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Wenn die Krankheit in den Genen steckt

Das geplante Gendiagnostik-Gesetz soll das Recht der Patienten stärken und den Missbrauch von Untersuchungsergebnissen verhindern. So möchten die Gesetzgeber garantieren, dass jeder Bürger allein entscheiden kann, ob er seine persönlichen genetischen Dispositionen erfahren und weitergeben möchte.

Von Christiane Wirtz |
    "Meine Mutter war mehrfach hintereinander erkrankt, zunächst Gebärmutter- und dann auch zweimal Darmkrebs mit bösartigen Tumoren. Gott sei Dank ist das frühzeitig entdeckt worden, und sie ist dann auf den Gedanken gekommen, dass in der Familie sehr häufig solche Erkrankungen stattgefunden haben, zum Beispiel ist ihr Bruder mit 26 Jahren bereits an Darmkrebs gestorben."

    Antonia P. (Name von der Redaktion geändert) ist 36 Jahre alt. Die blonde, jugendlich wirkende Frau sitzt an einem großen Holztisch in der Küche ihrer Bonner Wohnung. Im Nebenzimmer schläft ihr vier Monate alter Sohn. Sie erzählt, dass ihre Mutter sich damals für einen Gen-Test entschieden habe. Das Ergebnis war positiv. Die Mutter leidet am sogenannten Lynch-Syndrom, einer erblichen Form von Darmkrebs, die auch auf andere Organe übergreifen kann.

    Für Antonia P. war damals sofort klar, dass auch sie einen solchen Test machen wollte. Selbst wenn die Krankheit bei ihr möglicherweise niemals oder erst in vielen Jahren ausbrechen könnte, wollte sie Gewissheit.

    "Natürlich hat man Angst, den negativen Befund zu bekommen, dass man tatsächlich auch diese genetische Erkrankung hat, aber die Chance aus meiner Sicht war 50 zu 50. Genauso gut hätte ich auch erfahren können, ich habe es nicht, das wäre ja dann schön gewesen. Leider habe ich es auch. Aber das ist jetzt für mich insofern von Vorteil, als ich weiß, ich muss regelmäßig zur Vorsorge gehen."

    Seit drei Jahren weiß Antonia P., dass die Krankheit in ihren Genen steckt. Das Risiko, im Laufe des Lebens tatsächlich an Krebs zu erkranken, ist beim Lynch-Syndrom relativ hoch. Es liegt bei 80 Prozent. Trotz dieses Wissens hat sich das Leben der jungen PR-Beraterin kaum verändert - abgesehen davon, dass sie regelmäßig zur Vorsorge geht.

    "Ein paar Wochen hat mich das belastet - und natürlich in dem Augenblick, als ich das mitgeteilt bekommen habe, habe ich mich natürlich schlecht gefühlt. Aber es ist jetzt nichts, was den Alltag unmittelbar beeinflusst, und man gewöhnt sich an den Gedanken."

    Segen und Fluch der Humangenetik liegen in solchen Fällen eng beieinander: Einerseits hilft das Wissen um das Erbe, erste Anzeichen einer Erkrankung frühestmöglich zu erkennen. Andererseits besteht das Risiko, dass die Informationen den Menschen überfordern oder von dritten missbraucht werden. Vor diesem Hintergrund verhandelt der Bundestag seit langem über ein Gesetz, das den Umgang mit genetischen Daten regelt. Am Freitag soll es nun verabschiedet werden. Federführend für das Gendiagnostikgesetz ist das Bundesgesundheitsministerium, Staatssekretär Rolf Schwanitz:

    "Genetische Daten gehören zu den unveräußerlichen Dingen, über die ein Mensch als Information verfügt. Sie sagen sehr viel auch über künftige Dinge, auch über andere Personen, über Kinder oder Eltern, und deswegen muss man dies auch schützen, mit besonderen Rechten versehen, den Umgang mit diesen Daten."

    Das Gendiagnostikgesetz folgt dabei dem Grundsatz der informationellen Selbstbestimmung. Das heißt, jeder Mensch soll selbst darüber entscheiden, wem er was über sich selbst erzählt. Außerdem will das Gesetz verhindern, dass jemand aufgrund seiner genetischen Disposition benachteiligt wird. Ausgeschlossen ist damit ausdrücklich, dass beispielsweise eine Krankenkasse den Träger eines bestimmten Gens in einen höheren Tarif einstuft - nur weil die Gefahr besteht, dass er in Zukunft erkrankt und damit Kosten verursacht. Ebenso wenig darf ein Arbeitgeber einen solchen Mitarbeiter benachteiligen, etwa indem er ihn nur befristet einstellt oder einen beruflichen Aufstieg verhindert.

    Ein Gen-Check für die Versicherung oder für den Arbeitgeber? Solche Szenarien waren noch vor einigen Jahren kaum vorstellbar. Doch die Forschung schreitet unaufhaltsam voran, und das Wissen um die Gene wird immer weitere Begehrlichkeiten wecken.

    "Durch die Aufklärung des menschlichen Genoms und die Untersuchbarkeit ist es zu einem Quantensprung gekommen. Und die Ausflüsse dieser Entdeckung werden noch über Jahrzehnte weitergehen","

    sagt der Humangenetiker Professor Peter Propping. Gemeinsam mit fünf anderen Universitätskliniken begleitet er an seinem Institut in Bonn fast 4000 Familien in ganz Deutschland, in denen das Lynch-Syndrom auftritt. Besteht aufgrund der Familiengeschichte der Verdacht auf diese Form des erblichen Darmkrebs, rät Propping grundsätzlich zu einem Test. 90 bis 95 Prozent der Risikopersonen folgen seinem Rat. Beim Lynch-Syndrom kann das Wissen Leben retten, denn selbst wenn das Test-Ergebnis positiv ist, können Vorsorgeuntersuchungen das Schlimmste verhindern…

    ""…sodass, wenn denn ein Krebs auftritt, rechtzeitig behandelt werden kann, also sprich, operiert werden kann. Denn Darmkrebs ist im Prinzip heilbar, auch der erbliche Darmkrebs ist heilbar. Der Witz dabei ist eben nur, sie müssen rechtzeitig erkannt werden und rechtzeitig operiert werden. Dann haben diese Menschen durchaus eine gute Chance, auch ein hohes Lebensalter zu erreichen."

    Beim Lynch-Syndrom ist der Zusammenhang zwischen Gensequenz und Krankheit relativ einfach zu erklären, da es sich um ein monogenes Leiden handelt. Das heißt: Nur ein einzelnes Gen ist mutiert und kann zu einer Erkrankung führen.

    Ähnlich ist es bei einer erblichen Form von Brustkrebs. Mitte der Neunzigerjahre fanden Forscher heraus, dass die Gene BRCA1 und BRCA2 in einem Zusammenhang zum Brustkrebs stehen. Ist eines dieser beiden Gene mutiert, versagen die Reparaturmechanismen der Zelle, und es kann ein Tumor entstehen. Beim erblichen Brustkrebs liegt dieses Risiko zwischen 65 und 75 Prozent.

    Das heißt: Auch bei den meisten monogenen Leiden können die Ärzte nur die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung vorhersagen. Noch viel schwieriger ist es für einen Humangenetiker wie Professor Propping, Krankheiten zu prognostizieren, die nicht nur auf einem veränderten Gen, sondern auf vielen verschiedenen Faktoren beruhen.

    "Die nach Mendelschen Gesetzen erblichen Krankheiten, von denen es mehrere 1000 gibt, die allerdings überwiegend sehr selten sind, die stellen eigentlich Extremfälle der genetischen Variabilität dar, haben vorwiegend Eingang in Lehrbücher gefunden, weil sie so schön übersichtlich sind. Sehr viele Krankheiten haben allerdings eine sehr viel kompliziertere genetische Grundlage. Dazu gehören die sogenannten Volkskrankheiten hoher Blutdruck, Diabetes, allergische Krankheiten, Epilepsie, Geisteskrankheiten und so weiter. Da spielen genetische Anlagen zwar eine Rolle, sie reichen aber zur Erklärung der Krankheit nicht aus."

    Und selbst dass sich eine Krankheit leicht erklären lässt, heißt noch lange nicht, dass man sie auch behandeln kann. Ein besonders grausames Beispiel dafür ist Chorea Huntington. Eine Krankheit, die etwa einen von 10.000 Menschen trifft. Die Nervenkrankheit ist ein monogenes Leiden, sie beruht auf einem einzigen veränderten Gen. Und da man weiß, welches Gen das ist, lässt sich die Krankheit auch relativ leicht prognostizieren. Tragen Vater oder Mutter das mutierte Gen, haben die Kinder es mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent geerbt. Und wer es hat, wird erkranken. Die Frage ist eigentlich nur, wann. Häufig zeigen sich die ersten Symptome ab Anfang 30. Dann verliert der Mensch nach und nach die Kontrolle über seinen Körper, Arme und Beine zappeln, die Sprache verschwimmt.

    "Da ist die Bereitschaft oder das Interesse, sich vorhersagend untersuchen zu lassen, sehr viel geringer. Liegt nach allgemeinen Erfahrungen im Bereich von zehn Prozent der Risikopersonen, die sich untersuchen lassen wollen","

    sagt der Humangenetiker Professor Peter Propping. Wie ein Damoklesschwert hängt dann das Erbe über dem Leben. Will man wissen, ob man einem ähnlichen Schicksal ausgeliefert ist wie Vater oder Mutter? Will man der Zukunft in die Karten sehen? Obwohl es nichts gibt, was man den Genen entgegensetzen kann?

    Vielleicht kommt der Test aber auch zu dem Ergebnis, dass man das Erbe gar nicht in sich trägt? Vielleicht gibt es ein Leben ohne Angst? Die Chance auf ein anderes Leben? Wissen oder nicht wissen? Eine Frage, die wohl jeder Mensch nur für sich selbst beantworten kann, sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

    ""Also es geht nicht nur um den Umgang mit den Daten durch Dritte, sondern es geht auch um das Recht auf Nichtwissen. Gerade bei den sogenannten prädiktiven Gentests, wo es um die Disposition zu bestimmten Erkrankungen geht, die noch gar nicht ausgebrochen sind, gerade da habe ich als Betroffener auch ein Recht, nicht wissen zu wollen, und das ist zu respektieren, und das ist ein Grundsatz, der in diesem Gesetz festgeschrieben ist."

    Das es notwendig ist, diesen Grundsatz im Gendiagnostikgesetz festzuschreiben, zeigt ein Fall aus Hessen: Dort sollte eine junge Lehrerin nicht Beamtin werden, weil ihr Vater an Chorea Huntington litt. Die Tochter, so argumentierte das Schulamt, sei im Moment zwar gesund, doch trage sie ein Risiko von 50 Prozent, später auch zu erkranken. Die Behörden machten daher einen Gen-Test zur Voraussetzung für eine Verbeamtung. Die Lehrerin wehrte sich und klagte vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt, das im Juni 2004 zu ihren Gunsten entschied: Das Gericht sprach ihr das Recht zu, ihre Gene nicht kennen zu müssen. Staatssekretär Rolf Schwanitz hält diesen Fall aus Hessen für aberwitzig.

    "Das ist ein Stück aus Absurdistan. Das kann niemand nachvollziehen. Und es ist ein wirklich exemplarisches Negativbeispiel, dass Arbeitgeber diese Dinge nichts angehen."

    So absurd es klingen mag - doch angesichts der jüngsten Daten-Skandale hält die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Carola Reimann, den Schutz von genetischen Daten für dringend geboten.

    "Nachdem in verschiedenen Großunternehmen so mit Gesundheitsdaten umgegangen worden ist, ist es auch wichtig noch einmal für den Gesetzgeber ein Signal zu setzen: Das wollen wir nicht."

    Auch Versicherungen dürfen keinen Gen-Test verlangen. Es sei denn, die Versicherungsleistung übersteigt 300.000 Euro beziehungsweise 30.000 Euro als Jahresrente. Und das Gesetz geht sogar noch weiter: Die Versicherung muss selbst einen freiwillig vorgelegten Gen-Test ignorieren. Es hilft also nichts, beim Abschluss einer Lebensversicherung ein einwandfreies Test-Ergebnis vorzulegen, um dadurch bessere Konditionen auszuhandeln. Nur so lässt sich verhindern, dass eine genetische Dispostion am Ende dann doch zu einer Ungleichbehandlung führt, sagt der Berliner Versicherungsrechtler Professor Christian Armbrüster.

    "Der Versicherer darf auch nicht fragen, in dem Sinne, dass er einen Gen-Test verlangt und fordert, und er soll diese Informationen auch nicht entgegen nehmen dürfen und verwerten dürfen, wobei aus meiner Sicht die Verwertung das Entscheidende ist."

    Streit um das Gendiagnostikgesetz gab es bis zum Schluss. Erst am vergangenen Wochenende einigte sich die Koalition auf die endgültige Fassung. Umstritten war vor allem, wie weit pränatale Gen-Tests gehen dürfen. Also: Wie viel dürfen Eltern schon vor der Geburt über ihr Kind herausfinden? Sein Gene entschlüsseln? Zum Beispiel im Hinblick auf Krankheiten, die erst viele Jahre nach der Geburt ausbrechen könnten?

    Die Koalition hat sich nun darauf geeinigt, solche vorgeburtlichen Tests auf Krankheiten im Erwachsenenalter zu verbieten - so wie die Union es wollte. Inhaltlich ist dies eine Position, die auch die Medizinerin Professor Jeanne Niklas-Faust vertritt. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes "Lebenshilfe".

    "Nehmen wir an, das Kind hat eine angeborene Erkrankung, eine Fehlbildung der Nieren, die sich zwischen dem vierzigsten und sechzigsten Lebensjahr auswirkt. Das Kind selbst hat dann keine Wahl mehr, wenn es zur Welt kommt, ob es das wissen will oder nicht, wenn die Mutter berechtigt wäre, diesen Gentest vorher durchzuführen."

    Die Medizinerin argumentiert damit, dass die Eltern mit einem solchen Wissen gar nichts anfangen könnten.

    "Es gibt keine Konsequenzen, die die Mutter aus diesem Wissen ziehen kann. Sie hätte nicht das Recht, daraufhin einen Abbruch zu verlangen. Und letztlich ist es für ihr Leben nicht so entscheidend, ob das Kind die gleiche Veranlagung trägt wie sie selber, um zu rechtfertigen, dass das Kind sein Recht auf Nichtwissen nicht mehr verwirklichen kann."

    Unionspolitiker und auch die Kirchen fürchteten, dass es sehr wohl Konsequenzen solcher vorgeburtlicher Tests geben könnte. Das Wissen um die Möglichkeit einer späteren Erkrankung könne die Eltern dazu bewegen, trotz möglicher juristischer Schwierigkeiten über eine Abtreibung nachzudenken.

    Die SPD hingegen hatte sich bis zum Schluss gegen ein Verbot ausgesprochen. Warum, erläutert die gesundheitspolitische Sprecherin Carola Reimann:

    "Wir haben das in der Anhörung thematisiert, und dabei ist klar geworden, dass solche vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen auf Erkrankungen, die erst im Erwachsenenalter auftreten, ganz selten nachgefragt werden. Und nach einer genetischen Beratung noch seltener durchgeführt werden."

    Zudem habe der Gesetzgeber kein Recht, den Eltern mögliches Wissen über ihr Kind vorzuenthalten. Die Entscheidung, ob man dieses Wissen überhaupt will und wie man damit umgeht, müsse den Eltern selbst und dem behandelnden Arzt überlassen bleiben.

    Am Ende aber lenkte die SPD ein:

    "Ich finde, der Gesetzentwurf an sich ist so wichtig, dass man an dieser Detailregelung, die eben nur für Einzelfälle, wenn überhaupt, zum Tragen kommt, nicht scheitern lassen kann."

    Antonia P. hat in ihren beiden Schwangerschaften keinen Test gemacht, um festzustellen, ob ihre Kinder das gleiche Erbe und damit das Lynch-Syndrom in sich tragen. Bislang kennt sie nur ihre eigene Disposition. Die PR-Beraterin will ihre beiden Kinder später selbst entscheiden lassen, was sie mit der genetischen Familiengeschichte anfangen.

    "Ich werde denen sicherlich, wenn sie 18 sind, sagen, das und das habe ich. Ich rate euch, euch untersuchen zu lassen. Ja, und dann müssen sie es immer noch selber entscheiden."

    Die Entscheidung, was man wissen will und was nicht, kann man niemandem abnehmen, sagt sie. Schließlich gab es auch in ihrer Familie Menschen, die nichts von ihrem Erbgut wissen wollten - denen es am liebsten gewesen wäre, wenn ihre Mutter die Familiengeschichte für sich behalten hätte.

    "Ich weiß auch von einer Cousine, die ganz unglücklich darüber war, das dann erfahren zu haben, und die hatte so das Gefühl, wenn meine Mutter das nie herausgefunden hätte, hätte sie es auch nicht herausgefunden, und sie wäre dann auch nicht erkrankt. Sie ist nämlich erkrankt, oder beziehungsweise man hat es erkannt durch eine Vorsorgeuntersuchung, die sie daraufhin gemacht hat. Aber sie war trotzdem wütend auf meine Mutter. Komischerweise."

    Im Gendiagnostikgesetz geht es aber nicht nur um veränderte Gene - sondern auch um fremde Gene, genau genommen um die Gene fremder Männer. Es geht um heimliche Vaterschaftstests. Sie sorgten in den vergangenen Jahren immer wieder für erhitzte Diskussionen zwischen den Geschlechtern - so wie bei dieser Call-in-Sendung des Bayerischen Rundfunks.

    "Nur für die schönen blauen Augen einer Frau, die mir sagt, das ist schon deins, das darfst du mir glauben, möchte ich da eigentlich nicht in die Pflicht genommen werden. Das hat ja auch weitreichende Folgen, wie wir alle wissen, mit Erbschaft und so weiter und so weiter."

    "Auf der anderen Seite, es gibt genügend Männer, die unbegründete Zweifel haben, die einfach ein bisserl spinnert sind, und warum soll der dann nicht heimlich einen Test machen, und ich erfahre nichts davon, dann ist die Ehe auch in Ordnung."

    "Also mir tun wirklich die Väter leid. Ich bin da eher auf der Schiene der Väter, weil ich finde, sie haben die selben Rechte wie die Mütter, und sie stehen ihr da genau gleich."

    "Es müssen sich viel mehr Männer dran gewöhnen, dass sie halt nicht die Väter der Kinder sind, biologisch, für die sie der soziale Vater sind. Weil da gibt es neue Beziehungen, neue Familien, da gibt es dieses Patchwork-System. Und wenn ein Mann sichergehen will, dass er sein genetisches Material weitergibt, dann soll er halt mehr Kinder in die Welt setzen, das hätten wir hierzulande eh nötig."

    Das Kuckuckskind. Es geht um die Angst, ein fremdes Kind untergeschoben zu bekommen - offenbar eine Urangst des Menschen, des Mannes in diesem Fall. Der Gentechnik sei Dank gibt es nun ein Mittel gegen diese Angst - die Gewissheit. Man braucht nicht mehr zu tun als eine Babylocke oder einen Schnuller in den Briefumschlag zu stecken und an ein privates Labor zu schicken. Zwischen 70 und 200 Euro kostet ein solcher Test.

    "Unser Vaterschaftstest ist eine tausendfach bewährte Möglichkeit schnell, sicher und diskret Zweifel an der Vaterschaft auszuräumen","

    heißt es etwa auf einschlägigen Internet-Seiten. Zusätzlich findet man dort den Hinweis:

    ""Aus aktuellem Anlass weisen wir unsere Kunden darauf hin, dass ein heimlicher Test noch straffrei ist."

    Im Gendiagnostikgesetz aber sind nun hohe Bußgelder für einen heimlichen Test vorgesehen. Vor allem die Labore müssen dran glauben. Sie zahlen bis zu 300.000 Euro, wenn sie Gene heimlich abgleichen. Vater, Mutter oder Kind zahlen bis zu 5000 Euro. Und gegen Dritte, die sich via Gen-Test in fremde Familienverhältnisse einmischen wollen, kann ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro verhängt werden.

    Das Gesetz bleibt auch hier dem Grundsatz treu, dass das Wissen um die Gene nur den Betroffenen selbst etwas angeht - sonst niemanden. Und das ist ganz im Sinne des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar:

    "Ich begrüße es, dass das Gesetz hier noch einmal ergänzend zum Zivilrecht Regelungen vorsieht, auch bei Vaterschaftstests, bei Abstammungstests soll es nicht heimliche Erhebungen geben, sondern der Betroffene soll das wissen und soll im Regelfall da einwilligen."

    Hat ein Vater nun trotzdem noch Zweifel daran, ob sein Kind wirklich sein Kind ist, so wird er mit der Mutter darüber reden müssen. Willigt die Mutter in einen Test ein, so steht diesem ohnehin nichts im Wege. Tut sie es nicht, so kann der Vater einen Test gerichtlich durchsetzen. Nur heimlich, still und leise lassen sich Zweifel in Zukunft nicht mehr aus der Welt schaffen. Das gleiche gilt natürlich auch für eine Mutter, die nicht sicher ist, wer der Vater ihres Kindes ist.

    Der Gesetzgeber folgt mit den Regelungen im Gendiagnostikgesetz nun dem Bundesverfassungsgericht. Das entschied schon 2007, dass ein heimlicher Gen-Test gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstößt. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries begrüßte die Entscheidung damals.

    "Ich halte es für richtig, dass niemand von jemand anderem heimlich genetisches Material zur Untersuchung geben darf. Und da mache ich keinen Unterschied, ob es ein Versicherungsunternehmen ist, ob es der Arbeitgeber ist oder ob es jemand ist, der meint, er ist der Vater eines Kindes oder dann vielleicht auch der Großvater oder der Onkel."