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"Wenn die Sprache versagt..."
Willy Brandts Kniefall in Warschau vor 50 Jahren

Der Kniefall sei erst im Nachhinein - vermittelt durch die Fotografie von Sven Simon - zur Ikone geworden, meint der Politikwissenschaftler Claus Leggewie im Dlf. Viele Zeitgenossen empörten sich über diese "Geste der Unterwürfigkeit". Brandts entspannende Ostpolitik sei innenpolitisch hochriskant gewesen.

Claus Leggewie im Gespräch mit Michael Köhler |
Bundeskanzler Willy Brandt kniet am 7. Dezember 1970 vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau, das den Helden des Ghetto-Aufstandes vom April 1943 gewidmet ist.
Willy Brandts Kniefall vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau 1970 (picture-alliance / dpa / Bildarchiv)
Ob es spontan war oder geplant, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, aber es ist in den Bilderhaushalt politischer Symbolik eingegangen: Willy Brandts Kniefall in Warschau vor 50 Jahren. Claus Leggewie, Politikwissenschaftler und Publizist erinnert sich im Dlf an Geste und Kontext. Die Geste habe ihre Wirkung entfaltet, "weil sie überraschend kam, weil sie nicht einstudiert war, weil sie im Rahmen des Üblichen, was man bei Staatsbesuchen tut, völlig unüblich war."
Vom Skandal…
1970 war das Bild hochumstritten, meint Leggewie: "Es gab viele Deutsche, die gesagt haben, der dürfte gar nicht knien, das war eine Geste der Unterwürfigkeit." Der Kniefall habe im Rahmen der Ostpolitik gestanden, damals sei es um die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie gegangen, was viele Deutsche empört hat. Brandts entspannende Ostpolitik sei innenpolitisch hochriskant gewesen, ihre Dimensionen seien kaum erkannt worden. Und die Mehrheiten waren knapp und die Konservativen hätten sich sehr lange gegen die Anerkennung dieser Grenze gesträubt. Daher sei die Geste so umstritten gewesen.
Der Politologe Claus Leggewie am 13. Oktober 2017 während der Buchmesse in Frankfurt am Main.
Prof. Claus Leggewie ist Politikwissenschaftler und war von 2007 bis zum 31. Juli 2017 Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen. Leggewie ist Mitherausgeber der Blätter für deutsche und internationale Politik.
…zur Ikone
Bis zum Jahr 2000 sei das Bild dann zu einer Ikone geworden und Willi Brandt habe eine unglaubliche Aura bekommen, die weit über seinen Tod hinaus wirksam war. "Der Kniefall ist eine christliche Geste, das ist ein sakraler Ritus was hier passiert. In einem Land, das damals schon nicht mehr sehr christlich war, von einer Person, die nicht sonderlich religiös war."
Brandt habe stellvertretend um Vergebung für die deutsche Schuld gebeten, obwohl er es persönlich nicht nötig gehabt habe. Er habe den Siegesgesten eine Demutsgeste entgegengesetzt und damit eine Entwicklung eingeleitet, die nicht selbstverständlich war: Von der Verklärung der eigenen Helden zur Anerkennung eigener Schuld. Er glaube nicht, dass die Geste inszeniert gewesen ist.
Brandt habe damals gesagt: "Ich habe das getan, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt."
Das vollständige Interview können Sie in der Mediathek nachhören.
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