichtigste Mensch in seinem Leben, er kennt sie seit der Vorschule und kann sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen.
Rückkehr in den Irak
Zivans Familie ist vor ihrer Geburt vor dem Regime Saddam Husseins aus dem Irak in die Niederlande geflohen. Doch als das Mädchen 14 Jahre alt ist, beschließen ihre Eltern, aus religiösen Gründen in den Irak zurückzukehren. Die Tochter soll nach kurdischer Tradition leben und den Kontakt zum Westen abbrechen. Nach Zivans Abreise wartet Joshua vergeblich auf ein Lebenszeichen.
„Zivan ist viel mehr als meine Freundin. Sie ist meine Motivation, meine Muse, meine Hoffnung, mein Gewissen. Alles, worüber ich mich früher aufgeregt habe, angefangen von dem Streit mit Kato bis hin zu der Frage, ob man als Vegetarier noch Fisch essen darf und ob Pornos gucken deine Vorstellung von Sexualität versaut; ALLES konnte ich mit Zivan besprechen, und ich habe ihre Ratschläge IMMER befolgt. Ohne Zivan bin ich nichts. Die liebste, die netteste und mir am meisten Sicherheit gebende Person, die ich kenne. Und mein allergrößter Kummer.“
„Zivan ist viel mehr als meine Freundin. Sie ist meine Motivation, meine Muse, meine Hoffnung, mein Gewissen. Alles, worüber ich mich früher aufgeregt habe, angefangen von dem Streit mit Kato bis hin zu der Frage, ob man als Vegetarier noch Fisch essen darf und ob Pornos gucken deine Vorstellung von Sexualität versaut; ALLES konnte ich mit Zivan besprechen, und ich habe ihre Ratschläge IMMER befolgt. Ohne Zivan bin ich nichts. Die liebste, die netteste und mir am meisten Sicherheit gebende Person, die ich kenne. Und mein allergrößter Kummer.“
Kunst als Gesprächsbasis
Joshua lebt nach der Scheidung der Eltern bei seinem depressiven, alkoholkranken Vater. Er hat zwei erwachsene Brüder und eine ältere Schwester, die bei der Mutter lebt. Die Eltern sind mit eigenen Problemen beschäftigt und kümmern sich wenig um ihr jüngstes Kind. Manchmal geht die Mutter mit Joshua ins Museum, dann kommen die beiden miteinander ins Gespräch, denn der Fünfzehnjährige ist ein begabter Zeichner und interessiert sich für Kunst. Die Autorin von "Ohne dich", Erna Sassen, sagt:
„Zeichnungen und Gemälde, auch schöne Bilder betrachten in einem Museum oder in einem Buch, das ist eine erfüllende, beruhigende, entspannende Aktivität für Joshua. Und ich denke, es wirkt entspannend auf viele Leute. Das ist die Bedeutung von Kunst für Joshua und auch für mich selbst“.
„Zeichnungen und Gemälde, auch schöne Bilder betrachten in einem Museum oder in einem Buch, das ist eine erfüllende, beruhigende, entspannende Aktivität für Joshua. Und ich denke, es wirkt entspannend auf viele Leute. Das ist die Bedeutung von Kunst für Joshua und auch für mich selbst“.
Wolf mit blutender Wunde
Joshua zeichnet jeden Tag stundenlang in seine Skizzenhefte, meistens ist Zivan sein Motiv, sich selbst stellt er als Wolf mit blutender Wunde dar. Aus der Ich-Perspektive erzählt Erna Sassen feinfühlig von einem sensiblen Teenager, dessen Empfindungen in Skizzen und Aquarellen zum Ausdruck kommen.
Martijn van der Linden hat das Buch sehr gelungen illustriert. Seine meist schwarz-weißen Aquarelle und Illustrationen nehmen viel Raum ein, sie füllen ganze Seiten oder auch Doppelseiten. Auf dem Cover leuchtet ein Aquarell blau zusammen mit einem Siebdruck in Hellgrün, das Hellgrün wird auf dem Vorsatzpapier fortgesetzt. Illustrationen und Schriftzüge mit dem Namen Zivan sowie blaue Farbkleckse geben dem Buch die Anmutung eines Skizzenhefts. Autorin und Illustrator sind ein eingespieltes Team.
„Zuerst schreibe ich das gesamte Manuskript, und oft schreibe ich in das Manuskript seinen Namen in Klammern und frage dann: Martijn? - mit Fragezeichen. Das ist der Zeitpunkt, wenn ich denke, dass ich eine Illustration von ihm brauche. Martijn zeigt mit seinen Illustrationen die eher zarten Seiten von Joshuas Charakter. Joshuas Worte sind oft sehr wütend. Daher brauche ich Martijn für die sanfte und liebenswerte Seite.“
Martijn van der Linden hat das Buch sehr gelungen illustriert. Seine meist schwarz-weißen Aquarelle und Illustrationen nehmen viel Raum ein, sie füllen ganze Seiten oder auch Doppelseiten. Auf dem Cover leuchtet ein Aquarell blau zusammen mit einem Siebdruck in Hellgrün, das Hellgrün wird auf dem Vorsatzpapier fortgesetzt. Illustrationen und Schriftzüge mit dem Namen Zivan sowie blaue Farbkleckse geben dem Buch die Anmutung eines Skizzenhefts. Autorin und Illustrator sind ein eingespieltes Team.
„Zuerst schreibe ich das gesamte Manuskript, und oft schreibe ich in das Manuskript seinen Namen in Klammern und frage dann: Martijn? - mit Fragezeichen. Das ist der Zeitpunkt, wenn ich denke, dass ich eine Illustration von ihm brauche. Martijn zeigt mit seinen Illustrationen die eher zarten Seiten von Joshuas Charakter. Joshuas Worte sind oft sehr wütend. Daher brauche ich Martijn für die sanfte und liebenswerte Seite.“
Eine gewalttätige Bande
Joshua wirkt nach außen still und zurückhaltend, seine innere Wut verhallt ins Leere, bis er durch einen Wechsel zur Hauptschule auf Sergio trifft. Der Rückzug in sein Skizzenheft endet jäh, als Sergio, der Anführer der Klasse, es ihm aus der Hand reißt. Er nennt Joshua Rembrandt, bezeichnet ihn als Schwuchtel und fordert ihn heraus. Joshua kann seinem Mitschüler nicht entfliehen, denn hinter Sergio steht eine gewalttätige Bande, allen voran Dylan, der Joshua die Nase blutig schlägt.
„Nach zehn Minuten blute ich noch immer. Was für eine Scheiße. Kann ich gleich in die Notaufnahme. ‚Noch zehn Minuten‘, kommandiert Sergio. ‚Ist gut, Boss.' ‚Mir ist übrigens lieber, du nennst mich Sergio', sagt Sergio, während er weiter auf sein Handy starrt. ‚Und mir ist lieber, du nennst mich Joshua', sage ich. Sergio wirft einen Blick zur Seite und schüttelt den Kopf. ‚Rembrandt ist der Beste.' ‚Kennst du denn so viele Künstler?', denke ich, bin aber vernünftig genug, den Mund zu halten. Offenbar ist es als Kompliment gemeint und nicht, um mich runterzumachen.“
„Nach zehn Minuten blute ich noch immer. Was für eine Scheiße. Kann ich gleich in die Notaufnahme. ‚Noch zehn Minuten‘, kommandiert Sergio. ‚Ist gut, Boss.' ‚Mir ist übrigens lieber, du nennst mich Sergio', sagt Sergio, während er weiter auf sein Handy starrt. ‚Und mir ist lieber, du nennst mich Joshua', sage ich. Sergio wirft einen Blick zur Seite und schüttelt den Kopf. ‚Rembrandt ist der Beste.' ‚Kennst du denn so viele Künstler?', denke ich, bin aber vernünftig genug, den Mund zu halten. Offenbar ist es als Kompliment gemeint und nicht, um mich runterzumachen.“
Konträre Welten prallen aufeinander
Erna Sassen lässt in ihrem neuen Buch „Ohne dich“ konträre Welten aufeinanderprallen. Sprache, Bildung und Interessen von Joshua stellt die niederländische Autorin der bildungsfernen Welt seiner Klassenkameraden gegenüber. Joshua offenbart seinen Kummer in seinen Zeichnungen, und Sergio stellt Fragen, er ist direkt und unmittelbar und wirklich interessiert an Joshua.
Das Schicksal bringt Zivan schließlich wieder zurück, als die in den Niederlanden verbliebene Tante erkrankt und Zivan und ihre Mutter sie eine Weile pflegen. Doch das Mädchen ist verändert, sie trägt jetzt ein Kopftuch, und die Unbeschwertheit zwischen Joshua und ihr ist verloren gegangen. Zivan weiß, dass sie in den Irak zurückkehren muss, um mit ihrem Cousin verheiratet zu werden. Und diese Vorstellung führt bei Joshua zu nächtlichen Panikattacken. In einem gelungenen Showdown läuft die Handlung auf Zivans Entscheidung zu. Joshua gesteht seinem Freund Sergio:
"Was Zivan sagt, stimmt. Es geht. Alles geht. Man kann auch von Wasser und Brot leben. Oder wochenlang schiffbrüchig auf dem Ozean treiben. Ganz zu schweigen von all den Menschen, die einen Krieg überleben müssen.
‚Sie geht, oder?' Er sieht es an meiner Miene. Ich nicke. Eigentlich hast du es schon gewusst', sagt er. Ich nicke wieder. Sergio wusste es auch. Eigentlich. Schon. Dylan nicht. Er haut mir auf die Schulter und bietet mir an ‚dem Kerl die Knie zu brechen'“.
Trotz unterschiedlicher Wertvorstellungen zeigen die Klassenkameraden Respekt und Mitgefühl für Joshuas schwierige Situation. Erna Sassen setzt ihre Hauptfiguren den sozialen und politischen Verhältnissen aus.
„Wir müssen uns mit Politik auseinandersetzen, Kinder müssen das auch. Mich interessiert, was Leute bewegt, und Politik ist Teil davon. Wir müssen uns mit Leuten wie Saddam Hussein, Erdogan und nun Putin beschäftigen. Wir müssen uns mit diesen durchgeknallten Anführern auseinandersetzen.“
Das Schicksal bringt Zivan schließlich wieder zurück, als die in den Niederlanden verbliebene Tante erkrankt und Zivan und ihre Mutter sie eine Weile pflegen. Doch das Mädchen ist verändert, sie trägt jetzt ein Kopftuch, und die Unbeschwertheit zwischen Joshua und ihr ist verloren gegangen. Zivan weiß, dass sie in den Irak zurückkehren muss, um mit ihrem Cousin verheiratet zu werden. Und diese Vorstellung führt bei Joshua zu nächtlichen Panikattacken. In einem gelungenen Showdown läuft die Handlung auf Zivans Entscheidung zu. Joshua gesteht seinem Freund Sergio:
"Was Zivan sagt, stimmt. Es geht. Alles geht. Man kann auch von Wasser und Brot leben. Oder wochenlang schiffbrüchig auf dem Ozean treiben. Ganz zu schweigen von all den Menschen, die einen Krieg überleben müssen.
‚Sie geht, oder?' Er sieht es an meiner Miene. Ich nicke. Eigentlich hast du es schon gewusst', sagt er. Ich nicke wieder. Sergio wusste es auch. Eigentlich. Schon. Dylan nicht. Er haut mir auf die Schulter und bietet mir an ‚dem Kerl die Knie zu brechen'“.
Trotz unterschiedlicher Wertvorstellungen zeigen die Klassenkameraden Respekt und Mitgefühl für Joshuas schwierige Situation. Erna Sassen setzt ihre Hauptfiguren den sozialen und politischen Verhältnissen aus.
„Wir müssen uns mit Politik auseinandersetzen, Kinder müssen das auch. Mich interessiert, was Leute bewegt, und Politik ist Teil davon. Wir müssen uns mit Leuten wie Saddam Hussein, Erdogan und nun Putin beschäftigen. Wir müssen uns mit diesen durchgeknallten Anführern auseinandersetzen.“
Die Konsequenzen politischer Verfolgung
Die politischen Ereignisse, die Erna Sassens Roman aufgreift, liegen ein paar Jahre zurück, aber die Thematik ist hoch aktuell. Joshua erfährt die Not und die Konsequenzen politischer Verfolgung am Beispiel Zivans. Die Auseinandersetzung mit der Kunst und das Mitgefühl seiner Freunde spenden Joshua Trost. Der niederländischen Autorin ist ein bewegender Jugendroman gelungen, genial ergänzt durch Martijn van der Lindens feinsinnige Illustrationen und eine ungewöhnliche Buchgestaltung.
Erna Sassen: „Ohne dich“
Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf
Illustriert von Martijn van der Linden
Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart. 264 Seiten, 20 Euro, ab 14 Jahren.
Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf
Illustriert von Martijn van der Linden
Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart. 264 Seiten, 20 Euro, ab 14 Jahren.