Ob es spontan war oder geplant, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, aber es ist in den Bilderhaushalt politischer Symbolik eingegangen: Willy Brandts Kniefall in Warschau vor 50 Jahren. Claus Leggewie, Politikwissenschaftler und Publizist erinnert sich im Dlf an Geste und Kontext. Die Geste habe ihre Wirkung entfaltet, "weil sie überraschend kam, weil sie nicht einstudiert war, weil sie im Rahmen des Üblichen, was man bei Staatsbesuchen tut, völlig unüblich war."
Vom Skandal…
1970 war das Bild hochumstritten, meint Leggewie: "Es gab viele Deutsche, die gesagt haben, der dürfte gar nicht knien, das war eine Geste der Unterwürfigkeit." Der Kniefall habe im Rahmen der Ostpolitik gestanden, damals sei es um die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie gegangen, was viele Deutsche empört hat. Brandts entspannende Ostpolitik sei innenpolitisch hochriskant gewesen, ihre Dimensionen seien kaum erkannt worden. Und die Mehrheiten waren knapp und die Konservativen hätten sich sehr lange gegen die Anerkennung dieser Grenze gesträubt. Daher sei die Geste so umstritten gewesen.
…zur Ikone
Bis zum Jahr 2000 sei das Bild dann zu einer Ikone geworden und Willi Brandt habe eine unglaubliche Aura bekommen, die weit über seinen Tod hinaus wirksam war. "Der Kniefall ist eine christliche Geste, das ist ein sakraler Ritus was hier passiert. In einem Land, das damals schon nicht mehr sehr christlich war, von einer Person, die nicht sonderlich religiös war."
Brandt habe stellvertretend um Vergebung für die deutsche Schuld gebeten, obwohl er es persönlich nicht nötig gehabt habe. Er habe den Siegesgesten eine Demutsgeste entgegengesetzt und damit eine Entwicklung eingeleitet, die nicht selbstverständlich war: Von der Verklärung der eigenen Helden zur Anerkennung eigener Schuld. Er glaube nicht, dass die Geste inszeniert gewesen ist.
Brandt habe damals gesagt: "Ich habe das getan, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt."
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