Archiv


Wenn die Netze leer bleiben

Wie die meisten europäischen Länder schachert auch Frankreich jedes Jahr bei der EU um möglichst hohe Fischfangquoten, die den Lebensunterhalt der heimischen Fischer sichern sollen. Präsident Nicolas Sarkozy hat sich jetzt sogar für eine Abschaffung der Quoten ausgesprochen. Viele französische Fischer sind unterdessen schon mit der schmerzhaften Tatsache konfrontiert, dass ihre Netze immer öfter leer bleiben. Bettina Kaps berichtet.

    Früher Morgen im baskischen Saint Jean de Luz: Rund 30 kleine und mittlere Fischkutter schaukeln im Hafenbecken, an der Kaimauer ankern drei Hochseetrawler. Der Hafen macht einen verschlafenen Eindruck. Nur eine junge Frau steigt in ihr Fischerboot und fährt hinaus aufs Meer. Zweimal täglich kontrolliert Beatrice Elissalde die Köder an ihren Langleinen, mit denen sie Goldbrassen angelt. In den vergangenen Tagen hat sie keinen einzigen Fisch gefangen.

    "Nach 30 Jahren intensiver Fischerei existieren vor unserer Küste fast keine Fische mehr. Deshalb gibt es auch immer weniger Fischerboote und Seeleute. Vor 30 Jahren arbeiteten hier 1200 Fischer. Heute sind wir nur noch 120. Ein Teil der Fischer ist natürlich schuld an dieser Lage, aber nicht sie allein. Schließlich wurden die Fischer aufgefordert, ihre Technik umzustellen, dafür gab es kräftig Subventionen. Es war ein politischer Entschluss."

    Elissalde steuert aufs offene Meer hinaus. Die Biskyaya liegt noch im Dunkeln. Die Fischerin dreht sich um und zeigt auf die Küste. Im Morgenrot zeichnen sich die Ausläufer der Pyrenäen ab. Dort, sagt sie, nur 15 Kilometer weiter südlich, liegt die Grenzstadt Hendaye.

    "In Hendaye hat der Conseil General 1970 einen Hafen aus dem Boden gestampft, der ausschließlich für Trawler mit Schleppnetzen bestimmt war. Damit wurde ein Todesurteil für alle Fischer gefällt. Denn Schleppnetze fangen wahllos ein, was im Meer schwimmt: auch ganz junge Fische und alle Arten. Deshalb wird auf jedem Hochseetrawler rund ein Drittel des Fangs ins Meer zurückgeworfen, aber diese Fische sind dann tot. Weil die Ressourcen schwinden und der Dieseltreibstoff immer teurer wird, sind diese großen Schiffe jetzt nicht mehr rentabel. Der Hafen von Hendaye hat Pleite gemacht. Heute gibt es hier nur noch den kleinen Hafen von St. Jean de Luz. Wir versuchen Widerstand zu leisten."

    Beatrice Elissalde ist Vorsitzende der baskischen Naturschutzorganisation "Itsas Gerroa", die gemeinsam mit Fischern aus Spanien, aber auch aus Afrika, Asien und Lateinamerika überlegt, wie die Ressourcen geschont werden können. Die Fischereipolitik ihres Landes bringt sie fast zur Verzweiflung, wie zum Beispiel die unverantwortlichen Worte des Staatspräsidenten. Ende Januar erklärte Nicolas Sarkozy vor besorgten Fischern in Boulogne-sur-Mer wörtlich "Wir müssen Schluss machen mit der Quotenregelung" und kündigte an, die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft der Franzosen sei der geeignete Moment dafür.

    Stephan Beaucher von der Umweltschutzorganisation Greenpeace hat im vergangenen Herbst am Umweltgipfel der Regierung teilgenommen. Dort wurde ganz etwas anderes beschlossen, nämlich den Schutz der Fischbestände umfassend und langfristig zu planen.

    "Der Präsident hat den Fischern nach dem Mund geredet. Die meisten Fischer protestieren doch regelmäßig gegen die Quoten, die ihnen zugeteilt werden. Die EU-Kommission hat Nicolas Sarkozy sofort zu verstehen gegeben, dass er auch als EU-Ratspräsident nicht die Kompetenz besitzt, das System umzukrempeln."

    Viele Fischer haben den Glauben an ihre berufliche Zukunft bereits verloren. So stürzen sich die Besitzer von Fischereibooten geradezu auf die neuen Finanzspritzen des Fischereiministeriums. Wurde bis 2002 noch der Bau von Trawlern subventioniert, so gibt es jetzt Prämien für das Abwracken. Das jüngste Programm sieht Geld für die Stilllegung von rund 100 Trawlern vor, die Fischer aber haben Anträge für 210 Trawler gestellt. Stephan Beaucher von Greenpeace begrüßt diese Entwicklung, sieht aber auch ihre Kehrseite.

    "Das wird eindeutig zu einer Verringerung der Überfischung führen. Aber was passiert mit den Häfen? Vor allem an der Westküste gibt es viele Orte, wo ein Dutzend Fischerboote eine Stadt und ihr Hinterland am Leben erhalten. Die Herausforderung besteht jetzt darin, die französische Fischerei so umzustrukturieren, dass die Wirtschaft in diesen Küstenstädten nicht zusammenbricht."

    Für ihn gibt es nur eine Lösung: weniger, aber gezielter fischen, und die qualitativ höherwertigen Fische teurer zu verkaufen. Die Fischerin Beatrice Elissalde hat nie anders gearbeitet.

    "Vor ein paar Jahren wurden Leute wie ich als hoffnungslos rückständig bezeichnet. Dabei gibt es nur diesen einen Ausweg: Wir müssen wieder selektiv fischen. Für mich sind die Meeresschätze ein Erbe der Menschheit, das niemandem gehört."


    Programmtipp: Samstag, 9. Februar 2008, Deutschlandfunk, 11.05 Uhr Gesichter Europas